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Marokko mit dem Wohnmobil

Reiseimpressionen sammeln bei einer Fahrt mit dem Wohnmobil

erschienen am 3. März 2006 in der "Rheinischen Post"
Diese Reise fand den Angaben nach im vergangenen (?) Jahr vom 28.3. - 19.4. statt


Ceuta – Die Grenze
Hundert sind es, vielleicht auch mehr. Und die Anzahl nimmt immer noch zu. Dicht gedrängt stehen sie an der Grenze zu Marokko, aber noch auf der spanischen Seite. Voll gepackt mit Sachen, die sie in Ceuta gekauft haben, die sie brauchen oder die sie in ihrer Heimat verkau-fen können.
Und dann plötzlich läuft einer los und die anderen folgen ihm. Die Zöllner und ihre Gehilfen fassen den einen oder anderen, der größte Teil aber ist jetzt auf marokkanischer Seite.
So schnell klappt unsere Grenzabfertigung nicht. Das Ausfüllen der erforderlichen Formulare, das Prüfen der Pässe, das Umtauschen des Geldes, die Kontrolle einzelner Fahrzeuge – zwei Stunden später sind auch wir in Marokko.

El Jadida – Die Küstenstraße und der erste Souk
Der vor uns fahrende LKW ist zweistöckig beladen. In den einzelnen Stockwerken befinden sich einige Ziegen. Sie müssen schwindelfrei sein in dieser Höhe. Plötzlich, ohne Blinker zu setzen, wechselt der LKW die Spur und setzt zum Überholen, oder besser, zum Vorbeifahren an. Er schwankt bedenklich, aber es geht gut. Und dann sehen wir es auch: Ein Eselgespann, hochbeladen, auf der Ladung thront der männliche Begleiter, seine Frau trabt neben dem Esel. All dies befindet sich auf der rechten Fahrspur. Wir sind auf der Autobahn in der Nähe von Rabat.
Im Souk kaufen wir uns ein Fladenbrot. Es wird uns von Hand zu Hand angereicht. Als wir die „saubere“ Hand des Bäckers sehen, schlucken wir erst einmal. Aber das Brot schmeckt. Und – auf der gesamten Fahrt haben wir nicht einmal Probleme mit dem Magen.
In all der Enge, dem Gewühle und dem Krach sitzen drei Männer seelenruhig am Boden und spielen auf dem Kleinpflaster mit Kronkorken ein für uns nicht erkennbares Spiel. Sie sind voll konzentriert und nehmen die Umgebung nicht wahr. Es ist Meditation auf marokkanisch.

Agadir – Die Platte
Den Motor des Mobils haben wir gerade ausgestellt, da erscheint der erste Händler neben der Tür des Reisemobils. Auf dem Boden breitet er mehrere Teppiche aus. Ich mache ihm klar, dass wir nicht interessiert sind. Dies wird von ihm nicht zur Kenntnis genommen und er läuft noch einige Zeit hinter uns her. Seine Einsicht, dass er uns nichts verkaufen kann und sein Weiterziehen zum nächsten Reisemobilisten wird begleitet vom Erscheinen des nächsten Händlers. Dieser hat heute besonders preiswerte Ledergürtel und Bänder aller Art im Angebot. Sehr beliebt sind hier die so genannten Tausch-Waren-Geschäfte. So kostet ein Tep-pich in der Größe 2,00x 1,20 m drei T-Shirts und 200 Dinar. Dies Angebot ist als Grundlage für weitere Verhandlung anzusehen.
Wir befinden uns auf der Platte, einer ebenen, großen Fläche oberhalb des Meeres kurz vor Agadir. Hier überwintern bis zu 500 europäische Reisemobilisten. Wir haben heute den 31.März, das Wasser des Atlantiks hat 16°C und der Badebetrieb hält sich in Grenzen.

Tiznet – Die Silberschmiede
Kurz hinter dem Eingang sitzen zwei Silberschmiede an einer Werkbank und werkeln ziemlich lustlos an einigen Silberstücken herum. Ob das die ganze Belegschaft ist? Wir betreten den Verkaufsraum und sehen uns von Glasvitrinen umgeben, die mit sehr schönen Silberschmuckstücken gefüllt sind. Unsere Fragen nach den Preisen verschiedener Stücke werden als der Ausdruck starken Kaufinteresses verstanden. Und so erscheint plötzlich eine große Anzahl von Verkäufern. Die Anzahl Kunden – Verkäufer nähert sich sehr schnell dem Verhältnis 1:1. Das Ergebnis ist, dass einige fluchtartig den Laden verlassen, andere aber auch kaufen. Hinterher ist uns klar: Das war keine Silberschmiede, das war ein Silberladen

