Assalam u alaikum,

Ich habe das alles nur überflogen und Finiqia hat mir schon vieles aus dem Mund genommen. Danke für deine kompetente Darstellung!!

aber zu jmxx möchte ich trotzdem noch was sagen.

Zitat von dir:
" laßt uns bitte aus diesem thread - und auch aus diesem forum - kein theologisches seminar machen!
der islam ist zwar als ein wichtiger faktor und für die erklärung einiger aspekte von grosser bedeutung, aber es handelt sich um eine ganze marokkanische gesellschaft, die in weiten teilen pragmatisch sich ihre wege sucht und nicht jeden morgen und bei jeder frage die nase in den kora steckt oder den fakih um die ecke fragt....."

Noch ein Zitat:
"als schlußbemerkung, der islamische blickpunkt ist unter deutschen und deutschland-marokkanern sehr verbreitet und wird nicht von allen marokkanern in marokko und im übrigen ausland geteilt. das hat auch seine gründe. man tut aber der sache unrecht, wenn man versucht, seine gesellschaft so zu darstellen, wie man sie - von hier aus gesehen - haben will und nicht wie sie einfach und zuhause ist."

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Ehrlich gesagt ich weiss nicht von welchem Marokko du da redest. Ich bin in Marokko aufgewachsen und ich bin immer noch oft in Marokko. Und ich kann deine Aussage nicht bestätigen. Heute steigt die Anzahl der selbstbewußten Frauen, die sich für den Islam entscheiden, stetig. Frauen, die den Schleier (nur als Beispiel) ganz bewusst tragen und nicht so wie es ihre Mütter getragen haben, nämlich aus Tradition, nein, sondern aus Überzeugung. Und das gleiche gilt auch für die Männer.
Die Menschen haben es langsam satt von dieser Persönlichkeitsspaltung, weder westlich noch islamisch zu leben. Sie wollen zu ihren Wurzeln zurückkehren !!

Wenn du meinst, dass der Islam draussen vor der Tür gelassen werden muss, wenn man über heikle Themen, wie dieses hier, die die marokkanische Gesellschaft betreffen, redet, dann ist das für mich eines der gewaltigen Fehler, die noch beseitigt werden müssen, bevor man in Marokko einen produktiven Dialog beginnen kann. Weisst du warum ?
Seit der Kolonialzeit hat sich eine kulturelle Kluft zwischen der kleinen regierenden Schicht und dem Rest der Gesellschaft gebildet. Weisst du was das heisst: das ist so als ob eine gruppe von Chinesen, die nur die chinesische Kultur kennen über Deutschland regiert. Ja so krass kommt mir das manchmal vor. Solange diese Kluft nicht geschlossen wird und Menschen wie du auch nicht anerkennen, dass der Islam das Herz der marokkanischen Kultur ausmacht, werden wir weiterhin das Erbe der Kolonialzeit nicht loswerden und unsere Gesellschaft weiterhin unter dem Chaos leiden.
Ohne Salz kann man zwar kochen, aber essen tut man dann nur, wenn man keine andere Wahl hat. Und in Marokko wird uns ein Essen ohne Salz erzwungen.

Das größte Problem der dritten Welt ist, dass Dinge, die sich im Westen im Laufe der Zeit entwickeln, wobei dabei die kulturellen und religiösen Gegebenheiten bei dieser Entwicklung nicht nur mitwirken, sondern die Grundlage und die Basis dieser Entwicklungen darstellen - und die Gesellschaft nur das erlaubt was sie auch problemlos verdauen kann - diese Dinge werden dann an den Gesellschaften der dritten Welt in Form von Rezepten überrreicht. Diese sind aber überhaupt nicht darauf vorbereitet und die Kluft zwischen der kulturellen und religiösen Realität und diesen Rezepten ist riesig. Es wird aber trotzdem versucht mit Gewalt diese Rezepte umzusetzen. Das Ergebnis ist ein CHAOS !!!
(Es werden Autos importiert, bevor die Strassen gebaut sind und die Schilder sind vielen auch ganz fremd !!!!).

Damit möchte ich auch darauf hinweisen, dass das Problem nicht nur die Importierung des westlichen Feminismus oder was auch immer betrifft, sondern sich auf allen anderen Arten von Importierungen erstreckt, wie Demokratie, Menschenrechte usw.
Ich persönlich bin der festen Überzeugung, dass die Arabisch-Islamische Welt ihre Probleme mit solchen Rezepten nie lösen werden. Erst, wenn diese Gesellschaften es begreifen, dass die Lösung von Innen kommen muss, wird es vielleicht nach vorne gehen.

Als Beispiel von solchen Vergewaltigungen zitire ich folgendes:
In den letzten Parlamentswahlen in Marokko wurde eine bestimmte Anzahl von Sitzen für Frauen im Parlament schon vor den Wahlen festgelegt. Ich weiss nicht, ob es jemals in Europa soetwas gegeben hat. Das ist zwar schön, aber es zeigt andererseits wie weit die Handlungen der Politik nicht der Realität in der Gesellschaft entsprechen.
Und einige Parteien hatten schon vor einigen Jahren in ihren Programmen einige Ausschnitte aus den Rezepten der Frauenbewegungen im Westen integriert. Das hatte dazu geführt, dass vor etwa einem Jahr (?) eine große Demonstration in Marokko, in der mehr als eine Million Menschen auf die Strasse gegangen sind, um gegen diesen Programmen zu demonstrieren und ich habe sogar gehört, dass die Mehrheit der Demonstranten Frauen waren.

Und noch dazu jmxx,
in den letzten Wahlen hat eine Partei aus der islamischen Ecke (Aladala oua tanmia) den dritten Platz erreicht und wird somit 43 Sitze im Parlament bekommen und dies obwohl sie in nur zweidrittel der Wahlkreisen vertreten war und nicht alle islamischen Strömungen bei den Wahlen dabei waren.

Damit möchte sagen, wie Ibno_Rouchd das in seinem Beitrag ausführlich beschrieben hat, dass die Marokkaner sich am Anfang der vierten Phase befinden, langsam wach werden und kappieren, dass die Medikamente, die die Schmerzen der westlichen Gesellschaften (vielleciht !!) etwas gestillt haben für unsere Schmerzen nicht geeignet sind. Nur die Besinnung auf die eigene Kultur und Identität kann diese Gesellschaft wieder in ihre ursprüngliche kulturelle Homogenität zurückbringen und somit viele Kopfschwerzen beseitigen. Und wenn einmal der Kopf klar ist, dann kann man die anderen Probleme anpacken und auch erfolgreich lösen. Mit dem heutigen Mischmasch aus allen erdenkbaren Strömungen und Denkweisen scheint mir das undenkbar.

Also unsere Frauen brauchen keine Idole aus dem Westen wie Alice Schwarzer oder andere.

Gruß
Essarghini