T e i l '1' zur Debattenlage:

DJEMAA EL FNAA -
Kommunikations- und Gesellschaftsmodell für die Zukunft oder Touristenteppich?
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Hallo El Berr,
nun sind Sie endlich aufgewacht!
Ich freue mich über die Kreativität, die wir so langsam entwickeln!
Und ich wünsche Ihnen natürlich ein 'dickeres Fell', damit Sie nicht bei jeder Kritik in die Nähe eines Herzinfarktes kommen!

Ihre Antwort-Mail an mich hat mich ausserordentlich inspiriert.
Am liebsten würde ich den darin (noch)versteckten Dialog zuspitzen, wenn nicht sogar als modernes Theaterstück auf dem Djemaa el Fnaa inszenieren wollen:
SIE (als Bühnenfigur natürlich!) - als der transkontinental-kundige, universelle, keiner Kritik zugängliche, fest in marokkanischen Traditionslinien verwurzelte einheimische Geschichtenerzähler, der als Alleinunterhalter das (eigentlich schon für ihn unnütze!) 'normale' Publikum in Selbstgesprächen und Monologen beschimpft und polemisierend 'bespeit'.
ICH (als Bühnenfigur natürlich) - eine von Ihrer subjektiv verzerrten, immer noch lokal-verankerten Wahrnehmung geschaffene, flanierende Fremd-Figur-Puppe: noch nicht so ganz zum 'Feinbild' stilisiert, jedoch schon klischeehaft das Bild des 'neuen europamüden', lediglich kulturvoyeristisch veranlagten, hochspezialisierten Spätromantikers, der - wenn er schon nicht das 'Urtypische' findet und auch vermeintlicher Cannabisgenuss in diesem Suchprozess nicht helfen kann - sich wenigstens mit Hilfe der fremden Kultur von seiner Europamüdigkeit therapieren lassen will.

Vielleicht wäre auch zu überlegen (und auch das meine ich ernst), ob man dieses gesamte Bild nicht auch als Ausgangspunkt für einen Aufsatz nimmt mit dem Arbeitstitel:

'FIKTIVER DIALOG ZWISCHEN EINEM GESCHICHTENERZÄHLER AUS MARRAKESCH UND EINEM EUROPAMÜDEN KULTURVOYEUR'.

Aber ich warte ja Ihrerseits auch immer noch auf Gliederung, Inhalt und Grobkonzept für den von Ihnen angekündigten Sammelband.

Hallo Bakkali, was ist mit Dir? bist Du schon im 'Winterschlaf? M.E. wäre das zu früh, vielleicht bist Du ja auch gerade in Marrakesch?
Oder berauschst Du Dich an den Aussichten, die moderne Informations- und Kommunikationstechnologien für Marokko bieten?
Darüber würde ich gerne im 2. Teil der Debattenlage diskutieren (Schnelle/ langsame oder 'nachholende' Modernisierung in Marokko? - dargestellt vielleicht am Platz 'Djemaa el Fnaa'/ Altstadt Marrakesch).
Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass Du keine differenziertere Meinung zum Djemaa el Fnaa hast, als die so lax angebotene - unter der o.g. Debattenlage natürlich und im Hinblick auf meine Anfragen gemeint.
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Für heute würde ich sehr gerne erst einmal kulturhistorische Aspekte von Djemaa el Fnaa zur KONSTRUKTIVEN Diskussion stellen.

Halten wir zu dem o.g. Teil '1' der Debattenlage erst einmal kurz folgende Punkte - im wesentlichen von El Berr angedacht - und auch ANFRAGEN MEINERSEITS AN ALLE MITGLIEDER des 'VMK' (Virtuellen-Marokko-Kreises) fest:

1) Djemaa el Fnaa war - ursprungshistorisch gesehen - Treffpunkt von Handelskarawanen aus dem afrikanischen Norden in den Süden und umgekehrt. Es fand ein regelmäsiger Austausch von Gütern und Informationen zwischen unterschiedlich geprägten regionalen Kulturen des afrikanischen Kontinents statt.
Der Platz war elementarer 'Kommunikationsknoten' mit direkten und öffentlich vollzogenen und 'öffentlich kontrollierten' Beziehungen.
- Welche Ziel-und Endpunkte hatten die Handelskarawanen?
- Welche Hauptgüter transportierten sie?
- Welcherart/ Wie war der Informationsaustausch? und
- Wie schlug er sich in Marrakesch nieder?

2) In der Almoravidenzeit erlangte der Platz Berühmtheit.
(Wodurch insbesondere Berühmtheit? Hier sind ganz besonders Sie, El Berr, als Experte gefragt. Wie prägten die Almoraviden das kulturell-politische und religiöse Gefüge von Platz und Stadt? Wenn es geht, antworten Sie bitte so komprimiert und knapp wie möglich).

3) In der nachfolgenden Zeit der Almoniden (Wie prägten diese das kulturelle Gefüge des Platzes, El Berr??? auch hier würde ich mich über eine knappe Antwort freuen) erhielten Platz und Altstadt mit dem Turm der Koutubiamoschee ein weithin in Gesamtstadt und Landschaft wirksames architektonisches Merkzeichen I. Ordnung.
- Markenzeichen wofür??? historisch/ heute

4) Wie hat der 'Platz' die Franzosen überstanden?
- Wer kann hier noch antworten???

5) In den 60-er und in den 80-er Jahren war der Djemaa el Fnaa zweimal Schauplatz 'aussergewöhnlicher' Ereignisse.
Studentische 'Umkehrungsmassen' (vgl. Canetti in "Masse und Macht") - man könnte auch sagen 'Energiefelder' - artikulierten und deklarierten ihre Forderungen.
In der Umsetzung ihrer Ideen blieben sie allerdings erfolglos.
Keine Frage für mich ist, ob sie Sympathisanten auf dem Platz und aus der Bevölkerung suchten.
Interessant erscheint mir eher der Sachverhalt, dass hier m.E. bewusst-unbewusst auf die DIREKTHEIT und die unmittelbare ÖFFENTLICHKEIT (res publica!) einer Beziehung zwischen Mensch und Mensch/ Masse und Masse zurückgegriffen wurde, um möglicherweise einen kulturellen und politischen 'Urknall' zu initiieren.
- Welchen grundlegenden Inhalt hatten die Forderungen?
- War jemand dabei?
- Gibt es Erzählungen von Zeitzeugen, die jemand wiedergeben kann?
- Wie hat sich die Annäherung der beiden 'Massen' vollzogen? (künftige Elite/ 'Stadtvolk')
- Warum kam es zu keiner 'Kernfusion'?

6) Djemaa el Fnaa als Volksuniversität:
hier, El Berr, freue ich mich schon richtig auf die mir von Ihnen VERSPROCHENE Erzählung!!!
(Übrigens am Rande, Herr El Berr, habe ich vergeblich die Internet-Archive 'durchforstet' nach dem von Ihnen als 'super-gut' empfohlenen Artikel des spanischen Schriftstellers über Djemaa el Fnaa: übermitteln Sie mir doch bitte die web-Adresse).

Wenn wir diese in 6 Gedankensplittern fixierten Entwicklungsaspekte zum Djemaa el Fnaa als Hintergrundfolie hätten, würde ich gerne meine nächsten Gedanken zum jetzigen und zum künftigen künftigen Djemaa el Fnaa aufzeichnen.

Mit vielen Grüssen:
Peter.