Persönlich diffamiert?
Phoenix, der WDR und ein muslimischer Student Von Gisela Zabka epd "Salam, Bruder Ramis!", schrieb Shaker Assem am 30. Oktober 2002. "Hier meine Stellungnahme zur MJ! Bitte leite sie so schnell es geht an die Geschwister dort weiter. Bitte entschuldige, dass ich immer dich darum bitte, aber für mich geht es so am schnellsten - weil ich mich im Internet nicht so auskenne." "MJ" ist die Muslim-Jugend.
Und "Bruder Ramis", der Internet-Profi, tat Shaker Assem den Gefallen. "Bruder Ramis" ist Ramis Örlü (26), deutscher Staatsbürger türkischer Herkunft, Student an der Ruhr-Universität Bochum (Maschinenbau) und einer, der seit zehn Tagen die Juristen von WDR und ZDF beschäftigt.
Denn es gilt zu klären, wie in einer Demokratie üblich, ob eine Reportage des WDR, die auf Phoenix wiederholt werden sollte, die Persönlichkeitsrechte des Studenten verletzt hat. Der Student ("In diesem Bericht werde ich persönlich diffamiert") hatte Phoenix per Brief "höflichst" gebeten, "von einer Ausstrahlung abzusehen". Andernfalls werde er "gerichtliche Schritte" einleiten. Phoenix hat von der Ausstrahlung abgesehen.
Shaker Assem ist Mitherausgeber der islamistischen Zeitschrift "explizit" und, wie er selbst im Internet angibt, "führendes Mitglied von Hizb ut-Tahrir", jener Organisation also, die Otto Schily vorletzte Woche verboten hat. "Es muss ganz eisenhart klar sein", hatte Schily im ARD-"Morgenmagazin" gesagt, "dass solche Organisationen in Deutschland nichts zu suchen haben." "explizit" ist die - vor allem an Universitäten verbreitete - Zeitschrift eben der Hizbub ut-Tahrir. Shaker Assem für den "Spiegel": ein "Hass-Prediger". Festzuhalten ist: Es gibt eine Örlü/Assem-Verbindung.
"Bruder Ramis" und sein Mitteilungsdrang Wurde Ramis Örlü in der WDR-Reportage also zu unrecht in einen radikalislamischen Zusammenhang gebracht, wie er beklagt? Die Reportage - "Wir wollen den wahren Islam. Junge Muslime in Deutschland" von Gisela und Udo Kilimann - wurde zuerst letzten September in der ARD-Sonntagsreihe "Gott und die Welt" gesendet (7,6 Prozent = 920.000 Zuschauer) und sollte am Sonntag, 19. Januar, morgens um neun Uhr bei Phoenix wiederholt werden. Dort wurde sie zwei Tage vor dem Sendetermin abgesetzt. "Verschoben", sagt die Phoenix-Programmgeschäftsführung.
Hätte Örlü geschwiegen, wäre die Sendung am Sonntagmorgen nahezu unbemerkt im Kabel verschwunden. Jetzt hingegen begibt man sich schon mal ins Internet und findet da unter den rund fünfzig deutschen Muslim-Adressen allerlei befremdliche Sachen. Oft keine angenehme Lektüre, nebenbei gesagt. Und der "liebe Bruder Ramis" scheint einen unbezähmbaren Mitteilungsdrang zu haben. Und versteht sich offenbar noch nicht auf die "Takiya" (arab.: Verstellung), die Muslimen auferlegt ist, wenn es gilt, die so genannten Ungläubigen über die wahren Absichten der Muslime zu täuschen. Wird nur von den Schiiten angewendet, sagen die Sunniten. Von wegen.
Am 17. Januar also wurde die Sendung aus dem Programm genommen, um auf demokratischem Wege zu klären, ob Örlüs Beschwerde berechtigt ist. Drei Tage später meldet Örlü sich im "Forum" der Internetseite "parsimony.net" mit einem sieben Seiten langen Traktat zu Wort, das geeignet sein sollte, selbst politische Romantiker ins Grübeln zu bringen. Denn es ging um nichts Geringeres als: Warum die Demokratie "abzulehnen" ist.
