Azul alle miteinander,
Wer von euch den fundierten Vortrag von Frau Dr. Kratochwil in Düsseldorf gehört hat – sie hat jahrelang Feldforschung in den unterschiedlichsten berberophonen Gebieten betrieben und sowohl ihre Magisterarbeit, als auch ihre Dissertation darüber geschrieben - dem ist es vielleicht ähnlich wie mir ergangen: man hätte gerne mehr gewusst, hinterfragt, vielleicht auch in Frage gestellt, Verknüpfungen aufgespürt … aber dafür war eben die Zeit zu kurz. Immerhin hat der Vortrag gezeigt, dass es da noch längst nicht verheilte Wunden in der amasirischen Identität gibt, ja schlimmer noch, dass dieser Identität ein weitgehend fremd bestimmtes Bild zugrunde liegt, das historisch und politisch gesehen, gezielt korrumpiert worden war. Seit einigen Jahren hat eine Art Aufbruchsstimmung die Menschen vieler berberischer Gebiete erfasst.
Eine besondere Signalwirkung liegt in dem eigenständigen, aktiven, teilweise offensiven Auftritt ihrer Frauen, besonders dem ihrer Protagonistinnen. Ehemals, im Sinne eines starren Kulturbegriffs, zur Hüterin der Kultur erhoben, fordern diese Frauen zunehmend Anerkennung und Gleichberechtigung über die Schwellen ihrer Türen hinaus.
Es ist mir bewusst, dass man solche Prozesse nicht durch die deutsche Brille beurteilen und bewerten kann und darf. Doch wer Begriffe wie ‚Menschenrechte’ und ‚Gleichberechtigung’ zugrunde legt, muss es sich gefallen lassen, mit globalen Maßstäben gemessen zu werden.
Die Dynamik dieser Rollenänderung bei den amasirischen Frauen, der Akt der Selbstbehauptung in der Außenwelt, wird weiterhin manchen Geburtsschmerz mit sich bringen. Aber das Kind ist schon geboren. Immerhin gibt es bereits über 1000 Schulen in Marokko, in denen tamasight unterrichtet wird. Die uralte Kultur der Berber ist (überspitzt formuliert) nicht mehr nur reduziert auf eine bestimmte Lebensweise, ein typisches Kunsthandwerk, mancherorts eher zum touristischen Zirkus verkommen. Diese Kultur ist stark genug, einem wunderschönen Land seine wirkliche Identität wiederzugeben, die auch und vor allem eine berberische ist!
Ich finde es (auch als Kind deutscher Eltern) spannend und bewegend diese Umbrüche mit zu verfolgen, Anteil zu nehmen, zu vergleichen mit den Entwicklungen und Umbrüchen wie sie hier stattfanden und –finden.
Die Diskussionsrunde nach dem Vortrag hat sich genau in diesem Fadenkreuz der unterschiedlichen Aspekte bewegt. Die Beiträge waren kompetent, offen, differenziert. Ich danke allen, die für diesen Abend einen weiten Weg auf sich genommen haben!
Aber ich frage euch: Ist es damit genug? Oder sollten solche Gespräche, Diskussionen kontinuierlich weitergeführt und vertieft werden. Passiert das bereits im Forum, in den Vereinen oder im privaten Austausch – und ich krieg das einfach nur nicht mit?
Mit herzlichem Gruß,
Srabija