Antwort auf:
Darf ich einen kleinen/großen Gedankensprung machen?


Ja, das darfst Du. Schön wie vorsichtig Du formulieren kannst, ich wünschte ich könnte das auch.

Antwort auf:
Wenn ich an sogenannten "Stars" denke (beispielsweise Michael Jackson), so stellt man fest, dass sie genau nach dieser Strategie verfahren, um die Massen zu hypnotisieren. Niemand interessiert sich für den gewöhnlichen Menschen von nebenan*. Niemand schaut zu ihm hinauf, niemand verehrt ihn. Die "wahren Stars" versuchen unnahbar zu bleiben, glamourös zu sein. Prachtvolle Eigenheime tun ihr übriges dazu. Und letztendlich macht es die Queen auch nicht anders - sie selber verdankt dem "Glamourfaktor" ihre Daseinsberechtigung.


Das ist ein sehr schönes Beispiel: ich war nie ein großer Michael Jackson Fan und habe es (leider) versäumt auf eines seiner großen Konzerte in München zu gehen. Erst nachdem er tot war, habe ich diese ganzen Interviews mir angeschaut, die ihn entlarven sollten als Kinderschänder und was soll ich sagen?

Ich habe entdeckt, daß er eine kindliche, vollkommen unschuldige Seele hatte und wenn er auf der Bühne war, dann war da ein Hauch von Engel, ein Verbundensein mit etwas, das außerhalb von uns existiert: er hing an Fäden, die so überirdisch waren, daß jede seiner Bewegungen mitten ins Herz getroffen haben. Und plötzlich habe ich verstanden, was all die Fans von ihm wollten: warum vor dem Bayerischen Hof noch immer ein großes Blumenmeer sich einfindet, täglich und immer wieder von Neuem. Er hat - wie der Sänger aus der Ballade "Des Sängers Fluch" von Ludwig Uhland ans Herz gerührt und das war dann auch sein Untergang, sein Verhängnis:

"Ihr habt mein Volk verführet, verlockt ihr nun mein Weib?"
Der König schreit es wütend, er bebt am ganzen Leib.
Er wirft sein Schwert, das blitzend des Jünglings Brust durchdringt,
Draus, statt der goldnen Lieder, ein Blutstrahl hoch aufspringt"

Was hat das nun mit Michael Jacksen und dem Palast zu tun in dem er so unglücklich geworden war und in dem er schließlich und endlich ermordet worden ist? Seine Unschuld (behaupte ich) war es, die ihm zum Verhängnis geworden ist - daß zu ihm aufgeschaut worden ist, ganz ohne den Palast (der hat seine Fans schon immer eher irritiert): er war eigentlich so etwas wie eine Lichtgestalt, der man blind folgen wollte - und keiner mit einem Platz auf der Erde (blöde Parallele, aber auch hier wurde er verraten von dem Nächststehenden, dem er am meisten geholfen hatte, einem Jünger bzw. dessen Mutter).

Einen Palast hatte er gar nicht nötig, ja er wurde ihm sogar zum Verhängnis.

Ein König hat nicht selbstverständlich eine solche Aura, eine solche alles bezwingende Überzeugungskraft, ist meistens weder überirdisch schön, noch überirdisch begabt, die Engel fliegen nicht leise um sein Haupt. Er muß Macht demonstrieren, er muß Macht sogar vortäuschen, nicht wenige Könige und ich gehe davon aus, dazu gehört auch der marokkanische König, empfinden ihre Paläste und sogar ihre Macht als schwere Bürde, als Last, als Verantwortung. Wer nur machtbewußt ist, räumt alle aus dem Weg, die ihm gefährlich werden könnten und erbaut sich so einen Palast in die Tiefe, bis er weit unterhalb der Mitte angelangt ist, bei den Einfältigen und Nichtskönnern, den Stümpern, den Gaunern, den Hütchenspielern - ich denke, das ist das System Kohl, von seiner Ziehtochter verfeinert.

Dann mache ich jetzt auch einen kleinen/großen Gedankensprung

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Niemand interessiert sich für den gewöhnlichen Menschen von nebenan*.Niemand schaut zu ihm hinauf, niemand verehrt ihn.


Nenne mich eine heillose Romantikerin, aber ich kann auch nach mehr als 11 Jahren Marokko immer noch nicht umhin, im einfachen Menschen von der Straße, vom nächsten Imbißstand mit Kichererbsen oder Schneckenbrühe, vor der nächsten Moschee, im Bus nach nirgendwo, mehr Würde, Schönheit und Anmut zu sehen als in vergleichbaren "Schichten" in Deutschland/Europa. Woran das liegen mag, ob am Islam, am König oder an der Geschichte oder weil es Gott so gefallen hat: kann ich nicht sagen - es ist jedoch mit Händen greifbar und hat nichts mit Reichtum oder Armut zu tun.

Und mir scheint, das weiß auch der König (der von Marokko, nicht irgendeiner). Da kann ich mich aber irren und wenn ich mich irren sollte, dann ist alleine schon der Glaube, daß es so sein könnte, etwas Tröstlicheres als der allgegenwärtige Zynismus, daß der Mensch schlecht sei und immer schlecht sein wird.

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Nichtsdestotrotz verbietet der Islam Menschenkult (nicht aber Schönheit - und meist ist prachtvoll auch schön und/oder andersherum) aus gutem Grund:


Ja, ich erinnere mich, daß das der einzige Punkt war in dem ich mit Abid al Wahid nicht einer Meinung war: da ist was dran. Aber irgendwie bin ich zu alt für Experimente: und alle Experimente, die ohne einen König oder ein Königsubstitut auskommen wollten, sind schrecklich gescheitert. Ich halte mich daran fest, daß es dieser König ist, den ich gut finde (gut finden will) und der Rest wird sich finden.

Zum Schluß nochmal des Sängers Fluch (wie es denen ergeht, die Schönheit und Engelhaftigkeit nicht ertragen können).

"Weh' euch, ihr stolzen Hallen! Nie töne süßer Klang
Durch eure Räume wieder, nie Saite noch Gesang,
Nein, Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt,
Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt!
...
Der Alte hat's gerufen, der Himmel hat's gehört;
Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört,
Noch eine hohe Säule zeugt von verschwund'ner Pracht,
Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht.

Und rings, statt duft'ger Gärten, ein ödes Heideland:
Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand;
Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch:
Versunken und vergessen! - das ist des Sängers Fluch".

Josi