Einblicke in gewisse muslimische Köpfe Der 11. September und die Folgen: Seitdem schauen selbst Journalisten, die sich bisher Blindheit verordnet hatten ("keine Vorurteile schüren!"), schon mal genauer hin, was da in und um Moscheen herum hier und da so getrieben wird. Da studiert also einer an einer deutschen Universität, genießt alle Vorzüge des westlichen Rechtsstaats, wozu auch gehört, dass er seine Homepage kostenlos auf dem Uni-Server betreiben kann, und feiert den Islam "als Lösung auf das verheerende Elend, welches Kommunismus (in Form von Sozialismus) und Kapitalismus (in Form von Sälularismus und Demokratie) ... hauptsächlich über die Muslime gebracht hat".
Warum die Demokratie abzulehnen ist? Weil sie, weiß Örlü, "für die Muslime ein aufgezwungenes nicht passendes Gewand ist, was außerdem die Souveränität - welche allein Allah gebührt - dem Menschen überträgt". Und in der eingangs erwähnten "Stellungnahme" für die Muslim-Jugend, die Örlü im Oktober netterweise für Shaker Assem ins Internet gestellt hatte, erklärte dieser, warum es nicht "rassistisch" bzw. "volksverhetzend" sei, die Juden "ein Volk der Lüge" zu nennen.
Warum? Weil es "eine Aussage unseres ehrwürdigen Propheten Muhammed" ist. Und der Satz "Und tötet sie, wo immer ihr auf sie trefft", stammt, so Assem, "nicht etwa von Hizb ut-Tahrir", sondern auch vom Propheten. Sure 2, 191, stimmt. Ist also ewige Wahrheit. In der Sure heißt es weiter: "Und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben" (siehe dazu auch "hizb-ut-tahrir.org"). Shaker Assems Rat an die Muslim-Jugend: "Leiser treten" mit Pauschal-Anschuldigungen!
Ach, hätte Ramis doch "den Rand" gehalten!, schrieb ein erboster "Moussa" am 16. Januar im "Forum" von "parsimony.net". Hat er aber nicht, und jetzt hat Örlü eine Öffentlichkeit, die er sich bei allem Mitteilungsdrang nicht wünschen kann, denn wir haben auf diese Weise interessante Einblicke in gewisse radikale muslimische Köpfe bekommen.
"Nach den WTC-Attentaten", schreibt der erboste Moussa, "als Technik-Student, der auch einen muslimischen Gebetsraum betreibt und den Links auf der Homepage und dann noch die Antworten auf Palästina etc., das war schon nicht mehr blöd, das war schon vertrottelt." Die Aktion mit "Muslimrecht" sei ja "gleich noch eine Draufgabe" gewesen, schreibt Moussa, "hoffentlich bekommen die Medien das nicht spitz, sonst hört das nie wieder auf".
Tja, lieber Moussa, schon geschehen. "Schäme Dich dafür, was du den anderen Muslimen wegen Deiner Lust nach Öffentlichkeit und vor der Kamera zu stehen angetan hast." Moussa scheint die Sendung immerhin gesehen zu haben, gegen die Mitte Januar an die zweihundert Muslime ("Ich schreibe Ihnen als ein mündiger und empörter Bürger dieses Landes") per ausführlichem Mail-Brief an den WDR, an Phoenix und die Autoren protestiert haben.
"Wie man Sendungen verhindern kann" Die Brief-Kampagne ("Aktion") war am 14. Januar, fünf Tage vor der Phoenix-Sendung, von der Internetseite "Muslim&Recht" (muslimrecht.de) losgetreten worden. "Phoenix plant anti-islamischen Beitrag auszustrahlen. ... Es sind bereits vorgefertigte ............
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>>>Quelle: Persönlich diffamiert? Phoenix, der WDR und ein muslimischer Student by epd medien Nr. 7, 29. Januar 2003