Guten Morgen,
es ist hier viel geschrieben worden und ich kann nicht mehr zu allem was in meine Richtung ging Stellung nehmen, weil Arbeit und Alltag rufen.
Ich möchte nur noch mal klarstellen, weil ich den Eindruck habe so deutlich missverstanden worden zu sein. Ich habe nirgendwo behauptet, dass wir in einer idealen Gesellschaft leben, die keiner Kritik bedarf und ich habe auch nicht behauptet, dass "unsere" Werte (welche überhaupt, es gibt ja verschiedene) über islamischen Werten stehen oder "deutsche" Frauen freier und emanzipierter leben als muslimische.
Es war mir - in der Diskussion mit Balqis - lediglich ein Anliegen zu sagen, dass es auch muslimische Frauen und Männer gibt, die die Punkte, die sie angesprochen hat, anders sehen als sie. Wie jemand seine Religion interpretiert ist letztlich seine Sache, wie sie in der deutschen Gesellschaft umgesetzt wird, ist aber unser aller Sache und da können wir nur Interpretationen unterstützen, die im Rahmen der Werte liegen auf die man sich hier im großen und ganzen geeinigt hat. Und das sind zunächst mal die allgemeinen Menschenrechte, das ist das Grundgesetz.
Meine Befürchtung ist, dass wenn man Balqis oder Abids rigider Auslegung des Korans folgt, man da schnell an seine Grenzen gerät, z.B. was die Gleichberechtigung von Frau und Mann betrifft, was die Unverletzlichkeit der Menschenwürde anbelangt (denn Themen wie die Sure 4:34 oder die sogenannten Hadd-Strafen haben wir ja bislang noch gar nicht berührt).
Aber eines ist mir natürlich klar: Wir reden hier nur über die Theorie. Ich habe selbst oft genug im Gespräch mit Muslimen erlebt, dass ihre theoretischen Positionen viel strenger und schärfer sind, als das, was sie letztendlich leben.
Ich hatte die Gelegenheit den Islam als eine Religion der Sanftheit und Güte kennen zu lernen, bei Menschen in Indien, Ägypten, auch in Marokkko. Diese Erfahrungen werde ich nicht aus meinem Gedächtnis streichen.
Und an Claudia gerichtet:
Es fällt mir schwer, dir zu antworten. Ich habe so verärgert auf dein erstes Posting reagiert, weil ich diese Tendenz kenne aus anderen politisch-sozialen Bewegungen, dass man sich irgendwann nur noch auf jedes Wort oder jede Wortendung stürzt, um sich bestätigt zu sehen in der Verschwörung der Welt gegen die eigene Gruppe. Das war der Moment, an dem ich mich selbst von der feministischen Szene abgewandt habe, obwohl ich ihre Inhalte und Ziele im allgemeinen teilte.
Ich denke, man muss fair bleiben, auch mit den Medien, den Politikern, der Mehrheitsgesellschaft. Ich weiß, dass man sich gerne Feindbildern bedient, um die eigene Position zu stärken, um von eigenen Problemen abzulenken. Aber es ist nicht so, dass in Deutschland jeder nur gegen den Islam eingestellt ist oder sich nicht für den Glauben der Muslime interessiert. Wir ringen um ein friedliches und gedeihliches Zusammenleben mit den Muslimen, an manchen Punkten ringen wir schon viel zu lange und natürlich war es ein Versagen der Politik, dass sie nicht viel früher auf die Präsenz des Islam in unserem Land reagiert hat. Aber manche Schwierigkeiten sind eben auch nicht so einfach zu lösen.
Ich sah den Schritt der Islamkonferenz als einen positiven Anfang, genauso wie die inzwischen parteiübergreifende Einsicht, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist - mein Gott, wie lange hat das gedauert! - das sind doch kleine Zeichen, dass sich etwas bewegt und dass nicht alles nur vergebliche Mühe ist. Ich meine das ist ein Grund für vorsichtigen Optimismus, nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Gruß