Der Kellner brachte ihm den dritten Expresso. Und wie nach althergebrachter berberischer tradition war unser Rahmouni dabei aufzubrechen.Er wandte sich mal nch links mal nach rechts. Ich dachte, er wäre mit dem Fürst von Essaouira verabredet. Und da lag ich gar nicht falsch mit meiner Vermutung.
Der grosse dünner mit der hellen Haut und dem schmalen Gesicht kam,nahm Platz und überreichte Rahmouni das Büchlein von Canetti mit der Bemerkung:" ich habe es leider nur in englischer Version. Vielleicht kannst du damit was anfangen. Für mich gibt es keinen besseren Reisebegleiter als diese Büchlein. Mir gefällt besonders die Passage, wo Canetti in ehrwürdiger Weise die Erzähler von Jemaa el Fna ehrt.Ich lese dir aus dieser Passage:
"...ich hoffe, der tag wir kommen, da ich diese fahrenden Erzähler so würdigen kann, wie es ihnen gebührt... Worte waren ihre Nahrung und sie leißen sich von neimand dazu verführen, sie gegen eine bessere Nahrung zu vertauschen. Ich war stolz auf die Macht des Erzählens, die sie über ihre Sprachgenossen ausüben. Sie erschienen wie ältere und bessere Brüder von mir. In glücklichen Augenblicken sagte ich mir: Auch ich kann Menschen um mich versammeln, denen ich erzähle; auch mir hören sie zu. Aber satt von Ort zu Ort zu ziehen, nei wissend, wen ich finden, wessen Ohren sich mir öffnen werden, statt im reinen Vertrauen auf meine Erzählung selbst zu leben, habe ich mich dem Papier verschrieben. Im Schutz von Tischen und Türen lebe ich nun, ein feiger Träumer, und sie im Gewühl des Marktes, unter hundert fremden Gesichtern, täglich wechselnd, von keinem kalten und über überflüssigen Wissen belastet, ohne Bücher, Ehrgeiz und hohles Ansehen. Unter den Menschen unserer Zonen, die der Literatur leben, habe ich mich selten wohl gefühlt.....Hier fand ich mich plötzlich unter Dichtern, zu denen ich aufsehen konnte, weil es nie ein Wort von ihnen zu lesen gab.."
Langsam wurde Rahmouni aufmerksamer und fast dachte er, er könnte es mit seinen zahlen und kaltem Wissen versuchen, Menschen um sich zu versammeln und ihnen von der Movida zu erzählen. Der Fürst verabschiedete sich inzwischen. Aber bevor er ging, erkundigte sich Rahmouni nach den Busverbindungen in die Stadt der Tausend und einer Touristin. Er wusste, dass die Franzosen die Moderne nicht bis in das Land der Berber gebracht haben. Da die Gegend in ihren Plänen zu dem unnützlichen Marokko gehörte, verzichteten sie auf die Bahnverbindung bis hierher. rahmouni erfuhr, dass der letzte Bus nach Marakkesch gegen 18 Uhr abfährt und um 22 Uhr dort ankommt.Inscha Allah.
Rahmouni beeilte sich, steckte seine Notizen in die linke Tasche seiner Weste, so wertvoll waren sie für ihn, und bestellte ein Taxi zum Busbahnhof am hinteren Stadteingang.
Jetzt sitzt er im blauen Bus von CTM. Er liest in le Monde, dass es Bewegung in der harten Linie der Bavarier gibt. Sie wollen so gern Zuwanderer, aber nicht die, welche die Bavarier ausnutzen, sondern die, welche die Bavarier ausnutzen können. Und der Verfechter dieser der Globalisierung angepaßten Menschenimportstheorie, nicht ohne taktischen Hintergedanken, investiert alles, um medienwirksam in aller Welt vorzukommen.Den Journalisten des Bayernkuriers habe er die Anweisung zukommen lassen, im Archiv der Münchner Stadtbücherei ein gutes pathetisches Gedicht von Oskar Maria Graf zu suchen und auf der ersten Seite zu drücken mit dem Titel: " blue cards für Marokkaner" und das alles soll wie ein Kochrezept geschrieben werden, ganz dem Bavarierniveau entsprechend. Rahmouni kann das nicht fassen. Aber in Bavaria gibt es ja nicht nur Konstantin Wecker, es gibt eben auch Strauss, Kirch und Schreiber." komisch, sagte sich Rahmouni, wie konnte sich Canetti im Lande Ludwig aufhalten"
Der Bus ist schon abgefahren.