Agadir ist - ganz im Gegensatz zu den hier geäusserten Ansichten - wohl das konservativste Pflaster in ganz Marokko was Frauentraditionen angeht, das merkt man nur deshalb nicht, weil sie sich tatsächlich durchgehend von den Touristenmeilen fernhalten, keine der Frauen, die ich kenne, käme auch nur im Traum auf die Idee an einen dieser Strände zu gehen, weder in einen männlichen noch in einen weiblichen Abschnitt, an DIESEN Strand da geht man höchstens, um zu promenieren, aber auch das nur im strengsten Eingebundensein in die traditionelle Männer- und Frauenordnung und wenn es irgendetwas mitzuteilen gibt: eine Hochzeit, ein neues Familienmitglied, Verwandte aus dem Ausland - alles eben wozu man früher bei uns auch promenieren gegangen ist.

Geschlechtertrennung ist absolut obligatorisch: männliche Kinder lieben es mit männlichen Männern männliche Dinge zu tun und bei Frauen ist es nicht anders: wobei die kleinen Jungens aus unserer Kultur (bringe ich immer einen ganzen Haufen mit - genau gesagt: 5) ein so heftiges Manko haben, daß sie vom Testosteron wie besessen sind, ihre Augen sich zu drehen beginnen und sie für einen solchen Mann alles tun würden - irgendwo ganz tief unten in ihrer Kleinjungenseele vermuten sie, daß sie sich mit diesem angeblich so stabilen Matriarchat unsterblich blamieren könnten und dann stehen sie schutzlos da und können weder uns noch sich selbst beschützen.

Bei den Mädchen und Frauen hingegen sehe ich, was es bedeutet, wenn in einer Familie immer so viele zu Hause sind, daß immer etwas zu essen da ist (nicht ein bischen und nicht nur ein Gericht, sondern üppig und zu jeder Tageszeit), daß immer ein Tee auf dem Tisch steht, daß immer einer zuhört und daß das Haus mit Leben, Muße und Ruhe erfüllt ist (und am Abend dann mit Tanz, Musik und Gesprächen).

Nicht auszurechnen, welchen volkswirtschaftlichen Schaden am Herzen, der Seele und der Gesundheit unsere Gesellschaft durch das Preisgeben einer häuslichen Infrastruktur wie dieser jetzt schon erlitten hat, von der Liebe ganz zu schweigen, denn nichts haßt eine westliche Frau mehr als ihren eigenen Körper (und foltert ihn ohne Unterlaß bis sie ihn dann endlich doch ans Alter verliert, das sie nach vergeblichen Kämpfen erschöpft erreicht).

"Etre absolument moderne" ist der spezifische Ehrgeiz des Kleinbürgers (Rimbaud) oder noch besser: nichts ist für eine Kultur förderlicher als "A leisured class with large and learned libraries in their country seats"

in diesem Sinne


Josi