hallo cindyrella,

du machst mit folgendem satz den finger zielgenau auf einen zentralen aspekt:

>> Die Diskussion wäre zu führen, wenn die Mehrheit der Deutschen (der zweite Partner im Bunde der Integration) soviel Bildung mitbringen würden, und den Populismus der Medien und der Politik erkenn würden und diesen erst gar nicht sein Gehör schenken würde.

in der tat kann man sich fragen, wie es mit der öffentlichen meinung in einem land bestlellt ist, in welchem die bild-zeitung rekordauflagen verzeichnet und sonst der medien-diskurs mit tabous und kleingeistige verklemmung behaftet ist.

wenn ein presseorgan so mächtig wie focus ein fatales tittelblatt zur thematik ungeniert veröffentlicht und die übrigen medien den schemata von muslim- und khoroto-debatten folgen, ist es nicht verwunderlich, daß integration ein begriff ist, der noch in aller ferne liegt und im grunde jene die größeren schritte auf ihrer seite bereits vollzogen haben, die immer wieder aufgefordert und angedroht werden: bürger nicht deutscher abstammung.

es ist eine tatsache, daß die deutsche gesellschaft eine unter wenigen gesellschaften weltweit, denen an einem universellen geist fehlt, was die einstellung der meisten individuen, auch den gebildeten unter ihnen prägt, und die menschliche kommunikation mit ihnen überhaupt erschwert. ein umstand, den die meisten ausländer in deutschland verschiedentlich beklagen, fühlen und ausdrücken, egal welcher herkunft sie auch sind.

vor wenigen wochen noch las ich in der frankfurter rundschau einen bericht über marokko, in welchem das land als "wüstenstaat" bezeichnet wurde. wer benutzt noch solche bilder ? und wenn ein spezialisertes ressort, auch noch einer großen zeitung mit dem großen aufgeklärten image wie die fr über marokko so schreibt, was soll man vom reste erwarten ?

wenn ich im europäischen ausland herumreise, habe ich weniger probleme mit einfachen menschen über marokko, seinen komplexitäten und widersprüchlichkeiten mich zu unterhalten als in deutschland mit gebildeten menschen über die gröbsten und einfachsten dinge des landes.

das ist kein versuch über ein land und seine gesellschaft, zu der ich gehöre, negatif zu urteilen, sondern einfach die persönliche einschätzung einer - wie es mir scheint - tatsache. und diese tatsache liegt meiner einung nach einem großen widerspruch, einer großen scheinlüge zugrunde, die wiederum einem großen allgemeinen unwohlsein zugrundeliegt: die deutsche gesellschaft macht sich was vor, in dem sie sich mit anderen misst, die über eine reale geschichte von aufklärung und ein verankertes universelles denken verfügen. denn, sie ist nicht vollkommen aufgeklärt und - in all ihren sozialen gruppen, grüppchen und schichten - durch ein provinzielles - auch gemeinschaftliches - denken geprägt.

die konsequenz die hieraus zu ziehen ist, wäre einen historischen umstellungsprozess in gang zu setzen oder wenigsten ausdrücklich darauf zu hoffen, daß der generationswechsel dieses übernimmt, oder den hier lebenden bürgern anderer abstammungen und religionen ehrlich und offen zu erklären: wir sind eine christliche gesellschaft, nicht wirklich daran gewohnt mit dem rest der welt in voller interaktion zu kommen und sind obendran zuhause; wer will unter den von uns vordefinierten bedingungen mit uns leben und sich still unterwerfen, willkommen, wer nicht, bitte raus hier.

wir müssen also aufhören, die deutsche gesellschaft zu überfodern, noch ernster zu nehmen und mit ihr wie mit einer vollkommen modernen gesellschaft zu handeln. solch eine unvorsichtigkeit ist hinter der aktuellen krise nach der blutigen tragödie in holland und es ist kein zufall, daß gerade deutschland so empfindlich darauf reagiert !


gruß
jm