Hallo alle zusammen,
mich fasziniert der Djemaa el Fna auch immer wieder und ich stimme Abdel Aziz El Berr voll zu.
Auch wenn der Platz sicher sehr touristisch und kommerziell geworden ist, so würde ich in eigentlich nicht als Sammelbecken der Arbeitslosen sondern eher als Sammelbecken der kleinen Händler, Köche bzw. Esstandbesitzer und Gaukler bezeichnen. Ende Februar waren am Platz jede Menge Einheimische anzutreffen, auch abends beim Essen und ich hatte nicht den Eindruck, dass das zum großen Teil Arbeitslose waren. Mich faszinierte die Geschäftstüchtigkeit der einzelnen Standbesitzer und die Anziehungskraft die die Geschichtenerzähler, Akrobaten etc. auf die Mrakkschis ausüben. Die Athmosphäre ist unvergleichlich und da scheinbar einige Elias Canetti nicht kennen: Sein Buch "Die Stimmen von Marrakech" gehört zur Weltliteratur und ist glaube ich im Suhrkamp-Verlag im Taschenbuch erschienen.
Sehr erstaunt es mich dass ihr Euren Landsmann Tahar Ben Jelloun nicht kennt. Ich glaube dass er der Zeit bekannteste Schriftsteller Marokkos ist, auch wenn er in Frankreich lebt. Sein Buch bzw. seine Auseinandersetzung mit seiner Tochter "Papa was ist ein Fremder" ist seit Monaten auf der Spiegelbestsellerliste und ich denke es ist sowohl für Europäer als auch für in Deutschland oder Frankreich lebende Marokkaner und ander "Fremde in Europa" ein unglaublich wichtiges Buch wenn es um den Dialog mit dem Andersein, dem Fremden, den Ausländer geht.
Nun zum Thema Ignacio Ramonet:
„Diejenigen, die an einen Wandel nach spanischem Vorbild denken, an eine baldige movida, hoffen daher vergebens. Marokko wird es gewiss langsamer angehen lassen, wie es der Tradition des machsen entspricht. Die geht davon aus, dass man die Bremsen nur nach und nach lösen darf, wenn man gut und sicher vorankommen will.“
Ich halte den Satz für richtig, auch wenn sich alle modernen Marokkaner einen schnellen Wandel wünschen. Man kann nicht´s übers Knie brechen wie man in Deutschland sagt. Wenn eine Modernisierung innerhalb kurzer Zeit stattfinden soll, dann erfordert das jede Menge Geldmittel, die auch dem armen Volk zu gute kommen. Dieses Geld hat Marokko nicht bzw. der König und seine Regierung kann gar nicht so schnell umverteilen wie er vielleicht möchte. Wenn die Reichen von ihren Privilegien etwas hergeben sollen, dann ist er gefährdet weil es sein eigenes Unterstützungsklientel verliert. Wenn die Armen nicht schnell genug was bekommen, dann schart sich das Volk hinter den Islamisten, v.a. in der Stadtbevölkerung und in den Slums. Deshalb müsste zuerst hier etwas getan werden.Die Bergbevölkerung steht trotz Armut, meiner Meinung nach schon aus Traditionsgründen fest hinter dem König.Auch wenn hier Unterstützung dringend nötig wäre, so finden diese Bevölkerungsteile aufgrund ihrer traditionellen Strukturen Halt in ihrer Gesellschaft. Hier wäre ein zu schneller Wandel eher abträglich. Stattdessen müsste versucht werden mit dem Erhalt der Traditionen Einkommensquellen aus den natürlichen Resourcen zu finden. Landwirtschaft, Ökotourismus etc. Wer drängt ist die verarmte Stadtbevölkerung und hier muss dringend ein Ansatz gefunden werden, wie die Arbeitslosigkeit gesenkt und ein Wirtschaftsaufschwung erzielt werden kann. Wenn seit Jahren die Analphabetenquote nicht heruntergeht, die Schulbildung schlecht ist aber auch die Akademikerarbeitslosigkeit hoch ist, dann muss was geschehen bevor die Unzufriedenen in der Religion ihr Heil suchen. Nichts gegen Religion und Islam, aber wenn dieser fanatisch wird wie im Iran oder Afghanistan oder mörderisch wie in Algerien, dann wird es gefährlich und bringt das Land eher an den Rand des Ruins als nach vorne.
Einen geglückten, schnellen Wechsel vom Mittelalter in das 21. Jahrhundert habe ich nur am Beispiel des Omans, der aber glücklicherweise über Öl verfügt, gesehen. Marokko hat leider kein Öl, aber viele andere natürliche Resourcen und ich wünsche Mohammed VI., dass es ihm gelingt den schwierigen Balanceakt zu schaffen, das Volk vorwärts zu bringen ohne seine Position zu gefährden.