agadir ist nicht marokko!
agadir hat kein gesicht!
agadir, das ist massentourismus!

ich mache einen grossen bogen um agadir, wenn ich in marokko bin!

diese sätze höre ich oft. dann werde ich immer ganz still und denke: sie haben ja recht. was ist agadir verglichen mit marrakesch oder fes? eine stadt ohne gesicht eben. zerstört durch ein erdbeben und am reissbrett wieder aufgebaut - eine ansammlung weisser, würfelförmiger häuser, eines wie das andere...und dann die kette der hotels, die sich am strand hinzieht. diese hotels könnten genauso in spanien oder der türkei stehen. es sind internationale hotels. wenn du in sie eintrittst, hast du marokko verlassen...

sie haben ja recht!

aber jetzt stehe ich gerade auf dem balkon meines kleinen hotels in agadir. ich habe einen prächtigen blick über den strand und das meer. die dämmerung kommt und überall flammen die gelben lichter der strassenbeleuchtung auf. ich höre die wellen des atlantiks und die schreie der möven, das unablässige hupen der autos vermischt sich mit dem ruf des muezzin von der nahen moschee. ich atme den würzigen geruch des meeres, der sich in agadir immer mit dem geruch aus diesel und benzin mischt. ja, das ist lästig!

sie haben ja recht! die luft in agadir ist nicht gesund, auch wenn der wind vom atlantik die wolken aus abgasen immer wieder fortweht. dies ist kein platz, um erholung zu finden!

aber: heute war ich bei mohammed, er ist schuhmacher in talborjt. ich habe ihm ein paar schuhe gebracht, die mir in deutschland keiner mehr reparieren wollte. er hat sie sich angesehen und dann gelächelt: „kein problem. morgen kannst holen, sind dann wie neu!“

und als ich zurück ins hotel kam, fragte mich achmed, der direktor, ob ich einen schönen tag gehabt hätte.

auf dem weg nach talborjt traf ich irmgard. irmgard ist aus kassel und fährt schon dreissig jahre nach agadir. wir haben uns umarmt und nach marokkanischer sitte viermal geküsst. dann haben wir uns in ein cafe gesetzt und schokolade getrunken. das cafe liegt gegenüber „dior“...

nein, nein, ich meine nicht das berühmte modehaus in paris“ dieses „dior“ in talborjt ist ein kleiner jeans-laden. irgend jemand hat ihm einmal diesen namen gegeben. und nun treffen wir uns jedes mal mindestens einmal gegenüber von „dior“ - irmgard und ich.

johannes kann in diesem winter nicht nach agadir kommen. das erfahre ich von mustafa, der morgens am strand die liegen bereitstellt und später das geld von den touristen für liegestuhl und sonnenschirm kassiert. johannes hat ganz aufgelöst aus deutschland angerufen und gesagt, dass er sehr krank geworden sei. werde ich johannes noch einmal wieder treffen in agadir? wir haben immer viel gelacht, wenn wir an der promenade sassen und den herrn touristen hinterher sahen - ihr wisst schon: den touristen, die auch noch mit sechzig jahren viel zu enge hosen und viel zu enge hemden tragen.

ich habe auch mit dem zimmermädchen ein wenig geschimpft, weil sie vergessen hat, mir frische handtücher hinzulegen. aber sonst bin ich sehr zufrieden mit ihr. ich gehöre nicht zu den urlaubern, die reinigungsmittel aus deutschland mit nach agadir bringen.

frau lassen aus leverkusen allerdings sagte gestern beim abendessen: „jetzt habe ich erst einmal die badewanne in unserem badezimmer richtig geschrubbt. da können die marokkaner mal sehen, was sauberkeit ist.“ ich hatte mich, als ich es hörte, fast am kous-kous verschluckt.

in der hammam in der nähe des souks begrüsst mich imme ein kleiner junge. er trägt meine kleider zu einem der fächer und ruft mir einen masseur herbei. natürlich bekommt er jedes mal einige dirham von mir.

samir, mein marokkanischer freund, der in immer neue katastrophen verwickelt ist, sah einmal bei einem tanjine-essen in taroudant, wohin wir von agadir aus gefahren waren, vom tisch auf und sagte: „dein mutter heisst hildegard! wie geht es hildegard?“ mir schossen die tränen in die augen.wann hatte ich samir von meiner mutter erzählt und dabei sogar ihren vornamen genannt?.ich konnte mich nicht erinnern! nun war meine mutter schon drei jahre tot und an diesem mittag in taroudant fragte mein junger marokkanischer freund nach ihr!

sie haben ja alle recht, die sagen: agadir? das ist nicht marokko!

aber wenn ich abends auf dem balkon meines hotels stehe und in den abend schaue, dann zähle ich sie ab - ganz ängstlich - : die tage, die ich noch bleiben darf...

...in dieser unmöglichen stadt.

Jocim - du hast ja so recht. Was ist schon Agadir?

Der freundliche Gemüsehändler, der hilfreiche Fischhändler auf dem kleinen Markt, der mir jedesmal den Fisch so filetiert, dass es eine Wonne ist, der Bäcker, der mich jeden Morgen mit einer kleinen Anekdote (nur für Sie...) zum Lachen bringt, der Parkwächter, der mir mehrmals am Tag einen "schönen Tag" wünscht und auf mein Auto wie ein Luchs aufpasst. Die herrlichen Spaziergänge am Strand und am Abend abseits allen Touristenzentren und dann ganz spät am Abend der Blick über Agadir.... . Du holst tief Luft und denkst,
dass Du bald wieder nach hause musst. ...Aber ich komm wieder, keine Frage!

so schön! mir läuft es kribbelig über den rücken, wenn ich deine sätze lese.

ja, auch agadir hat ein geheimnis!

wir müssen aber freundschaft mit agadir schliessen, um es zu entdecken! dann glänzt und funkelt diese stadt in ihrem grossen licht!

ich mag menschen - und städte, die es ein wenig schwerer haben, ihr licht in die herzen der menschen zu tragen!

aber wenn es angekommen ist, erlischt es nicht mehr!

nochmal danke für deine worte!

J.