Der Artikel in der Süddeutschen ist hier nachzulesen:

http://www.sueddeutsche.de/politik/europas-linke-der-traum-vom-neuen-sueden-1.2377279

Für Dich veröffentliche ich ihn nur, damit ein deutsch lesen könnender Marokkaner, der nicht aus seinem Land einfach ausreisen kann, besser beurteilen kann wer sich zu seinem Erziehungsberechtigten aufschwingen möchte: das gehört zur Aufklärung ebenso wie die Aufklärung über Folterungen in Marokko im Auftrag der EU und/Oder den USA oder ganz aus eigenem Spaß an der Freud.

Die Erziehungsberechtigtenposition ist nicht die eines allseits geachteten Vorarbeiters, den alle in Europa beneiden um seine Kraft und Ausdauer - ohne Fleiss kein Preis! - sondern die des Aussenseiters, den keiner leiden kann, der gerade einmal dafür taugt, die Schulden der anderen zu bezahlen, ihnen Geld zu leihen wie weiland andere Geldverleiher, die er selbst auch weniger gut leiden konnte und nun will es die Ironie des Schicksals, dass er sich in exakt dieser verhassten Rolle wiederfindet und noch nicht einmal Zuneigung für seine Milliarden an EUR bekommt, sondern Hohn und Spott.

Denn nichts anderes sind die "Lateineuropäischen" Manifeste, sie zielen auf Deutschland und nur auf Deutschland.

Keiner mag den Deutschen Austerizid-Fetischisten, niemand traut ihm und jeder ist sich inzwischen darüber im Klaren, dass er so keinesfalls leben möchte wie er und geniert sich auch nicht mehr, mit der einen Hand zu nehmen und mit der anderen die Leier zu spielen und zu trinken und zu tanzen mit dem Geld der anderen. Jedenfalls in den Ländern, die von Deutschen so gerne bereist werden ist man sich einig, dass man es den Deutschen zeigen müsse und sei es auch nur, wenn sie mal wieder für 4 Wochen der Pflicht, dem Hamsterrad und der Notdurft entkommen sind und sich nun als Zaungäste bei Demonstrationen wiederfinden, deren Ziel sie selbst sind bzw. ihr Land und ihre Kanzlerin.

Ein Marokkaner weiß das ja nicht unbedingt von seinem Platz vor den geschlossenen Toren der europäischen Burg, aber wenn schon Mittelmeerländer, dann nicht nur Lateineuropa, sondern auch Marokko: deshalb gehört es auch hierher, um diesen hochfahrenden Ton von "es tut sich was in Marokko, ist aber immer noch Lichtjahre von Deutschland entfernt" etwas herunterzudimmen:

"Kürzlich fand das "Erste Forum des Südens" in Barcelona statt. Ergebnis war ein "Manifest von Barcelona", in dem etwas schwärmerisch ein südlich inspirierter "New Deal für Europa" gefordert wurde, also eine Abkehr vom "Merkelismus". Damit ist das Prinzip gemeint, wonach die Staaten die Banken retten, damit diese die Wirtschaft retten, was sie nach Ansicht der Südeuropäer aber nicht tun."

Und weiter:

"In populären sozialen Netzwerken Spaniens wie menéame.net wird nun die Forderung lauter, es sei Aufgabe des Südens, die Systemfrage in der EU zu stellen. Der Blog ctxt.es, gegründet von krisenbedingt entlassenen spanischen Starjournalisten, spricht von einer "Rebellion an der südlichen Peripherie". In einem Editorial heißt es: "Die Misshandlung" von Ländern wie Griechenland, Zypern, Portugal oder Spanien habe einen "Bruch, fast die Zerstörung eines bewährten Verhandlungsmodells in Europa mit sich gebracht". Vor allem die Dialogfähigkeit des Nordens wird bezweifelt. Agamben schlug in einem von großen Zeitungen in Frankreich, Spanien und Italien veröffentlichten Manifest vor, ein "lateinisches Reich" solle sich deutscher Bevormundung in der Euro-Krise entgegenstellen."

Und weiter:

"Aus den konservativen Blättern des Hegemons im Norden schallte sogleich der Vorwurf zurück, Agamben sei ein deutschfeindlicher Anachronist, der aufwiegele und zurück zur Siesta wolle. Der Philosoph antwortete, das Ziel seiner Kritik sei nicht eigentlich Deutschland gewesen. Aber leider stehe Berlin nun mal für die Unfähigkeit, Europa über den rein wirtschaftlichen Standpunkt hinaus zu denken. Nun sei der Moment gekommen, "die menschlichen Handlungen jenseits dieser einzigen Dimension neu zu organisieren."

Dass es Menschen wie Twikezora, wie Marocmineral und all die anderen ausnützen, dass ein Marokkaner aus seinem Land heraus nicht sehen kann, wer ihn da glaubt nacherziehen zu müssen und gleichzeitig den Preis für die Nähe, die Menschlichkeit und die intakte Kultur damit glauben herunterhandeln zu können (Whichser, die sie sind), dafür sind diese Iniativen selbstbewusste Lehrstücke, mit denen man noch zu rechnen haben wird:

"Die Stärke der südlichen Kulturen liege darin, so Morin, den Wert des Lebens nicht nur quantitativ zu bemessen, wie es der angloamerikanische Kapitalismus tue, sondern es von seiner Qualität her zu definieren.

Als südliche Werte nennt er Empathie, Familiensinn, Zwischenmenschlichkeit, Ästhetik, Gastfreundschaft, Lebensbejahung vor Effizienz - alles Leistungen, die leider abseits des Tourismus schwer zu kapitalisieren seien, wie Morin selbst einräumt. Deshalb sei der Süden im Konkurrenzkampf der Märkte unterlegen. Morin glaubt aber fest, der Süden könnte dem Norden viel mehr geben, als man dort denke. Denn in Wahrheit sei nicht das Modell des Südens bankrott, sondern das des Nordens."


Dass hier irgendjemanden Folterungen von Marokkanern an Marokkanern auch nur am Rande interessieren würde, glaubt noch nichtmal der Threaderöffner - denn dann würde er ja als abgesicherter, großherziger Mitteleuropäer ja bei der nächsten Gelegenheit zur Polizeistation in Agadir gehen - dort wo ich die nächtlichen Schreie gehört habe - anklopfen und fragen, ob er sich die Zustnde dort einmal näher ansehen dürfe?

Nachdem er ja seine Botschaft und seinen Konsul und viele aufgeregte NGO's hinter und neben sich weiß, kann ihm ja nicht viel mehr passieren, als dass der zuständige Folterhauptmann ihm die Türe vor der Nase zuschlägt - im besten Fall hat er aber etwas getan für die Menschlichkeit.

Ich würde mich das nicht trauen, gebe ich ehrlich zu.

Josi