hallo zusammen,

hallo Anna, Grüße nach Norwegen, hi Edith, sidi r´bat kenne ich seit Anfang der 80er Jahre, allerdings praktisch ohne den Trubel, der wohl zur Schließung der Anlage geführt hat, da ich Marokko fast ausschließlich in der Nebensaison bereise.

Unvergesslich ist mir noch eine Nacht auf dem Camping, in der es wie aus Kübeln schüttete. Sicher erinnerst du dich dass der Platz zum Meer hin abfiel und da das Zelt an der unteren Mauer aufgebaut war, dummerweise mit der Öffnung nach oben, musste die ganze Nacht einer die Bodenwanne hochhalten um das sturzbachartig anströmende Wasser abzuwehren.

Unter dem folgenden Link gibt es einen launig geschriebenen Reisebericht, der sich auch mit sidi r´bat beschäftigt.

Reise nach Afrika

 Antwort auf:
Mit Sidi R`bat verbindet mich eine mittlerweile zwanzigjährige Reisetradition und eine Menge Freundschaften, Storys und Erlebnisse. Dort werde ich aus Autos begrüßt, dessen Fahrer ich schon kannte, als sie noch zwischen meinen Knien im Sand gespielt haben. Der Ort wird hauptsächlich von europäischen Freaks besucht, und da der Aufenthalt in der am Strand gelegenen, einfachen Campinganlage für Marokko nicht gerade geschenkt ist, führte dies zu einer Vorauswahl, so daß Klauereien und ähnliches nicht vorkamen. Ich habe in Sidi R`bat neben vielen Anderen schon Schweizer Hell`s Angels und Münchner Luden kennen gelernt. Ein in jeder Hinsicht hochinteressanter Platz und seit je her der moslemischen Obrigkeit ein Dorn im Auge. Entsprach noch nie so ganz der Form von Tourismus, den sich die Chefs und Planer im weißen Kragen so vorstellten - immer hart an der Grenze, es gab keine nennenwerten Vorfälle, und so lief es und lief immer weiter.



Die letzten Informationen, die nach Hamburg durchdrangen, waren betrüblich. Die besagte Campinganlage wird von der Kommune verpachtet und der aktuelle Pächter ließ sich erwischen, als er mit Engländern hundert oder hundertfünzig oder weiß der Teufel wieviel Kilo Haschisch durchhandeln wollte. Angeblich wurde erstmal das halbe Dorf eingeknastet, dann wieder entlassen, aber die Engländer und der Pächter bekamen recht zügig lange Haftstrafen in marokkanischen Gefängnissen. Die Gerüchte besagten weiter, daß die Administration diesen Anlaß nutzte, den Platz gleich mit zu plätten, keinen neuen Pächter einsetzte und diesen Ort für Touristen hat sperren lassen. Wir waren gespannt, was an diesen Geschichten stimmt und was sich zwischenzeitlich ereignet hat - außerdem freuten wir uns auf ein Wiedersehen mit den Leuten aus Sidi R`bat. Meist werden die Dinge ja nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht werden und es wäre zu schade, wenn dort langfristig nie wieder was funktionieren sollte - für die Art Tourismus, wie ihn sich die Hotelbesitzer aus Agadir vorstellen, wird Sidi R`bat noch für Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinaus, infrastrukturmäßig ungeeignet sein - Allah sei dank.


Es waren nur noch wenige, sehr vertraute Kilometer nach Sidi R`bat und unsere Vorfreude stieg, an einen Ort zu kommen, der in uns schon heimatliche Gefühle auslöste.



Wir bogen an dem alten Schild ab und nichts deutete darauf hin, daß sich irgend etwas verändert haben könnte. Auf einer Fahrt durch Marokko läuft man stets in Gefahr, einen Tennisarm zu kriegen, da dauernd Kinder und zum Teil auch Erwachsene einem lachend zuwinken und man winkt zurück. Auf den letzten Kilometern erschien uns das Winken der Menschen an der Straße noch freundlicher als sonst und wir fuhren erwartungsvoll das letzte Stück steinige und holperige Straße, links hinter dem Süßwasserfluß die hohen Sanddünen, rechts Palmen, ein kleines Dorf und das Meer schon in Sicht. Auf einmal ein Palmenstamm quer über der Straße. Aus einem Häuschen kam gemächlich ein unbewaffneter, uniformierter Moro, Soldat oder Förster oder beides, wer will das sagen, und begrüßte uns:



"Bonjour Monsieur, bonjour Madame. Camping fini, probleme de drugue. Interdit de passage."



Also tatsächlich. Wir dibberten noch etwas rum, daß wir kein Drogenproblem haben und ausnahmsweise und so weiter, aber das hätten wir uns auch schenken können. Wir testeten den anderen, unausgeschilderten Weg, den wir außer diesem kannten. Piste, und zwar eine, die sich immer, je nach Wettereinflüssen, ein wenig verändert und beim ersten Mal immer mit dem Risiko verbunden ist, daß man eine falsche Abzweigung erwischt und sich einbuddelt. Aber es war's uns wert. Die Strecke war wirklich schlimm, das Wohnmobil mußte sich zum ersten Mal anstrengen, aber wir kamen gut durch und fuhren in den kleinen Ort Sidi R`bat ein, deren gut zwanzig Häuser uns so vertraut waren. Na bitte, geht doch.



Im Ort war es bedrückend ruhig, nur einige Kinder spielten, absurderweise imitierten sie militärischen Drill. Wir fuhren langsam durchs Dorf und keiner grüßte. Zufällig kamen wir an einem Feld vorbei, auf dem die Mutter "unserer" Familie mit irgendwas zugange war. Mit ihr, ihrem Mann, ihren Söhnen und Töchtern hatten wir nächtelang in ihrem Haus gesessen, gelacht, gegessen, sie und ihre Kinder mit Medikamenten versorgt, Freundschaften geschlossen und Geschenke ausgetauscht. Wir waren froh, eine so gute Bekannte getroffen zu haben und winkten ihr aus dem Auto zu. Sie war keine fünf Meter entfernt und gab uns hinter ihrem Schleier durch deutliche Handzeichen zu verstehen, daß wir schnell weiter fahren sollen und ging ihres Wegs, als hätte sie uns nicht gesehen. Wir verstanden sofort. Über dem ganzen Dorf lag Paranoia so spürbar die Pest. Der Polizeistaat hatte seine Visitenkarte abgegeben, und das so nachhaltig, daß es jeder Diktatur zur Ehre gereicht hätte. Hier hatte jeder, auch der Unbeteiligste, echte Angst, hier stand jeder Bewohner ab sechzehn willkürlich mit einem Bein im Gefängnis; das ehemals so unbeschwerte und natürliche Dorf war irreal, gespenstisch und wie tot und wir machten, daß wir fort kamen, um niemanden durch unsere Nähe zu kompromittieren. Als wir aus dem Ort rollten sprachen wir nicht viel, es dauerte eine ganze Zeit, bis sich unsere Beklemmung langsam löste - es gibt Momente, da schlägt einem dieses Land schwer aufs Gemüt. Auf wiedersehen, Sidi R´Bat, bis irgendwann mal, in besseren Zeiten.

Schönen Tag @all