Hallo liebe Leute,
neben dem glaubens-politischen Pragmatismus gibt es auch einen religiösen Hintergrund, der sich, wie Hachim schon bemerkte, auf das Neue Testament bezieht, in dem einiges aus dem AT revidiert wurde. Wichtigstes Beispiel: statt "Aug um Auge, Zahn um Zahn" heisst es nun: "Liebe deinen Nächsten". Das heutige Christentum bezieht sich bis auf fundamentalistische Christen, wie Zeugen Jehovas o.ä. in der Regel auf das neue Testament.
Zu diesem Thema (Schweinefleisch) gibt es interessante Ausführungen von Hans Maaß, die den Hintergrund erhellen. Kurzfassung:
Von Anfang an aber ist's nicht so gewesen
Mit diesen Worten erklärt Jesus im Matthäus-Evangelium (19,8), warum er eine Ehescheidung nicht für gottgewollt hält, obwohl die Tora sogar eine Verfahrensregelung darüber enthält, und zwar 5. Mose 24,1ff. Widderspruch Jesu zur Tora? Oder Erkenntnis, daß die Tora um der Schwachheit der Menschen willen barmherzigerweise Zugeständnisse macht, wohl wissend, "von Anfang aber ist's nicht so gewesen".
Das gleiche ließe sich auch über die biblische Einstellung zum Fleischgenuß sagen. Paulus wendet sich zwar gegen räsonierende Rechthaberei im Meinungsstreit zwischen Gemeindegliedern, die glauben, alles essen zu dürfen, und solchen, die nur Gartengemüse essen (Römer 14,2); aber er setzt dabei voraus, daß jeder damit seine Verehrung gegenüber Gott zum Ausdruck bringt und nicht einfach gedankenlos ißt, was ihm schmeckt oder wonach ihn gelüstet (Römer 4,6).
Dabei ist es sicher kein Zufall oder nachlässiger Sprachgebrauch, wenn Paulus im Blick auf diejenigen, die "alles essen", den für ihn theologisch hochbesetzten Begriff "glauben" verwendet und nicht einfach von "denken" oder "meinen" spricht. Er unterstreicht damit wie auch mit dem Ausdruck "er ißt dem Herrn", daß die Freiheit, alles zu essen, einer Glaubensüberzeugung, nicht einer gleichgültig leichtfertigen Lebenseinstellung entspringt.
Dazu paßt auch die Chrakterisierung der anderen Position: "er ißt Gemüse". Hier verwendet Paulus - wohl auch nicht zufällig - denselben Ausdruck, der in der Septuaginta, der griechischen Übersetzung der hebräischen Bibel, an der Stelle als Bezeichnung für die pflanzliche Nahrung benutzt wird, die erstmals von der Erlaubnis fleischlicher Nahrung spricht. Mit diesem bei Paulus sonst nicht vorkommenden Ausdruck für Gemüse erinnert er an jene Toraerzählung, in der nach der Sintflut dem Menschen zugestanden wird, unter bestimmten Bedingungen Fleisch zu essen: "Wie das grüne Kraut habe ich es euch gegeben" (1. Mose 9,3). Paulus gibt damit zu erkennen, daß ihm der theologische Hintergrund dieses Verzichts auf fleischliche Nahrung bewußt ist, weil die von der Tora genannten Bedingungen nicht erfüllt sind. Keine andere Stelle macht hinsichtlich des Fleischgenusses die Überzeugung deutlicher als 1. Mose 9: "von Anfang aber ist's nicht so gewesen"....
...Wer 1. Mose 9,3 kompromißlos ernst nimmt, kann in einer heidnischen Gesellschaft nur Gemüse essen. Es dürfte sich demnach in Römer 14 ebenso wenig um prinzipielle Vegetarier handeln wie bei Daniel und seinen Freunden, sondern um Menschen, die wissen, daß nach biblischer Überzeugung Fleischgenuß eine Ausnahmeregelung darstellt, die nur bei Beachtung der entsprechenden lebensschützenden Maßnahmen gestattet ist. Paulus respektiert diese Haltung, weil er weiß, nur wer nicht aus liberaler Großzügigkeit, sondern aufgrund seines Glaubens an den einen Herrn zu einer anderen Einsicht gekommen ist, kann sich über diese einschränkenden Bestimmungen bezüglich des Fleischgenusses guten Gewissens hinwegsetzen....
...Ich esse Fleisch, und mir schmeckt's, solange mir Hormon- und andere Chemieskandale, lebensverachtende Tierhaltung und unhygienische Tiefkühlmethoden nicht den Appetit verderben.
Ich esse Fleisch, weil ich's von Kind auf so gewöhnt bin, aber nicht, weil ich im Glauben die Freiheit dazu gewonnen habe; und das ist bedenklich. Die Glaubensentscheidung hat mir die christliche Kirche bereits vor vielen Jahrhunderten pauschal abgenommen, indem sie alles für erlaubt erklärte, auch Schweinefleisch, sogar Blutgenuß. Sie hat mich aber nicht zugleich in eine Glaubenserziehung hineingenommen, die mir bewußt gemacht hätte, daß Fleischverzehr in der Bibel eine nachträgliche Erlaubnis unter ganz bestimmten Vorraussetzungen ist, und warum durch den christlichen Glauben diese göttlichen Einschränkungen aufgehoben sind. Sie hat mich statt dessen über diese Einschränkungen gar nicht mehr aufgeklärt und mir biblische Erzählbücher in die Hand gegeben, in denen diese Bestimmungen gar nicht enthalten waren. Hans Maaß.
Quelle @Amine: Die Antwort auf deine Frage lautet gemäß dieser Quelle sinngemäß: Als gläubiger darfst du Schweinefleisch essen, nicht als Ausdruck einer leichtfertigen und gedankenlosen Lebenseinstellung, sondern als Ausnahme und im Bewusstsein des religiösen Hintergrundes unter Verehrung von Gott und seiner Schöpfung.
Friede sei mit euch