Hallo bakkali,

Erstmal habe ich bisher in keinem Beitrag den Eindruck bekommen, dass deine Landsleute ihr Land in einer märchenhaften Art darstellen.
Zweitens du schießt schneller als die Preussen. Deine Bemerkung, Jamaa al-Fana stelle kein kulturelles Ereignis dar, sondern sei ein Symptom der Arbeitslosigkeit und der sozialen Ungerechtigkeit, ist ein übereiltes Urteil. Dass Arbeitslosse sich dort scharren, ist ein Faktum. Aber nicht nur diese Kategorie ist dort zu treffen: Man bekommt zu sehen viele Kaufleute, Landleute unterwegs, finanziell begrenzte Beamten in den Cafés mit der "Itihad Ischtiraki" in der Hand am rätseln, zwischendurch trifft man auf die Tourismusmafia, von dem Bazari bis hin zum deutschen Reiseleiter im Auftrag von Studiosusreisen, dann aber auch Studenten im Treppencafé beim Suppenlöffeln. Links von der Bank du Maroc sitzen die Bankangestellten und die Kripoangehörigen. Ein paar Meter weiter kommt die Zuhälterszene.
Dieses Amalgam von sozialen Kategorien lässt es nicht zu, mit der Brille des alleswissenden Soziologen nur eine Kategorie herauszugreifen und ununterfüttert die Behauptung zu stellen, Jamaa al-Fnaa sei ein Sammelbecken von Arbeitslosen.
Im Gegensatz zu dir möchte ich jetzt die These wagen, dieser in seiner Art seltene Platz ist doch ein kulturelles Ereignis. Dies lässt sich zunächst historisch belegen. Der Platz war, ich hoffe , du weißt es, ein Treffpunkt der Handelskarawanen aus dem tiefen Süden gen Norden und umgekehrt. Folgerichtig auch ein Vernetzungsort von unterschiedlichen regional geprägten Kulturen.
In der Almoravidenzeit erfreute sich der Platz Berühmtheit, später setzten die Almohiden das Markenzeichen von Jamaa al-Fanaa, nämlich der Turm der Koutubiamoschée, übrigens der Name der Moschée kommt daher, dass dort über Jahre eine wertvolle Bücherrei vorhanden war.
In den 40er Jahren haben die Franzosen ihre Residenz, heuete Konsulat, genauer links von der Moschee eingerichtet.
In den 60er jahren strömten die rebellischen Studenten von Dar al Baroud über den Platz und knüpften direkten Kontakt mit den Passaneten. Ähnliches passierte anfang der 80er Jahre, als die teilweise links orientierten Studenten der Uni Kadi Ayad auf der Suche nach Sympathie ihre Forderungen der Masse auf dem Platz bekannt machten.
Ab der 90er Jahre hat man bewußt Jamaa al-
Fanaa zu einem seelenlosen Platz verwandelt. Manche beobachter vermuten hinter diesem autoritären Akt eine gewisse Angst vor einer möglichen Verbreitung islamistischen Gedankengutes auf dem Platz.
Was ich hier mit diesem kurzen historischen Exkurs zu belegen versuche, ist die Tatsache, dass der Platz seit ehe und je ein zentrale Rolle in den Ereignissen der roten Stadt eingenommen hat und immer noch einnimmt.
Soziokulturel lässt sich meine These auch ohne Schwierigkeit belegen.
Die Angebote auf dem Platz von Unterhaltung bis hin zur Scharlatenrie sind alle kulturelle Erscheinungen. Ihre Abnahme in den letzten Jahren ist schlicht und einfach auf den Tourismus zurückzuführen. Die Darbieter treten heutzutage nicht mehr auf dem Platz auf, sondern in den Hotels. Nicht die Einheimischen sind Nutznießer ihrer Kultur, sondern die währungskräftigen Germanitanis, Kaugummikaner,Krankzosen und die neuen Reichen Europas, die Spanier. Der Platz hat längst an seiner Bedeutung zu verlieren begonnen. Wenn staatlicherseits etwas zugunsten des Platz unternommen wird, dann wird der Herr Sadikki mit seiner mittelalterlichen Makamat zum Star aus Rabat gemacht, leider mit dem Risiko, von den gewöhnlichen einheimischen Besuchern nicht verstanden. Sie wollen einen " Bakchich", " Saruch", "Doktor al-Hacharat"8 alle sind inszwischen gestorben. Ein in Marakkesch lebender spanischer Schriftsteller hat vor etwa einem Jahr einen super guten Aufsatz in le Monde diplomatique zu jamaa al-Fanaa als Denkschrift)
" Mechi" der naturtalentierte Alleinunterhalter fasziniert die Kleinen wie die Großen mit seinen Gags, Satiren, Publikumsbeschimpfungen,fast á la Peter Handtke.
Die Geschichteerzählungen, ohne die die Phantasie eines Herren Tahar Ben Jalloun nicht freigesetzt würde. Vor Ben Jalloun war der Paltz der Dreh- und Knotempunkt der literarischen Skizzen von Elias Kanniti.
Heute bieten die Menschenbewegungen in alle Ricgtungen auf dem Platz dem seit nun mehr als 30 Jahren in der Medina lebenden deutschen aus dem kalten Norden ( Kiel) Wolfgang Geerdt das Motiv seiner Malerei

Bakkali, langsam sollte es dir kalrer werden, dass es sich um etwas Besonderes geht, wenn die Rede von Jamaa al-Fanaa ist. Der Platz ist das Herz der Stadt rätselhaften Stadt Marakkesch.
Bei nächster Gelegenheit kommen noch mehr Ausführungen und Einiges zu der " marokkanischen Movida "

" Marrakech est un enigme,autant que sa place"
Aziz