@Balqis,
ich kann leider nur ganz kurz schreiben, denn ich erwarte Familienbesuch.
Ich entschuldige mich bei dir, die Stelle mit der Jungfräulichkeit hatte ich in der Tat anders verstanden, was vielleicht auch mit Elvires Reaktion darauf zu tun hatte. Ich dachte du vergleichst die muslimischen Mädchen mit den nicht-muslimischen an diesem Punkt und das wäre ja unsinnig.
Ich glaube dir, dass du glücklich und zufrieden aufgewachsen bist und ich finde es auch gut, dass du deine Meinung vertrittst, sonst würde ich gar nicht mit dir "streiten". Es ist ganz richtig, ich kenne sehr viele problematische Geschichten von hier aufgewachsenen muslimischen Mädchen. Meine Schulfreundin kam aus einem türkischen Elternhaus, mit ihr habe ich vor circa 20 Jahren alle Höhen und Tiefen des Aufwachsens und Fühlens "zwischen zwei Kulturen" miterlebt. Sie kam aus einem ganz normalen Elternhaus, ihre Eltern hatten es sogar "zu etwas gebracht", hatten ein eigenes Haus, ihre Kinder besuchten fast alle das Gymnasium. Trotzdem waren sie mit der ganzen Situation überfordert, ihre Kinder einerseits muslimisch "korrekt" zu erziehen, sie andererseits nicht aus der Gesellschaft zu isolieren. Meine Freundin war damals die Schlimmste von uns allen, sie zog mit 15 von zu Hause aus, gründete eine Punk-WG, wurde zur Profi-Diebin, brach die Schule ab. Du wirst jetzt vielleicht sagen "eine Ausnahme", aber du kannst ja nicht leugnen, dass es massive Probleme mit Kindern und Jugendlichen mit migrantischem Hintergrund in unserer Gesellschaft gibt (nicht nur mit muslimischen, aber in sehr großem Umfang). Bevor wir uns missverstehen, ich will diese Probleme überhaupt nicht nur auf Religion reduzieren, viele Verhaltensweisen sind eher durch Tradition und Sozialschicht begründet, werden aber oft - fälschlicherweise - religiös legitimiert.
Das war meine erste Berührung, seither habe ich mehr oder weniger Kontakt und Freundschaften mit Muslimen unterschiedlicher Art und Lebensweise. Du brauchst mir gar nichts über starke Frauen zu erzählen - und ob ich sie kenne. Ich habe viel von muslimischen Frauen gelernt und ich habe - auch in meiner späteren intellektuellen Auseinandersetzung mit dem Islam - regelrechte Vorbilder dort gefunden. (Wen, das erwähne ich jetzt lieber nicht, sonst kriegt unser guter Abid noch einen Herzkasper)
Ich habe das Gefühl, du gehst von einem Ideal aus - solange dieses Ideal funktioniert mag das in Ordnung sein. Aber was passiert, wenn irgendetwas in dem System nicht so funktioniert, wie es sein sollte, wie du es dir vorstellst. Das war das, was ich meinte mit "du bist noch sehr jung", ich meinte das wirklich wertfrei.
Du bist mir nicht unsympathisch, ich glaube, dass es wichtig ist zu "streiten" und nicht immer alles auszuschweigen, weil man Angst hat, man könnte was Falsches sagen. Ich habe zu viele dieser (scheinbaren) Harmonie-Dialoge miterlebt, die zu wenig geführt haben.
Übrigens habe ich auch mehrere Monate in Indien und Pakistan verbracht. Wo warst du denn dort?
Grüße