Plamage kommt von Plumeau und nein, es ist keine GSG 9 vor meiner Türe gestanden in den letzten Tagen, um Kladden, den Kinderfreund zu rächen. Der andere Thread ist ja jetzt weg, deshalb hier die Antwort.

In der gesamten Forengeschichte haben nur zwei Menschen das Wort Kackophonie in praktisch jedem Thread benützt: Wanderer und eThomas. Nur einer war auch so gebildet, das ist aber schon 12 Jahre her, man staunt aber auch da nicht schlecht: Forenfolklore.

Anonym
Nicht registriert


(3. DER PLATZ - ASPEKTE/ GEDANKENSPLITTER ZU SEINER BESCHREIBUNG)

Salam Aziz!
Ich bin - mit Allahs Hilfe, auf hoher See, unter strahlender Sonne, ohne das unbedarfte ‘Geplapper’ meiner jungen Gespielin, aber nicht ohne sie - in mich gegangen:
Du bist wieder ‘mein Freund im Geiste’!!!
Gerade, weil Du mich gescholten hast!
Ist der ‘VMK’ - Allah sei Dank! - nicht noch so etwas wie eine ‘kleine Familie’? in der ein offener kritischer Ton herrscht? unabhängig vom Naturell und Charakter des Einzelnen? beileibe ist der ‘VMK’ noch keine ‘Familie’, keine ‘Region’ oder gar ‘Schura’?
Entschuldige, dass ich mich also ein bisschen wie Hassan II. verhalten habe!
Dirigismus? Doch kein Grund für ‘Vatermord’.
Aber Du selbst hast gesagt, Du hieltest Hassan für ein Genie - und die Floskel von der ‘dosierten Demokratie’ hast Du mir bisher nicht untermauern können.

Nun hoffe ich, dass Du meine sehr persönliche Frage zu Deiner französischen Ärztin nicht so schwer genommen hast - und Du wieder in der Lage bist, zu schreiben!
Oder hat Dein Bus nach Marrakesch eine Panne? Ich hole Dich ab, mit meinem ‘Cherokee’, da habe ich keine Probleme.
Ah!!! ich ahne es: Rahmouni hat Dich in seinen Bann geschlagen! Das wird es sein!!!

Mit blosser Narrativik, Aziz, habe ich mich nie zufrieden gegeben. Ein ‘Rahmen’ muss m.E. für Erzählungen gegeben sein - ansonsten kann es ruhig chaotisch zugehen. Daher auch der Versuch, die Halquas als ‘Stimulanzien’ in diesen Rahmen zu nehmen.

Aber was treibt Silla?
Bist Du krank? Oder bist Du ‘böse’ auf mich?
Warum?
Was ist los?
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Nun, ich halte zunächst an den HALQUAS fest, selbst wenn sie in ‘Schweigen’ verfallen sollten.

In diesem extremen Falle würde ich vorschlagen, ihnen ‘Denkmäler’ auf Jemaa el-Fna zu errichten: Der Platz als konzeptueller mobiler und immobiler SKULPTURENPARK - ein Konzept für seine städtebauliche ‘Movida’???

Die ‘Halbheit’ der Gruppen, das Fragmentarische, ihre Unentschiedenheit, ihr ‘unerträglicher Schwebezustand’, die Entscheidungslosigkeit sind es, die Besorgnis erregen!

Die aus sieben Figuren bestehende ‘HALBMOND-HALQUA’ würde - zusammengehalten in Halses Höhe durch ein breites stählernes Band von Sternenzeichen, mit weit in den Nacken geworfenen Köpfen, ihrer Gesichter beraubt - erschreckend ausdruckslos zum Himmel blicken. Eine von den Figuren der Gruppe würde - gesichtslos ebenfalls - durch ein Teleskop-Fernrohr zu schauen versuchen! Diese eine Figur könnte der Mystiker Ibn Arabi sein, als plastischer ‘Doppelkopf ‘ vereint mit seinem Meister und grossen Vorbild Ibn Ruschd.
Es bliebe den einzelnen in dieser Gruppe Gebändigten überlassen, mit dem ‘Herzen zu sehen’. Die Füsse der aus leichtem unbearbeitetem Aluminium gefertigten Gruppe würden über dem Erdboden ‘schweben’. Gehalten würde diese Gruppe von einem der Situation massstäblich angepassten ‘verfremdeten’ stählernen Monster-Mobilkran, sodass sie am Haken schaukelnd den Wind noch erfahren könnte. Könnte! wenn denn ein Funke Leben in ihnen stecken würde! Sässige wie Fremde könnten die Gruppe - je nach Lust - mehr oder weniger heftig anstossen, zum ‘Schwingen’ bringen, ihren Spass haben.
Eine zu starke Assoziation zum ‘Platz der Gehängten’? Ein makabrer Spass?
Durch die Verbindung mit dem mobilen Kran, an dem die Figuren zwischen Himmel und Erde schweben, ist diese Skulpturengruppe in der Lage, ihren Standort nach Belieben zu wechseln. Und - das ist das ‘Grässlich-Komische’ - sie könnte heute hier und überraschend-unberechenbar morgen dort stehen.
Sie hat die Eigenschaft, die Menschen zu besuchen. Nicht aus eigener Kraft, nicht aus Gotteskraft, aber von Menschenhand bewegt.