Aglou-Plage – Höhlen und Interesse an Deutschland
Ein wunderschöner Strand, endlos weit, durch Dünen aufgelockert, menschenleer. In der Fer-ne wird die Küste steiler. Als wir näher kommen, sehen wir Fenster und blaue Türen in die-sem steilen Bereich. Ob es sich hier um Eingänge zu bewohnten Höhlen handelt?
Da spricht uns ein junger Marokkaner auf Englisch an, der von der Meerseite langsam auf uns zugeschlendert kommt: „ So etwas kennen sie sicherlich nicht aus ihrer Heimat!“ Wir müssen das bestätigen. Er erzählt uns, dass es sich bei den Höhlen um die Behausungen von Fischern handelt, die auch heute noch zum Teil bewohnt sind.
Als er dann hört, dass wir aus Deutschland kommen, zeigt er starkes Interesse. Besonders interessieren ihn der schulische Weg der Kinder und Jugendlichen und die Arbeitswelt mit ihrem sozialen Hintergrund. Absolut unverständlich erscheint es ihm, dass wir soviel Zeit opfern können für eine solch lange Reise nach Marokko.
Wie wir dann auch erfahren, ist er ein Sohn eines Fischers und studiert Literaturwissenschaft in Agadir. Wir sind überrascht über sein sehr gutes Englisch und beschämt über unsere doch etwas lückenhaften Sprachkenntnisse.

Tafraoute – Der etwas andere Laden
In einem Lokal mit einer deutschen Speisekarte haben wir eine ganz hervorragende Tajine mit Gemüse und Hühnchen, Mandeln und Trockenpflaumen gegessen und jetzt machen wir einen Verdauungsspaziergang durch den kleinen Ort. In einer Seitenstraße entdecken wir einen La-den mit einem großen Schild „Festpreis“. Das ist außergewöhnlich in einem Land, in dem um jeden Preis gefeilscht wird. Wir sind neugierig geworden und gehen hinein. Es handelt sich um einen Schmuckladen, in dem einheimische Schmuckgegenstände zu durchaus akzeptablen Preisen angeboten werden. Hinter der Theke steht eine junge, hübsche, selbstbewusste Frau, unverschleiert, deutsch und englisch sprechend und, wie wir dann später erfahren, aus diesem kleinen Ort stammend. Sie macht uns darauf aufmerksam, dass ihr Geschäft im Därr – Reise-führer Marokko erwähnt wird. Wir kaufen einige Teile und sprechen später mit dem Leiter unserer Gruppe über diese außergewöhnliche Begegnung. Seine Meinung ist, dass diese Frau in dieser Gegend mit Sicherheit zum Leben ohne Ehepartner verurteilt ist. Kein Marokkaner aus Tafraoute wird eine derartig selbstständige Frau heiraten.

Tafraoute nach Taroudannt – Begegnungen unterwegs
Wir machen eine Rast in den Bergen. Ein Marokkaner auf einem Rennrad nähert sich unse-rem Rastplatz. Ungewöhnlich, das ein Einheimischer sich auf diese Art und Weise körperlich ertüchtigt. Neben unserem Reisemobil unterbricht er seine Fahrt, breitet auf dem Boden eine Decke aus und drapiert auf dieser Unterlage einige Öllämpchen, die er aus seinem Rucksack holt. Und dann beginnt er, uns diese Öllämpchen anzupreisen. Nur mit Mühe gelingt es uns, ihm klar zu machen, dass wir im Moment keinen Bedarf an Öllampen haben.
Bei einer weiteren Pause in dieser fantastischen Bergregion kommt uns ein Junge auf einem Esel entgegen. Ich frage ihn, ob ich ihn fotografieren darf. Er hat nichts dagegen und erzählt uns dann, dass er von der Schule kommt. In dieser Gegend, die einen wohlhabenden Ein-druckmacht, gehen alle Kinder zur Schule. Kinder, die betteln, sieht man gar nicht. Am Mittag bei Schulschluss fahren die Mädchen und Jungen mit ihren Mopeds nach Hause oder reiten halt auf dem Esel heim.

Taroudannt – Essen im Berberzelt
Das Lokal betreten wir durch einen Torbogen, im großzügig angelegten Garten ist ein Berberzelt aufgebaut. Darin essen wir zu Abend. Das Essen ist hervorragend. Ein Chefkellner weist seine Tischkellner an, an welchen Tischen welche Speise aufzutragen sind. Vor dem Bezahlen erscheint ein neues Bediensteter. Das Entsetzen über unseren Wunsch, die Beträge für jeden Tisch gesondert zu ermitteln, lässt sich auf diesem Gesicht ablesen. Umständlich und unter Zuhilfenahme einiger Berater werden dann aber doch die einzelnen Endbeträge ermittelt.

