Hier das gestern [18.9.] veröffentliche Interview mit dem Autor Khoury, der das besagte Gespräch [Kaiser - Perser] ... das dieses umstrittene Zitat enthielt, editiert hatte.

"Dieses Zitat entspricht nicht der Meinung des Papstes"

Benedikt XVI. bezog sich in seiner Regensburger Rede, die für so viel Aufregung sorgte, auf eine Arbeit des Islamwissenschaftlers Adel Theodor Khoury. Dieser hatte den Dialog zwischen einem byzantinischen Kaiser und einem Perser ediert. WELT.de sprach mit Khoury über den Papst, den Propheten Mohammed und die Hoffnung, dass die Wogen sich wieder glätten.

Von Hannes Stein
WELT.de: Hat die heftige Reaktion in der islamischen Welt auf die Rede des Papstes Sie überrascht?

Adel Theodor Khoury: Eigentlich schon, weil es ja nicht die Intention des Papstes war, über den Islam zu reden. Das Zitat des byzantinischen Kaisers Manuel II. Palaiologos war für ihn nur ein Aufhänger, um zu seinem wirklichen Thema überzuleiten ?

WELT.de: ? nämlich Religion und Vernunft.

Khoury: Religion und Vernunft, Religion und Gewalt, Religion und Wissenschaft. Für den Papst war der wichtigste Satz des mittelalterlichen Kaisers: „? nicht vernunftgemäß (syn logo) zu handeln, ist dem Wesen Gottes zuwider.“ Andererseits hat mich die Aufregung in der islamischen Welt aber doch nicht überrascht.

WELT.de: Inwiefern?

Khoury:Der Hintergrund sind die Spannungen, die heute zwischen islamischer und westlicher Welt existieren. Daher kommt die Empfindlichkeit vieler Muslime gegen alles, was wie ein Angriff auf den Islam aussieht.

WELT.de: Stimmt der Eindruck, dass manche Muslime beinahe krampfhaft nach Gründen suchen, um sich aufregen zu können?

Khoury: Das kann man so nicht sagen. Die Menschen dort reagieren ein bisschen anders als hier. Wenn sie sehen, wie die gesamte islamische Welt in die Defensive gerät, dann reagieren sie empfindlich bei jeder Kritik, vor allem jeder Kritik an Mohammed, dem Propheten, und am Koran. Das sind für sie heilige Dinge.

WELT.de:Nun hat der Papst aber doch gar keine heiligen Dinge angetastet.

Khoury:Das ist richtig. Wahrscheinlich haben viele Muslime nur das Zitat von Manuel II. Palaiologos durch Pressemeldungen bekommen. Manche haben das schon zugegeben, zum Beispiel der zuständige Mann der Religionsbehörde in der Türkei. Er hat zunächst eine große Attacke gegen den Papst geritten – und zwei Tage später eingeräumt, dass er die Rede in ihrem vollen Wortlaut gar nicht kannte. Nur das Zitat. Ich hoffe, dass nun die Wogen sich glätten.

WELT.de:Was gibt Ihnen Anlass zu dieser Hoffnung?

Khoury: Wir bemühen uns seit einiger Zeit – der Vatikan, der Papst, und auch ich und meine Kollegen im Orient –, deutlich zu machen, dass dieses Zitat nicht der Meinung des Papstes entspricht. Die Haltung der katholischen Kirche seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil zum Islam ist eindeutig. In der Erklärung „Nostre Aetate“ heißt es in Absatz drei: „Mit Hochachtung betrachtet die Kirche die Muslime.“

WELT.de: Eine Sprecherin des pakistanischen Außenministeriums sagte kürzlich: „Jeder, der den Islam als intolerante Religion beschreibt, fördert die Gewalt.“ Was meinen Sie dazu?

Khoury: Es gibt im Islam die Militanz, die sich auf einige Stellen im Koran beruft. Das kann man nicht verleugnen. Deswegen ist es ein Wunsch von mir und vielen meiner Kollegen – Christen wie Muslimen –, dass Gelehrte des Islam aus aller Welt sich versammeln und eine Erklärung über jene Stellen des Koran abgeben, die zu einer Rechtfertigung der Gewalt gebraucht werden. Solch eine Erklärung würde einiges klarstellen.

WELT.de:Warum existiert eine solche Erklärung nicht?

Khoury:Ich weiß nicht – vielleicht gibt es eine gewisse Scheu vor dem heiligen Text. Dabei bräuchte man gar keine Hermeneutik anzuwenden, sondern einfach nur eine offizielle Erklärung: Jene die Gewalt rechtfertigenden Stellen des Koran sind zeitbedingt, sie entsprechen nicht dem Anliegen des Islam. Sie sind entstanden, als die islamische Gemeinschaft unter Druck durch ihre Feinde stand. Eine solche Erklärung wäre doch sehr hilfreich.

WELT.de: Das sagen Sie als Christ. Ist es nicht so, dass die Kräfte, die sich in der muslimischen Welt gegen den militanten Islam wenden, schwächer werden?

Khoury: Das glaube ich nicht. Sie sind in der Mehrheit, sie werden hier nur nicht zitiert. Ich hoffe, wir kommen jetzt in eine ruhigere Phase, wo wir den Dialog und die Zusammenarbeit fortsetzen können. Wir haben heute viele Probleme in der Welt. Wenn Muslime und Christen zusammenkommen, haben sie aufgrund vieler religiöser Gemeinsamkeiten ein großes Potenzial, diese Probleme zu lösen.

Quelle: Artikel erschienen am 18.09.2006 in "Welt"