Armut und Schwäche sind Jesu Stärke. Sie bewirken, dass ein Jude aus Nazareth als Messias eine welthistorische Wirkung entfaltet

FRAGE:

Ein Leben in Armut, ein Tod am Kreuz:

Wieso soll ausgerechnet Jesus von Nazareth der Heiland (das heißt "der Heilsbringer") sein?

ANTWORT:

Sie ist eine der populärsten Geschichten der Bibel und enthält sehr tief gehende theologische Aussagen: die Weihnachtsgeschichte des Evangelisten Lukas.

Auch dieses Jahr wird sie wieder in den Gemeinden vorgelesen – mitsamt jener faszinierenden Passage: Der Engel des Herrn erscheint den Hirten in Bethlehem und sagt zu ihnen: "Euch ist heute der Heiland geboren."

Für Christen ist der Mann aus Nazareth mehr als ein moralisches Vorbild. Sie glauben: Er ist Gottes Sohn. (persönliche Anmerkung: im symbolischen Sinne !)

Aber stimmt das, was in der Weihnachtsgeschichte zu lesen ist? Kam Jesus wirklich schon als Heiland zur Welt? Oder war er ein ganz gewöhnlicher Mensch, den erst seine Schüler zum Heiland ernannten?

ANTWORT:
Eines ist sicher. Nach Jesu Tod erkannten die Jünger in ihrem Lehrer den Heiland. Ob er das auch schon zu Lebzeiten war oder nicht, ist Glaubenssache. Mit wissenschaftlichen Argumenten kann man das nicht entscheiden.

"Euch ist heute der Heiland geboren", sagt der Engel den Hirten, so steht es im Lukasevangelium. Demnach wurde Jesus bereits zu seiner Geburt als Heiland ausgerufen. Ob sich die Geburt Jesu so zugetragen hat oder ob alles doch ganz anders war, das kann niemand mit letzter Sicherheit entscheiden.

Bibelwissenschaftler verweisen die Weihnachtsgeschichten in das Reich der Legende. Auch als gläubige Christen halten sie die Szene mit den Hirten und dem Engel für eine literarische Fiktion. Sie deuten die Weihnachtsgeschichte als Lehrstück, in dem die ersten Christen von ihrem Glauben erzählen. Und weil die Hirten, die ersten Zeugen der Ankunft des Heilands, damals zu den Ärmsten des Volkes zählten, folgern sie aus der Weihnachtsgeschichte:

Jesus kam als Armer unter Armen zur Welt.

Als ein soziales Lehrstück mag die Weihnachtsgeschichte einiges von ihrem Glanz verlieren. Doch sie verliert nichts von ihrer Gültigkeit.

Gehen wir einmal davon aus, keiner habe bei Jesu Geburt geahnt, dass dieses Kind eines Tages von seinen Anhängern als Heilsbringer verehrt würde. Und auch in den folgenden Jahrzehnten, zu Lebzeiten Jesu, habe niemand den Mann aus Galiläa für den Heiland gehalten (auch das behaupten viele Bibelwissenschaftler). Gehen wir einmal von dem aus, was als wissenschaftlich gesichert gilt.

Jesus wuchs in Nazareth auf. Mit etwa 30 Jahren trat er als jüdischer Prophet, als Lehrer und Heiler auf. Seine Anhänger waren einfache Leute: Bauern, Fischer, kleine Steuereintreiber.

Irgendwann griffen ihn römische Soldaten als Rädelsführer eines vermeintlichen Aufstandes auf. Jesus kam vor Gericht, wurde verurteilt und starb den Tod eines überführten Rebellen: am Kreuz.

Damit hätte dieses Kapitel abgeschlossen sein können. Ein Prophet hatte sein Leben ausgehaucht. Seine Anhänger waren verstreut.

Als am dritten Tag nach Jesu Kreuzigung Frauen an sein Grab kamen, berichten die Evangelien, war es leer. Von nun an heißt es, Jesus sei von den Toten auferstanden.

Ob das stimmt, lässt sich wiederum nicht beweisen. Das Erste, was sicher über die Anfänge des Christentums bekannt ist: Plötzlich waren Menschen überzeugt, dass Jesus lebt und seine Lehre weitergeht. Sie beteten zu ihm als Herrn und als Gottes Sohn.

Dass man ausgerechnet Jesus von Nazareth für den Heiland hielt, darin liegt die eigentliche Revolution des Christentums. Obwohl er äußerlich keine messianische Figur abgab, ja sogar am Kreuz umkam, nannten ihn die Jünger "Christus". Das ist die griechische Übersetzung des hebräischen Wortes "Messias", Gesalbter.

So, wie der Messias dem Volk Israel in der jüdischen Bibel, dem "Alten Testament", angekündigt wird, hätte er ein später Nachfahre des legendären Königs David sein müssen.

Als überlegener Herrscher hätte er die politische Unabhängigkeit Israels wiederhergestellt und die römischen Besatzer vertrieben. Doch stattdessen predigte Jesus Frieden und dass man seine Feinde lieben soll. Als klassischer Messias hätte Jesus für die Einhaltung der religiösen Gesetze sorgen müssen.

Stattdessen verstieß er gegen biblisches Gesetz und behauptete, der Sabbat sei für den Menschen da und nicht umgekehrt. Aus traditioneller Sicht war Jesus eher ein Antimessias.

Die Jünger waren sich trotzdem sicher: Gott selbst hat durch Jesus gesprochen, nicht durch einen mächtigen gesalbten König, sondern durch einen Propheten, der am Kreuz geendet war.

Den Messias Jesus zeichnete seine Schwäche aus, nicht seine äußerliche Stärke. Diese Umkehrung der Werte haben die Jünger von Jesus übernommen. Der hatte gelehrt: Der Mensch dient Gott, wenn er sich Menschen zuwendet, denen es an Selbstvertrauen gebricht und denen Selbstgerechtigkeit fern liegt.

Auch die Weihnachtsgeschichten schildern Jesus als schwachen Messias. Ihnen zufolge ist Jesus in Bethlehem als Spross des Königs David geboren und entsprach daher den äußeren Anforderungen für einen

Messias. Aber er kam in Armut zur Welt. Nicht der Hofstaat des Herodes oder fromme Priester waren bei seiner Geburt zugegen, sondern arme Hirten und heidnische Sterndeuter, die "Weisen aus dem Morgenlande".

Wenn Christen bekennen, Jesus ist der Heiland, widersprechen sie allen Gesetzen des äußerlichen Erfolgs. Sie halten dagegen: Der Wert eines Menschenlebens ist nicht an Erfolg und Einfluss zu messen.


Gott offenbart sich in den Armen, Schwachen und Hilfslosen. Jesus, der Heiland, hat das Gesetz der Stärkeren überwunden.


Quelle:

http://www.chrismon.de/forum-reli.html


Viele Grüße, Ulla

"Ein Kind ist kein Gefäß, das gefüllt, sondern ein Feuer, das entzündet werden will" Francois Rabelais