Nach Quarzazate – Kinder wachsen aus dem Boden
Heute fahren wir durch eine besonders beeindruckende einsame Gegend: eine bergige, unheimlich weite Landschaft, seltsam geformte Bergkegel, weite Talkessel, die Straße ist manchmal kilometerweit in ihrem Verlauf im Voraus zu erkennen. Alles ist trocken, dunkle Farbtöne sind vorherrschend, etwas Grünes sieht man nicht.
Wir machen auf einem einsamen Plato neben der Straße eine Pause, um die Gegend zu genie-ßen. Da hören wir plötzlich neben uns mehrere piepsende Stimmen: „Stilo, Bonbons“. Uns ist immer wieder schleierhaft, woher diese kleinen Kinder in Windeseile kommen, wenn ein Au-to oder Reisemobil anhält.

Tinerhir – Todra-Schlucht
Warnungen von Reisemobilisten, dass man mit einem hohen Reisemobil nicht in diese Schlucht hineinfahren soll, beachten wir nicht. Unser Mobil ist 3,20 m hoch und es geht eigentlich ganz gut. Es gibt eine enge dreißig Meter lange einspurige Engstelle mit überhängenden Felsen. Hier ist Vorsicht geboten ist. Man kann sechs Kilometer in die Schlucht hineinfahren auf einer Bitu - Fahrbahn, die restlichen paar hundert Meter sind Piste. Die Schlucht ist überwältigend. Wir durchfahren eine 30 cm tiefe und 30 m lange Fuhrt und dann beginnen links und rechts die Felsen, immer enger und höher werdend. Am Ende, wenn es mit dem Befahren nicht mehr weiter geht, haben die Felsen einen Abstand von 20 m und eine Höhe von vielleicht 250 m. Leider haben die Marokkaner in der Nähe dieses malerischen Platzes den Bau eines Restaurants mit Hotelbetrieb zugelassen. Dies wirkt hier äußerst deplaziert. Aber warum sollen hier die Fehler der europäischen Länder nicht gemacht werden?

Campingplatz Source bleue – Erziehung zur Ordnung
Malerisch ist er, dieser Campingplatz. Wir stehen mit dem Mobil im Sand direkt unter Palmen mitten in einer Oase. Das ist das reine Paradies. Als wir nach einem langen und sehr schönen Abend, an dem wir mit Freunden zusammen sitzen und die bisherigen Erlebnisse noch einmal an unserem inneren Auge vorbei ziehen lassen, ins Mobil gehen, lassen wir einige Sachen vor dem Wagen stehen. Am nächsten Morgen wundern wir uns, wie ordentlich und leer es um das Fahrzeug herum aussieht. Wir lassen uns von Marokko – Kennern belehren: Alles, was vor dem Fahrzeug, vor dem Haus oder vor der Wohnung liegt, wird vom Eigentümer nicht mehr gebraucht und kann mitgenommen werden. Dies ist ein ungeschriebenes Gesetz und kein Diebstahl.

Erg Chebbi – Schonung für unsere Mobile
Unter Leitung eines marokkanischen Fremdenführers fahren wir mit Jeeps im Höllentempo über Sandpisten zum Erg Chebbi, der aus 100m hohen Sanddünen besteht. Unterwegs machen wir an einer Verkaufsstelle für Versteinerungen Halt. Wie man uns sagt, wurden alle Stücke in der Umgegend gefunden. Peinlich, dass einige Teile am Boden noch den Aufkleber „Made in India“ tragen.
Später stehen wir auf den hohen Sanddünen, schauen in die hier beginnende endlose Wüste und betrachten vorbeiziehende Karawanen. Vergessen ist der marokkanische Führer, der nur bis zu den Verkaufsständen ansprechbar war, vergessen sind die aufdringlichen Händler, ver-gessen ist alles Negative.

Zagora – Die Wagenburg
Die Fahrzeuge stehen in einem Kreis wie in einer Wagenburg. Wir befinden uns hier am Ende der Piste, ungefähr 30 Km hinter Zagora. Nur noch Dünen und Sand und Stille ist um uns. Wir sitzen vor unseren Wagen im Schatten, das Thermometer zeigt 40°C, abends kühlt es aber ab, um 23.00 Uhr werden es nur noch angenehme 25°C sein. Plötzlich sind wir nicht mehr allein. Unsere Wagenburg füllt sich mit Leben. Händler mit Teppichen, Versteinerungen, Silberschmuck und Kameltreiber, die ihre Tiere für einen kurzen Ritt in die Wüste anbieten, bevölkern den Innenraum. Aber wir hatten sie auch schon ein wenig vermisst.

