hallo khira, das zitat ist wirklich beherzigenswert. ich habe gerade in den letzten tagen sehr darüber nachgedacht, wie das mit der "eigenen meinung" in marokko ist. ich stelle das, was ich hier aufschreibe, wirklich zur diskussion. es ist ein gedanke, eine idee. ob es so stimmt, weiss ich nicht!
in europa lebt der einzelne nicht mehr so stark bezogen auf seine "familie" wie in marokko. ich gehe sogar so weit, zu sagen: wer sich in marokko von seiner familie trennt, ist verloren (wobei "familie" hier ein ganzes soziales gefüge meint, vettern, onkel, tanten, grosstanten etc.) familien in marokko helfen und unterstützen einander.
familien haben aber auch traditionen und wertehaltungen. und denen kann sich jemand, wenn er so stark auf "familie" als den sozialen ort seines lebens angewiesen ist, nicht entziehen.
ich habe festgestellt, dass in marokko die "soziale verbindlichkeit" nicht sehr hoch ist. ich kenne nicht nur einen marokkaner, der mir erklärt hat, dass er etwas wie freundschaft zu einem anderen marokkaner (oder marokkanerin) nicht kennt. die verbindlichkeit bezieht sich in erster linie auf die familie, die unterstützt werden muss, die man nicht enttäuschen kann und die im lebenskampf entlastet.
darum fällt aber die aufforderung "sei du selbst" in marokko sehr viel schwerer als zb. in deutschland. dieses "sei du selbst" bedeutet immer auch eine entfernung von der institution "familie", die bestimmte verhaltensvorgaben macht.
nun, dolphin könnte das, was ich hier so aufschreibe, sicher soziologisch unterfüttern oder eben unter soziologischen aspekten ablehnen.
"individuum" und "individualisierung" in europa sind resultate der philosphischen aufklärung und bedeuten auch eine gewisse "gott-ferne". es hat nicht wenige gegeben, die sich in politisch-gesellschaftlichen krisenzeiten der katholischen kirche zugewandt haben, weil dort die wertehaltungen und normen weitaus kollektiver gehandhabt werden, wie im protestantismus, wo der einzelne mit seiner "gewissensentscheidung" allein steht.
wenn ich diesen gedanken weiter verfolge, dann sehe ich auch die attraktivität für den islam für viele europäer in der momentanen "sinn- und orientierungskrise" des westens.
eine entscheidung "für sich selbst" kann der einzelne wirklich nur in freiheit tun. dazu gehört aber auch ein mindestmass materieller freiheit und die freistellung von der basis-sorge um seine existenz.
Jocim