Teil 3:

Hallo Thomas,

Deiner Idee, „Aufklärungskampagnen“ in den Ursprungsländern durchzuführen, kann ich da auf Anhieb schon wesentlich mehr abgewinnen. Vor allem, weil dieser Vorschlag nicht darauf abzielt, sich bloß der Auswirkungen eines Übels zu entledigen, sondern darauf, dessen Ursachen zu bekämpfen.

Aber nimm mal Nigeria: Ein von Gewalt u. Korruption auf allen Ebenen noch immer ziemlich zerfressenes Land. Die „Realität“ dort, inklusive warlords, religiösen Fanatikern (Stichwort: Amina Laval) , Demonstranten niederschießenden Regierungstruppen (s. http://hrw.org/german/docs/2004/05/17/nigeri8594.htm), Menschenrechtsverletzungen noch u. nöcher, an nahezu allen wirtschaftlichen Transaktionen beteiligten mafiaähnlichen Organisationen, familiären Racheakten etc. etc. etc.- die Situation dürfte wohl für viele Nigerianer auch einiges Abschreckende an sich haben... Mit Unterstützung der - je nach Betrachtungsweise: Aufklärungs- oder Abschreckungsaktionen von Seiten der nigerianischen Regierung ist nicht zu rechnen, noch viel weniger als in Marokko, wo zwar hin u. wieder der „brain drain“ ein bisschen bejammert wird, die Überweisungen der Auslandsmarokkaner aber einen fix eingeplanten, nicht unbeträchtlichen Posten der Zahlungsbilanz ausmachen.

(Hatte Grossbritannien im 19. Jhdt. denn a) ein Interesse daran, seine angesichts von politischen u. religiösen Konflikten, Überbevölkerung u. Armut massenweise nach Nordamerika auswandernden irischen Untertanen (Bevölkerung 1840 ca. 8,5 Mio., 2003 ca. 4 Mio.!) im Lande zu behalten u. b) falls ja, wie hätten sie das denn bewerkstelligen sollen? Mit Aufklärungskampagnen über gesunkene Überseeschiffe, böse Indianer u. die schlimmen Zustände in den Goldgräbersiedlungen und in den Arbeiterslums der Industriegebiete?- Ja, nach dem EU-Beitritt hatten sie fulminante Wirtschaftswachstumsraten, die Iren, u. genau das würde ich Ländern wie Marokko oder auch Nigeria ebenfalls wünschen, aber selbst unter den allergünstigsten Bedingungen wird damit in näherer Zukunft wohl nicht zu rechnen sein... Ich versuch, es noch mal anders, weniger polemisch, zu formulieren: In dem Maß, in dem wirtschaftliche Gründe auschlaggebend sind für den Auswanderungswunsch, werden wirtschaftliche Gründe auch ausschlaggebend sein für die Entscheidung, zu bleiben, und gerade auf diesem Gebiet hätte die EU noch eine ganze Reihe derzeit nicht genutzte Möglichkeiten, die Anreize fürs Bleiben zu verstärken.)

 Antwort auf:
Ich bin mir sicher, daß dies, wenn es dann auch tatsächlich in den Köpfen der Menschen ankommt, so manchen überlegen läßt, wo er seine Energie und sein Geld nicht besser in den Aufbau seiner Zukunft in seinem Heimatland steckt.
Ja, sofern auch die poltische Situation im Land u. die Sicherheits- u. Rechtslage einen Funken Hoffnung darauf zulassen, dass sich das mit mehr oder weniger ehrlicher Arbeit Erwirtschaftete nicht morgen schon infolge individueller oder kollektiver Gewaltakte oder des willkürlichen und korruptionsunterstützten Zugriffs von Mächtigeren in Nichts auflöst. Und diesbezüglich sind doch recht erhebliche Unterschiede etwa zw. Marokko einerseits u. manchen afrikanischen Staaten andererseits festzustellen.

Aufklärungsarbeit, was die bei der Migration zu erwartenden Scherereien anlangt, halte ich für sehr wünschenswert, damit Auswanderungswillige die Risiken besser einschätzen können, aber in welchen Regionen u. welchen sozialen Schichten wie viele damit von ihrem Vorhaben abzubringen sein werden...? Ich hab den Verdacht, dass das auch nicht die Patentlösung sein wird.-

Noch eine kleine Frage am Rande, Thomas: Manche nehmen´s in Kauf, sich von Eidechsen u. Heuschrecken zu ernähren ;\) u. mit den (Un-)Sitten diverser Entwicklungsländer herumzuschlagen, andere, sich als Illegale in Europa mehr schlecht als recht durchzuschlagen... Sind Letztere denn so v ö l l i g anders gestrickt als Erstere? \:\)


Schönen Sonntagnachmittag noch allerseits u. sorry für die Länge des Texts, aber wenn ich schon mal in die Lage komm, nicht nur Lust zu haben, hier meinen Senf dazuzugeben, sondern auch noch Zeit dafür, dann fällt mir das Maßhalten schwer!