abid,
vom volk haben immer populisten und totalitäre gesprochen. sie haben es gelockt und zum desaster geführt. deswegen mag ich nicht zuviel vom volk sprechen, sondern von der gesellschaft. sie ist das volk und mehr als das volk beduetet sie auch alle unendlichen komplexen und dynamischen dinge, die es in ort und zeit ausmachen.
dein youtube mensch erinnert an kischk. kennst du ihn noch, den guten hamid kischk? er war so populär in marokko, dass seine kasseten sich überall befanden, in taxis, in de joutya, selbst bei säufern. er prädigte damals schon, vor mehr als 20 oder 30 jahren den weltuntergang und gottes strafe für die tyranen und pharonen (und bla bla).
du argumentierst sonst wie die französischen journalisten. sie wetten auf misere und elend, du au einen moralischen schock. wie ihre werden deine ausführungen aus verschiedenen gründen nicht tragen.
- sooo wichtig, wie man sie gerne in der nationalen und internationalen öffentlichkeit aufblähen mag, sind die islamisten auch nicht. geht man davon aus, dass nach den regeln der statistik 1500-1600 befragte menschen reichen, um die meinung eines ganzen volkes zu ermitteln, sind die wahlen eine gute belehrung in dieser hinsicht.
al adl hat nicht mehr anhägner als die fussballfans einer kleinen stadt, dazu sind sie verteilt im ganzen land. aber in zeiten von medialer inflation und populismus sind sie zu einer grossen bewegung erkoren worden. wenn du andere zahlen hast, gerne. darüber hinaus ist das image der sekte nicht zuletzt wegen der blasphemischen delirien ihres gurus yassine auf talfahrt. seine tochter, eine francophile, die in der französischen schule mit den eliten und fern vom volk gelernt hat (aha!) ist zwar eine furie der medien, aber keiner hält sie für etwas anders als provokation.
- die welt ist nicht linear und gesellschaften haben, wie einzelen menschen, ihre anpassungsmechanisme, mit denen sie schocks einstecken und dämpfen. marokko und die arabisch-islamische welt sind nicht die einzigen, die dies erfahren. nach der massiven industralisierung und den sie begleitenden avantgarden gab es gegenreaktionen (u.a. der fundementalismus unter den evangelisten amerikas, daher der begriff fundamentalist). emannuel todd, den ich oben zitiere, hat interessanterweise in einem interview den suizidterrorismus in der arabisch-islamischen welt mit den suizid-phänomenen, die emile durkheim in der gesellschaft nach umrüchen statistisch festgehalten und bewertet hatte. mit anderen worten, veränderungen kommen nicht einfach sanft, aber gesellschaften haben sie stets überlebt.
- was du als schock zu definieren versucht, ist im grunde keiner oder zumindestens nicht so einer. das bild, das du von der realität marokkos malst, ist zu idylisch. die wirklichkeit ist anders, denn liest man dich, denkt man, man lebte bisher in vollkommener konformität mit den islamischen regeln und nun, wegen der sündhaften gesellschaftlichen und politischen lockerung des landes und wegen dieser francophilen teufel ist die gesellschaft mit etwas konfrontiert, was sie bisher nicht kannte und nicht verkraften wird.
in deiner beschreibung ist marokko eine art kandahar und das ist natürlich eine fictionale vorstellung. in wirklichkeit gab es dieselben "sünden" schon immer, früher vielleicht noch mehr als jetzt und die francophilen waren früher noch dominanter. schlimmer, in marokko waren die franzosen in vielen leitenden positionen bis ende der 70er, sie waren auch ärzte und stellten einen grossteil des lehrkraft für naturwissenschaftliche fächer.
- das schockierende an diesem aufeinanderprallen, wie du beschreibst, ist, dass diese allen bekannte wirklichkeit in den medien verarbeitet und verbreitet wird und dadurch häufiger und menschen näher wird, als sie sich vorgestellt hatten. hier hilft es daran zu erinnern, dass eine reihe von moral-skandalen (etwa um den beliger servaty) zwar zu einer öffentlichen empörung geführt haben, mehr aber auch nicht.
- die arabisch-islamische welt sehnt sich nach dem westen und seinem lebensstil. es ist un bestreitbar, dass die westliche mode überal einzug hält auch unter dem schleier der frauen im iran oder saudi-arabien. als ikea in saudi-arabien geöffnet hatte soll es tote bei der drängenden masse gegeben haben. hier ist das beispiel, das du vom iran gibst einfach realitätsfremd. tatsache ist, dass, müde von jahren des kriegs und der inneren spannung, das volk sich mit der heuchelei des regimes und das regime mit der heuchelei des volks abgefunden haben. mit anderen worten, es wird hinter den eigenen mauern und in diskreten orten gesündigt wie sonst überall in der welt, wichtig ist nur, dass die sittenpolizei nichts so offen mitbekommt, das sie verpflichten würde zu handeln.
- die neuen generationen in marokko und anderswo wachsen schon mit handy- und webcams, sie flirten in sehr jungem alter in den schulen und die sowhol die politische als auch die moralisierende ideologie lassen sie ziemlich gleichgültig. junge eltern stellen sich bereits ähnliche fragen wie in europa, nämlich, wie sie ihre kinder schützen und nicht, ob sie eine islamische revolution oder was auch immer tun.
jm