Einige Infos zum Islamobil

Um Gottes Willen
"Unter Verdacht - Türkische Islamisten in Deutschland", Dokumentation von Margarethe Steinhausen

(ARD/NDR, 18.9., 23.30- 0.15 Uhr)

epd Islamisten in Deutschland? Vor dem "11. September" für die Öffentlichkeit eine unbekannte Größe, Sorgen machte man sich höchstens über radikale PKK-Aktivisten, die Autobahnen blockierten und sich Schlägereien mit der deutschen Polizei lieferten - was ist eigentlich aus denen geworden?
Nach dem Terror-Herbst wussten die meisten offenbar auch nicht viel mehr. Die "Schläfer" schlüpfen durch alle Rasterfahndungen. Und die islamistischen Vereine? Die Hinterhof-Moscheen, in denen Reporter mitunter schon kräftige Hass- und Terror-Parolen heimlich aufnehmen konnten (etwa für die ARD-Sendung "Die Todespiloten"), blieben indes auch in dieser viel versprechenden NDR-Dokumentation verschlossen.

Margarethe Steinhausen konzentrierte sich auf die "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs" (IGMG), der in Deutschland je nach Schätzung 30 000 bis 100 000 Mitglieder zugerechnet werden. Der größte islamistische Verein Europas, der seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Er war der Wahlverein des kurzzeitigen türkischen Ministerpräsidenten Erbakan. Erkaban hat inzwischen in der Türkei Politikverbot, weil er die islamische Scharia als Rechtssystem einführen wollte.

Das türkische Verbot ist in einer seltenen Orient-Okzident-Allianz vom Europäischen Gerichtshof bestätigt worden. Margarethe Steinhausen reiste zu den Milli-Görüs-Leuten: nach Arnheim zum Europa-Treffen, wo Erbakans antiamerikanische Parolen begeistert beklatscht wurden, nach Hannover, wo das "Islamobil", eine rollende Moschee, Station machte - und nach Hamburg, wo Imam Mustafa Dodo eine scheinbar weltoffene Islam-Auslegung praktiziert.

Doch es schien, als sei der Autorin im Zuge ihrer Recherche der kritische Blick abhanden gekommen. Sie sammelte zwar reichlich Indizien dafür, dass diese religiöse Gemeinschaft mehr als das individuelle Seelenheil ihrer Mitglieder im Sinn hat, aber am Ende schien sie den gegenteiligen Eindruck befördern zu wollen: alles im Grunde harmlose Leute, die halt gern unter sich und in ihrer Tradition bleiben möchten.

Der Pressetext zur Sendung war mitunter spannender als das Gezeigte. Dort stand: "Dass die Frage brisant ist, wie weit sich eine Organisation wie Milli Görüs, die in ganz Europa aktiv ist, auch zu den Prinzipien wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit offen bekennt, zeigte sich bereits beim Drehen, als Interviewpartner ihre anfängliche Zusage zurücknahmen, weil sie mit Repressalien bedroht wurden."

Von diesen Dingen berichtete Steinhausen in ihrem Film nichts, dafür stand gegen Ende das rührende Porträt vom Imam Dodo, der auf Nachfrage sagte, dass seine kleine Tochter sich selbstverständlich frei entscheiden könne, ob sie das Kopftuch tragen wolle oder nicht.

Denn über weite Strecken kreiste die Spurensuche der Autorin nicht um das Weltanschauliche, also das Eigentliche, sondern um die Militanz und sie fand nur nette friedfertige Menschen. Was sie als Sieg der Toleranz feiert, ist es jedoch mitnichten. Günther Beckstein, der bayerische Innenminister, sagte, "Milli Görüs" verfolge den Djihad eben mit friedlichen Mitteln. Und wird prompt von der Autorin wegen seines Milli-Görüs-Faltblatts kritisiert: "Statt auf Dialog setzt er auf Konfrontation."

Doch bräuchte man nur in IGMG-Schriften zu blättern, um zu sehen, wie Recht Beckstein hat. In der Zeitung "Yeni Dünya" etwa schrieb ein Jugendfunktionär im Januar 2001: Die "ruhmbedeckten islamischen Jugendlichen" bzw. "jungen Glaubenskämpfer" sollten "unerschütterlichen Willen" und "stahlharten Glauben" zeigen: "Schlagt keinen anderen Weg ein außer den der Aufopferung und des Märtyrertums um Gottes Willen."

Die Organisation habe der Gewalt abgeschworen und versuche stattdessen "schleichend ihre Ziele zu verwirklichen, unbemerkt von der großen Öffentlichkeit", sagte auch Rüdiger Hesse vom Verfassungsschutz Niedersachsen. Nach dem 11. September seien radikale Schriften verschwunden, ganze Bücherregale ausgeräumt worden.

Auch die Broschüre der Hamburger Zentrumsmoschee, die seit Jahren an Jugendliche verteilt wird? Die wurde im Film immerhin zitiert: "Alle Systeme (außer dem islamischen Rechtssystem) sind Götzensysteme, die ich zu verleugnen habe (z.B. den Kommunismus, die Demokratie, Kapitalismus, Sozialismus...)."

Lauter Vorurteile kursierten über ihre Religion, sagen dagegen adrette IGMG-Vertreter und bei der Hochzeit in Hannover kommt die Braut auch nicht aus Anatolien wie so oft, sondern aus Deutschland. Und in Hannover, assistiert die Autorin, seien sie auch "offen für den Dialog mit Andersgläubigen". Oder doch nur alles Camouflage? Denn noch im Frühjahr stellte der Verfassungsschutz-Präsident Heinz Fromm fest, "dass die Innere Sicherheit am Ende dadurch gefährdet wird, dass Integration verhindert wird".

Das ist das eigentliche Problem mit dieser "Nationalen Sichtweise", wie "Milli Görüs" übersetzt heißt - und mit einer Vielzahl anderer islamischer Gruppierungen: Sie bilden die Infrastruktur für Parallelgesellschaften. Die Ehefrau, die nach langen Jahren noch nicht Deutsch spricht, tauchte als Einzelexemplar zwar auch hier auf. Ansonsten aber nur akzentfrei Deutsch sprechende junge Frauen und Männer, scheinbar integrierte Menschen, die den Islam als Geborgenheits-Nische in einer "kranken" bzw. "kaputten" Gesellschaft begreifen, wie eine junge Frau sagt. Also der unseren. Und das Kopftuch, das bei IGMG obligatorische, so dieselbe junge Frau, "auch als Schutz der Familie". Das Kopftuch, das im Film dann letztlich zum modischen Accessoire verkam.

Denn in der Analyse der politischen Absichten von Milli Görüs blieb der Film seltsam stumm. Die Milli-Görus-Fahne war zwar oft im Bild, aber ohne dass sie die Autorin zu weiterem Nachdenken angeregt hätte: Dort ist nämlich auf weißem Grund ein islamgrünes Europa zu sehen: von Portugal bis zum Ural, links umrahmt vom islamischen Halbmond.

Es wäre daher an der Zeit, dass sich Europa mit der "takiya" vertraut macht. Die "takiya" - arabisch: Verstellung - ist die Glaubenspflicht für Muslime, aus Nutzenkalkül heraus, d.h. wenn es der Ausbreitung des Islam dient, die "Ungläubigen" über ihre wahren Absichten zu täuschen.