Hallo an Alle,
ich habe eine Antwort von einem evangelischen Pfarrer über
www.chrismon.de bekommen (ein evangelisches Magazin, offizielle Beilage der Süddeutschen Zeitung, das sich seriös mit kirchlichen und sozialen Themen befasst).
Sehr geehrte Frau Ulla ....,
vielen Dank für Ihr freundliches Mail.
Zu Ihrer Frage: Der Verzehr von Schweinefleisch ist im Christentum erlaubt. Es gibt im Christentum überhaupt keine bindenden rituellen Vorschriften, nirgendwo.
Das Christentum hat als erste Religion (und bislang einzige Weltreligion) die Freiheit des Einzelnen von jeglicher religiöser Bevormundung durch Gesetze, Gebote und Vorschriften propagiert.
Mit dieser Lehre hat sich das Christentum zwar lange Zeit selbst überfordert (siehe v.a. die kirchliche Inquisition). Letztlich aber hat sich doch die Freiheitslehre allgemein durchgesetzt (zuletzt inspiriert durch die Reformatoren Martin Luther, Huldrych Zwingli und Johannes Calvin und heutzutage befördert durch die weltweite politische Dominanz des reformatorisch geprägten Westens).
Mir ist keine Richtung innerhalb des Christentums bekannt, die solchen Verzehr verbietet. Die einzigen, unter denen der Verzehr von Schweinefleisch negativ angesehen sein könnte (aber ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht!), sind die messianischen Juden. Also Juden, die Jesus als Messias akzeptieren.
Denkbar ist auch, dass sich manche Christen im traditionell muslimischen Herrschaftsbereich abgewöhnt haben, Schweinefleisch zu essen, weil es auf dem Markt über 1500 Jahre keines gab. Verboten ist es ihnen dennoch nicht.
Es gibt im Neuen Testament einige Stellen, die sich genau dieser Frage zuwenden. Z.B. Apostelgeschichte 11:
Der Apostel Petrus (Jesu Jünger) hat eine Vision zum Thema Speisegebote (Apostelgeschichte 11,5-10). In dieser Vision sendet ihm Gott eine Tafel gedeckt mit Speisen, die laut jüdischen Gesetz vom Verzehr ausgeschlossen sind. Gott fordert Petrus auf, davon zu essen. Seit dieser Vision vertritt Petrus die Auffassung, für Christen würden die jüdischen Speisegebote nicht mehr gelten. Also auch nicht das Verbot, Schweinefleisch zu essen.
Laut Apostelgeschichte 15 traten die Apostel Jesu zu einer Versammlung zusammen, um zu debattieren, ob für Christen die jüdischen Gebote (darunter auch das Verbot von Schweinefleisch) für Christen gelten sollten.
Der Apostel Jakobus (der Bruder Jesu) vertrat die traditionalistische Auffassung: Die alten jüdischen Gebote gelten auch für Christen. Petrus widersprach (wohl wegen seiner Vision, s.o.).
Jakobus konnte sich mit seiner traditionellen Auffassung nicht durchsetzen und musste laut Apostelgeschichte 15,19-20 einen Kompromiss finden zwischen den traditionellen Speiseverboten und der Freiheit eines Christenmenschen.
Dieser Kompromiss läuft darauf hinaus, dass Christen der Verzehr der sogenannten "verboteten" Speisen nicht mehr verboten sei, sie sich aber mit Rücksicht auf die Traditionalisten damit zurückhalten sollten.
Am liberalsten war damals die Auffassung des Paulus, der die Freiheit der Christen von allen religiös-gesetzlichen Vorschriften des Judentums (also auch vom Verbot, Schweinefleisch zu essen) verfocht (siehe z.B. Galaterbrief 5,1, wo Paulus von eben dieser Freiheit spricht).
Diese Auffassung hat sich in der ganzen Christenheit durchgesetzt.
Freundliche Grüße,