Die HALQUA DER WISSENDEN TRADITIONALISTEN würde ich mir vorstellen als eine von aussen gesehen beziehungslos-unstrukturierte Anordnung von ebenfalls sieben grellfarbigen Beton-Skulpturen mit überdimensionierten ausdrucksstarken Köpfen (ich denke ein bisschen an Dubuffets Plastik in Chicago, direkt vor dem ‘State of Illinois-Centre’). Durch ihre dienernden verdrehten Körperhaltungen zueinander - von innen nur erfahrbar - scheint eine gewisse formale Ehrfurcht des einen vor dem anderen ersichtlich - eher trennend, nicht bindend.
Fusslos, mit stilisierten Gewändern, an der gemeinsamen Basis zusammengehalten durch einen mit Koran-Suren verzierten umlaufenden Betonsockel, ist diese Gruppe in den Boden von Jemaa el-Fna ‘eingegossen’. Es scheint, als wüchse sie aus dem - nunmehr geteerten Platzboden - heraus: ein steinernes ‘Kürbisgewächs’, das zum Dorren verurteilt scheint???
Innerhalb zweier exakt berechneter Umgebungskurven von 10m und 5m zur Skulptur ist abwechselnd der Klang von Rockmusik oder Gnawamusik zu hören - ein lösbares Problem für die Akustikwissenschaftler, die verhindern müssen, dass es zur

Kakophonie

kommt. Die Gruppe ist innen begehbar, was die Gefahr in sich birgt, dass die kleinen, frechen Mrakschi-Kinder sie bepinkeln können. Es hat aber auch ein Gutes! Wenn nachts der Geist von Yusuf Ibn Taschfine aus seinem nahegelegenen Grab steigt, kann er sich in der Skulptur verbergen, oder sich regungslos-tot darstellen und vor Ungebetenen schützen, und - von ‘sicherer Warte’ - deren Gesprächen lauschen.
Diese Skulptur muss - im Gegensatz zur ersteren - von den Menschen besucht werden, um sie zu erfahren.

Die GLOBAL-CITY-HALQUA könnte als leicht überlebensgrosse Zeineb dargestellt werden; verfremdet in der unnachahmlichen Manier des spätplastischen Werkes von Dali. Ja, Dali!! Du hast richtg gehört!
Zeinebs Schönheit und ihr Intellekt müssten - wie früher - den Betrachter blenden.
Sie scheint schwanger. Aus ihrem Bauch heraus würden bereits surrealistisch-naturalistisch High-Tech-Tastatur, Sprach- und Übersetzungssoftware und Bildschirm ragen.
Eingerahmt könnte Zeineb von ihren beiden Männern sein: rechts Abu Bakr Ibn Omar, zu ihrer LinkenYusuf Ibn Taschfine - in der gleichen eher abstrakten Art modelliert wie Zeineb selbst.
Diese Skulptur wäre zunächst ‘bodenständig’ - aber es wäre die ‘amerikanischste’ aller vorgestellten Skulpturen auf Jemaa el-Fna.
Auch diese Dreiergruppe müsste besucht werden: ein Golem, dem vergeblich Leben einzuhauchen wäre??? Oder könnte Zeineb auch besuchen? beileibe nicht als Hure, sondern als moderne Göttin der Informations- und Kommunikationstechnologie!

Was nun würde unser verehrter ‘Traditionalist’ Juan Goytisolo zu diesen Vorschlägen sagen?
Zum grossen Teile ihm hat die Menschheit zu verdanken, dass Jemaa el-Fna zum Weltkulturerbe gehört und von der UNESCO Schutz erhält. Ich kenne seine Antwort: hat es doch schon ärztlicher Hilfe für ihn bedurft als er erfuhr, dass der Platzboden auf Jemaa el-Fna zubetoniert worden war!
Aber allen 3 Skulpturengruppen die vielbeschworene, eher schon zerredete, Movida-Mobilität verleihen?
Das rückt uns dann wieder verdächtig in die Nähe des Theaters.
Für das zu schreibende Stück dazu müssten wir allerdings den ernsthaften Ben Jelloun gewinnen! Natürlich auch Daniel Cohn-Bendit; der würde dieses Mal das Vorwort schreiben.

Ich verbleibe mit vielen Grüssen an Dich, Aziz,

Peter.

P.S.
Wann beantwortest Du mir die Frage nach der ‘Love Parade’ in Marokko?
Meine Freundin ist brennend interessiert an Deiner Antwort! Sie hat heute den Ausdruck des Artikels „Der Islam mit dem weiblichen Gesicht" aus der SZ gelesen und ihn tatsächlich wohl auch verstanden!!? Ihre lakonische Antwort hat mich erstaunt: „Eine listige Schlange!"
Eine Weile musste ich dazu schon grübeln!

Josi

Last edited by Josi; 04/05/12 07:06 PM. Reason: Kackophonie freigestellt und fettgemacht