Kasbah Ait Benhaddou – Zwiespalt der Gefühle
Mit unserem marokkanischen Führer besichtigen wir diese Kasbah. Das monumentale Haupt-tor dieses Wehrdorfes wurde für den Film „Sodom und Gomorrha“ neu errichtet. In der Kasbah befinden sich noch einige Wohnungen, eine dürfen wir besichtigen. Die Wohnung ist direkt am Berg aus dem Lehmmauerwerk errichtet, wobei der ansteigende Fels mit in die Wohnung eingebunden ist. In der Wohnung sind nur ein Schlafraum und die Küche möbliert. Der Schlafraum ist mit Teppichen und Decken ausgelegt, die Küche weist einen Herd und ein Spülbecken auf. In einem Seitenraum der Wohnung sind Ziegen und eine Kuh untergebracht.
Das Oberhaupt der Familie sitzt im ersten Raum, den wir betreten und erwartet von jedem Besucher Bakschisch. Die 12jährige Tochter verlässt, als sie die Menge der Besucher sieht, fluchtartig die Wohnung. Das Ganze wirkt auf uns durch den Umstand peinlich, dass hier Familien gezwungen sind, aus finanziellen Gründen ihre Wohnung völlig fremden Menschen gegen Geld zu zeigen.

Marrakech – Der Souk, die Berber-Apotheke und ein hervorragendes Lokal
Der Souk von Marrakech ist einer der größten und abwechselungsreichsten in ganz Marokko. Was uns stört, ist die Geschwindigkeit, mit der uns unser marokkanischer Führer hier durch-schleust. Und dann erkennen wir den Grund: Der Besitzer der Berber Apotheke wartet schon. Was dann folgt, könnte als Video auf einem Seminar für angehende Verkäufer gezeigt werden. Der Mann im weißen Kittel führt Regie – jeder erhält eine Plastiktasche – die einzelnen Mittelchen werden kurz vorgestellt – es folgt die Frage, wer die dazu passenden Wehwehchen hat – schwups, landet jeweils eine Dose, Schachtel, Beutelchen in jede Plastiktasche. Als die nächste Gruppe schon an der Tür klopft und die Plastiktaschen voll sind, geht es ab zur Kasse. Der Kassierer peilt den Inhalt kurz an, nennt einen Preis und die Dinar wechseln den Besitzer. Wie sich später herausstellt, wurden einige Preise etwas sehr großzügig geschätzt.
Abends fahren wir zu einem luxuriösen Lokal in der Innenstadt. Das hier gebotene Essen be-steht aus mehreren Gängen: 1. Salate, 2. Pastine (Blätterteig mit Fleisch von Tauben); 3. Causcous (Hähnchenfleisch, Gemüse, Salat, scharfe Sausen); 4. Obst, Gebäck, Tee. Das Essen wird von ständiger marokkanischer Musik begleitet, die von etwas schläfrigen Musikern erzeugt wird, und es werden verschiedene Vorführungen gezeigt. Tänzerin, Gruppe mit singenden Mädchen, Bauchtänzerin.

Casablanca – Und die Taxifahrer
Wir haben uns die große Moschee Hassan II angeschaut mit dem 200 m hohen Minarett. Und jetzt wollen wir mit dem Taxi zurück zum Campingplatz. Wir finden ein Mini-Taxi, einen Fiat Uno, steigen ein und sagen dem Fahrer, wo wir hin wollen. Das Ergebnis ist, das der Fah-rer den Wagen verlässt und sich bei den anderen Teilnehmern unserer Gruppe erkundigt, ob sie auch zum Campingplatz wollen. Als dies bejaht wird, fährt er mit uns entgegen der Fahrt-richtung zu einem zweiten Standplatz für Taxis und bietet dort seinen Kollegen die Fahrgäste an, natürlich gegen Bakschisch. Dann fährt er nochmals zurück, um das „Verstauen“ der an-deren Fahrgäste auf die einzelnen Wagen zu organisieren, nimmt selbst noch einen nicht mehr zugelassenen 4. Fahrgast auf, verdeckt aus diesem Grund sein auf dem Dach angebrachtes „Taxi“ - Schild und bringt uns erst dann unter Missachtung des gegenläufigen Verkehrs auf den Richtungsfahrbahnen in einem mit seinen Kollegen durchgeführten Taxi - Rennen zum Campingplatz zurück, freut sich dabei mächtig, wenn wir uns in Anbetracht seiner scharfen Fahrweise das eine oder andere Mal erschrocken zeigen.

Zusammenfassung:
Fahrzeit: 28.März bis 19.April
Fahrstrecke: Algeciras, Fähre, Ceuta, Larache, El Jadida, Essaouira, Agadir, Tiznit, Aglou-Plage, Tiznet, Tafraoute, Blaue Steine, Agadir, Taroudannt, Quarzazate, Gorges du Todra, Er Rachidia, Erfoud, Merzouga, Erg Chebbi, Zagora, Mhamid, Marrakech, Casablanca, Ceuta,
Fahrstrecke in Marokko: 3.800 Km