Liebe Josi,

deine Beiträge gehen so sehr in die Tiefe und sind so herausfordernd - gerade zu diesem Thema, dass man sich nicht traut, etwas hierzu zu schreiben, weil man Angst hat, man würde die falschen Worte nutzen.

Ja dann - könnte ich ja auch meinen Mund halten und diesen Beitrag auch direkt löschen.

Nicht ganz.

Du hast mir schon mal geschrieben, dass ich bei diesem Thema nicht mitreden kann - hast mich dafür auch noch beglückwünscht. Das zeige ja nur, was für eine weiße Weste ich zu diesem Thema habe und wie eifersüchtig du ja eigentlich darauf bist. So sinngemäß plus von mir interpretiert.

Ich denke, dass es sehr wichtig ist, seine eigene deutsche böse Vergangenheit nicht zu vergessen bzw. sich ihr immer bewusst zu sein.

Aber womit ich immer ein Problem habe - deshalb kann ich mich auch nicht mit dem Christentum anfreunden - ist die Erbsünde.

Als ich im Durchschnitts-Deutschen noch nicht diesen Fremdenhass sah, haben sie mir leid getan, wenn man sie ständig mit der Vergangenheit ihrer Vorfahren konfrontiert hat. Ich habe ihnen auch zugestimmt, wenn sie sich über Nazi-Vorwürfe beschwert haben.

Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie lange nun Deutsche Buße tun müssen für eine Vergangenheit, die ihre Großeltern oder Urgroßeltern verbrochen haben. Vielleicht bin ich da immer noch der Naivling. Kann dieser Hass denn weitervererbt sein? Ist er denn nie wirklich verschwunden?

Das sind Fragen, welche ich auch heute nicht beantworten kann. Jedoch ist mein Gefühl seit Jahren leider ein anderes - sie tun mir nicht mehr leid. Ich schaue sie nur traurig an.

Ich fühle einen Hass auf meine Herkunft, den ich so nie gesehen habe. Der ist latent immer vorhanden. Und er war schon früher vorhanden als ich ihn überhaupt nicht wahrnahm.

Warum nicht wahrgenommen?

Vielleicht gab ich "uns" die Schuld, weil wir ja nur Gäste in einem fremden Land waren und die Gastgeber ruhig verwundert über unsere "andere Kultur" sein durften. Ich hatte also Verständnis dafür. Dieser "Verwunderung" bin ich schon während meiner ersten Kontaktphase mit Deutschen begegnet. Als ich als 6-jähriger mit Henna-Händen in den Kindergarten ging und ich erschrockene Blicke erntete, wusste ich, dass ich aus einer anderen Welt kam, ich also ein Fremder war.

Scheinbar war es aber keine Verwunderung - sondern Rassismus, was mir da entgegen wehte. Und damit meine ich jetzt nicht die Henna-Geschichte, sondern spätere Erfahrungen.

Heute kommt auch noch der Islam-Hass dazu, dass ich gar nicht so trennen kann.

Jedenfalls fällt es mir schwer, Katrin, Najib, Keela oder dich an die deutsche (eure?) Vergangenheit zu erinnern.

---------------------

Wo ich aber mitreden kann:

Twikezoras Attitüden und Herrschaftsansprüche über Marokko erschrecken mich sehr.

Ich nehme sie als Deutsche wahr, welche Marokko verändern will - ihr Tonfall, ihre Gedankengänge - und diese beängstigende Arroganz getreu dem Motto "Bringen wir den Afrikanern mal Zivilisation."

Wer ist sie, dass sie so mit den Marokkanern umgehen möchte?

Und da ist es völlig egal, ob ihre Vorfahren eine böse Vergangenheit haben oder nicht. Sie hat sich nicht in Marokkos Angelegenheiten einzumischen, solange ein Teil ihres Herzens nicht auch marokkanisch ist.

Ich fühle mich wahrscheinlich weitaus deutscher als sie sich marokkanisch fühlt und würde mir niemals diesen Ton erlauben. Ich motze nicht mal über hohe Steuern, weil ich weiß, dass damit öffentliche Güter finanziert werden.

Und wenn ich für eine Einheitskrankenkasse bin, dann sage ich das mit meinem deutschen Teil des Herzens, weil ich diesen Beitrags-Irrsinn nicht nachvollziehen kann.

Und wenn ich über das Jugendamt schimpfe, dann - weil sie herzlos sind und keiner Aufsicht unterstehen. Sie tun und lassen können, was sie wollen.

Über Polizisten, die in mir Schwarzkopf einen potentiellen Kriminellen sehen, würde ich niemals schimpfen.

Ich respektiere Deutschlands Gesetze mehr als Deutsche sie respektieren.

Aber vielleicht ist es eben das - dass der Durchschnitts-Deutsche keine Achtung kennt? Und deshalb so ist wie er ist - egal, um was es geht.

Ich weiß nicht, ob ich schreiben konnte, was ich gerne rüberbringen wollte. Ich bin müde und auch überfordert.