Hallo Koschla,

ein weites Feld.

Zu Merkel:

das, was Du beschreibst, ist das, was hier alle glauben und das ist auch ihr Rezept alle ruhig zu stellen. In Berlin wird sie deshalb auch nur "Mutti" genannt: man empfindet sie als verläßlich, als unspektakulär, als wenig machthungrig und als ausgleichend. Es gelingt ihr sich jedesmal aus der Affäre zu ziehen und den Dartpfeil auf dem Kopf eines anderen einschlagen zu lassen. Das Problem ist nicht, daß sie nicht herumbrüllt wie Adolf und nicht sich die Haare färbt (obwohl? egal) wie Schröder und auch nicht in einem Palast wohnt (sie wohnt tatsächlich in Apfelsinenkisten, sie hat ihre Studentenwohnungseinrichtung nie aufgegeben: das mag zwar auch symphatisch sein, es taugt nur nicht für den diplomatischen Verkehr, nicht zum Repräsentieren, nicht im Ansatz zu der Pflege von Verbindungen und Austausch auf einem nicht sms-haften Weg, der das eigentliche und einzige diplomatische Medium ist, über das sie verfügt, darin nicht unähnlich den Horden Jugendlicher morgens in der U-Bahn, die auch glauben, sie wären mit der Welt verbunden, wenn sie ihre sms checken).

Das täuscht alles jedoch ganz gewaltig: weil sie an nichts angeschlossen ist, weder an Wissensmächte noch an Industriemächte noch an Bankenmächte noch an Dynastien, sondern sich ausschließlich durch vollkommene Unsichtbarkeit ausgezeichnet hat und auf dem Weg nach oben auch jeden abgeschüttelt hat, der ihr irgendwie verpflichtet sein könnte, hat sie kein Handwerkszeug (von Kunst gar nicht zu reden), um mit den riesigen Problemen fertig zu werden, die die ausgefuchste, sich gegenseitig grinsend auf die Sculter klopfenden international und global agierenden Finanzmarktbanditen auch nur irgendwie in Schach halten könnte.

Ihre einzige Vertraute ist Beate Baumann, ihre Bürovorständin, sie ist die eigentliche Kraft im Hintergrund, die selektiert und füttert neben den Beratern von Roland-Berger bis Kinsey: wir leben in einer Beraterdiktatur, die sogar dann eingeschaltet werden, wenn neue Gesetze formuliert werden müssen - nichtmal mehr das macht das Parlament selbst, macht irgendein Abgeordneter selbst: befragt, ob sie wüssten über wieviele Milliarden jetzt abgestimmt würde, konnte vom NDR interviewte, in der Pause nach draußen gegangene Abgeordnete KEIN EINZIGER die korrekte Summe angeben: seinerzeit waren das mehr als 416 Milliarden, die Antworten waren von "weiß ich nicht" über "16 Milliarden?" bis zu 135 Milliarden: die tatsächlich genehmigten 416 Milliarden waren von keinem korrekt angegeben worden. Davon kann jemand, der einen regulären König und seine Berater hereinlegen will, nur träumen: wahrscheinlich braucht sogar die Mafia noch ein paar Jahre bis sie glaubt, was sie hier sieht - völlig ohne Pistolen, Bomben, Foltern und Morde kommt man hier an sein Ziel.

Nur durch Dummheit, Inkompetenz und am Sessel kleben (über Fukushima gibt es jetzt ein hübsches ARD Special, wo der seinerzeitige Präsident exakt und offen ausspricht, was wirklich vorgefallen war: daß er gar nichts tun konnte, weil die Atomlobby das Land fest im Griff hat, die eigentlichen Entscheider sind).

Wer solches Personal hat, braucht sich über die Ergebnisse nicht zu wundern und für das Personal ist der Chef verantwortlich: der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopf her. Frau Merkel hat gezielt und bewußt und sehr hartnäckig jeden einigermaßen fähigen Kopf ausgeschaltet und verhindert, daß außer nichtssagenden Funktionären irgendwer nach oben kommen konnte. Man denke nur an Rösler, dieses unsägliche Pennälergesicht von dem seine Kameraden bei der Bundeswehr sagen, daß er ein geborener Opportunist ist: das ist der Mensch, der jetzt über unsere Renten zu entscheiden hat?

