Liebe Jasmin,
Rosenkrieg, das Wort gefällt mir.
Okay, dann lass es uns beenden.
Die Texte sind vor zehn Jahren entstanden. In der Zwischenzeit hat erfreulicherweise eine Sensibilisierung der Gesellschaft in Bezug auf Rassismus stattgefunden. Heute wird niemand mehr sein Kind Pippi Langstrumpf oder Jim Knopf sehen lassen. Die Diskussion um das Wort "Ziegeunerwurst" verdeutlicht die Veränderung in der Wahrnehmung. Man muss Texte immer im zeitlichen Kontext sehen, aber das ist dir als Gesellschaftswissenschaftlerin bekannt.
Die Problematik beim Schreiben möchte ich dir an einem kleinen Beispiel verdeutlichen und dann soll es auch gut sein:
Die Situation:
Wir stehen an einem abgelegenen Strand in Marokko, Treibgut liegt herum, ein Junge, vielleicht 14 oder 16 Jahre alt, bettelt nach Dirham.
Jetzt die Frage: Was soll ich in der Situation tun?
Ihm Dirham geben, wäre das Einfachste.
Aber ist das würdevoll. Er als Bettler, ich als großzügiger Gönner. In irgendeinem Forum würde man schnell als Gutmensch tituliert, der sich zufrieden und wohlgefällig schlafen legt, mit einem guten Gewissen, das ihm der Bettler für ein paar Dirham verkaufte.
Wie können wir uns auf Augenhöhe begegnen?
In meiner und auch in der Kultur der Marokkaner schändet Arbeit nicht. Er muss für die Dirham nicht betteln, er kann sie sich verdienen, erarbeiten.
Also offeriere ich ihm Arbeit, Feuerholz am Strand sammeln. Ich will eigentlich gar kein Feuer machen, aber es ist die Lösung. Natürlich werde ich jetzt in anderen Foren als Ausbeuter tituliert, der arme Marokkaner schafft für einen Stundenlohn, der weit entfernt von unserem Mindestlohn liegt.
Das Holz ist gesammelt. Er bedankt sich für die Dirham, nicht weil er das muss, sondern weil seine Eltern ihm die Worte "Bitte" und "Danke" beigebracht haben, so wie meine Eltern mir und ich mich bei ihm zuvor für seine Arbeit bedankt habe. In irgendeinem Forum werde ich mir dann anhören müssen: Sein überhobenes Selbst sieht man auf den Reisen bestätigt und denkt, man müsse ihnen dankbar sein, dass man für sie arbeiten darf. Ist ja echt sehr großzügig, dass der Marokkaner für sie arbeiten "darf", scheint ein richtiges Privileg zu sein für den reichen Europäer zu arbeiten.
Wir entfachen das Feuer, ich hole die Teekanne und wir trinken zusammen Tee. Anschließend verabschiedet er sich, kommt nach 20 Minuten zurück und schenkt mir einen Fisch.
Jetzt muss ich ihm klar machen, was in den Foren geschrieben wird, wenn ich als reicher Europäer, der ein Auto fährt das mehrfache 10.000 Euro kostet, seinen Fisch annehmen würde.
Was mache ich mit dem Fisch, um nicht an den Haaren in ein geisteswissenschaftliches Forum gezerrt und analysiert zu werden?
Ich lasse die Frage mal offen und verabschiede mich.
Viele Grüße vom Spießer ohne festen Wohnsitz.
Das traute Heim liegt zehn Jahre zurück.
Burkhard
www.pistenkuh.de