Oder an die Familienministerin Schröder. Oder an das Ausbooten von Frau von der Leyen. Oder an Guttenberg. Oder an Wulff.

Zu Gauck sage ich nicht, daß es mich stört, daß er Pastor war oder ist: er hatte Reisefreiheit in der DDR, seine bereits ausgereisten erwachsenen Kinder konnten ihn in der DDR besuchen. Es gibt keinen Grund anzunehmen, ihn für einen besonders systemkritischen Menschen zu halten. Für mich ist auch nicht zu übersehen, daß es Wullf erwischt hat als er den "Islam als zu Deutschland gehörend" beschrieben hat (alles, was dann kam ist auf diesem Mist gewachsen nicht auf dem Klinkerbau). Der Freitag hat dazu etwas zusammengestellt: immerhin von jemandem, der es wissen musste und das schon 2000.

Kleine Auswahl, die zu denken geben muß (es wird nichts abschließend beurteilt, sondern lediglich zitiert, Muslime müssen daraus jedoch auf jeden Fall Schlüsse ziehen):

Antwort auf:
Für den BuPrä der Herzen war Occupy unsäglich albern und meinte das es eine romantische Vorstellung sei, von einer Welt zu träumen, in der man sich der Bindung von Märkten entledigen könne… in einem Interview mit dem Leitmedium Nummer 1 ( Süddeutsche ) verglich er sein Wirken mit dem der Geschwister Scholl und hielt Sarrazin für einen mutigen Politiker


Antwort auf:
Gauck in der WIR-Form: „Wir stellen uns nicht gerne die Frage, ob Solidarität und Fürsorglichkeit nicht auch dazu beitragen, uns erschlaffen zu lassen.“ (Quelle: Welt-Online vom 07.06.10)


Es ist die rhetorische Methode Gauck (wie auch von Sarrazin), nur Sachen anzudeuten, unausgesprochene Zwischenzeilen in den Raum zu pusten, sie dem Publikum zum dechiffrieren zu geben und im Falle, es passt ihm nicht, jegliche Interpretation von sich zu weisen. Das ist bei ihm nicht anders als hier im Forum. Er steht politisch im Mainstream derer, die uns weismachen, ein Mensch müsste sich seine Würde erst verdienen.

Hier eine türkische Redakteurin zu seiner kürzlichen Rede:

Antwort auf:
Der neue Bundespräsident sagt Folgendes: „Gehen Sie mal davon aus, dass mir die Tendenz am Herzen liegt. Ich habe vor kurzem die Möglichkeit gehabt, auf Einladung der türkischen Botschaft die Familien zu treffen, die mit und zusammen getrauert haben wegen der unsäglichen Morde dieser Banditen… es ist eigentlich sehr schnell eine Nähe entstanden zwischen dieser Personengruppe und mir…und zwar deshalb, weil hier ein Herz schlägt… weil ich das nicht ab kann, dass Menschen, die bei uns wohnen und die wir brauchen, deren Vielfalt wir schätzen, dass die sich so Vorkommen, als müssten sie sich immer entschuldigen, wenn sie bei uns sind… ja wo leben wir denn? Das kann so ich nicht wollen und deshalb ist nicht zu erwarten, dass hier ein Richtungswechsel erfolgt.“


Sie ist entsetzt, daß sie in "Deuschland wohnt" und nicht, daß sie Bürgerin dieses Staates ist, daß Gauck davon ausgeht, daß sie sich ständig entschuldigen müssten und daß Mörder nicht Mörder genannt werden, sondern "Banditen".

Ich bin überzeugt davon, daß die islamophobe Presse Wulff gestürzt hat und den Sarrazin-Versteher (jetzt hütet er sich solche Äusserungen zu machen, sie werden aber zurückkehren) auf den Thron gehoben haben, um wegen der kommenden Verwerfungen jetzt schonmal die Fronten klar zu machen: für Sündenböcke.

Ich hoffe inständig, daß ich unrecht habe*.

Josi

* ich habe mir keine große Mühe gegeben, um Beweise zu suchen und zu finden - politische Diskussionen bringen noch weniger als religiöse und man ist immer versucht, zu übertreiben, um den anderen zu überzeugen. Auch dafür bin ich jedoch zu alt.