Die Geschichte der Masiren
(Teil 1: Von den Anfängen bis zur Ankunft der Araber)
Taziri 1/97, S. 27-34

Woher die Masiren stammen, wird noch immer kontrovers diskutiert. Stammen sie aus dem Osten? Kamen sie aus dem Norden – über die Iberische Halbinsel oder über den Apennin? Stammen sie vielleicht aus den Tiefen der Sahara? Oder brachen sie einst aus dem Hohen Norden Europas nach Nordafrika auf? Ist es schließlich nicht möglich, daß die Masiren schon immer da waren, wo sie jetzt sind?
Dafür, daß die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegen muß, spricht, daß die Masiren bereits äußerlich kein einheitliches Bild abgeben. Es gibt schwarzhäutige Masiren, blonde Masiren mit blauen Augen, Masiren südeuropäischen Typs, Masiren mit indianischen Gesichtszügen und Masiren, die von allem etwas haben.
Auch kann von e i n e r masirischen Kultur nicht die Rede sein. Die Vielfalt der Sitten und Gebräuche ist verwirrend. Die Masiren müssen also einem diffusen Völkergemisch entsprungen sein. Was sie heute verbindet, ist im wesentlichen eine gemeinsame Sprache. Wer von d e n Masiren spricht, muß demnach primär eine Sprachgemeinschaft vor Augen haben, die sich im Westen von den Ufern des Atlantiks bis an die ägyptische Oase Siwa im Osten erstreckt und von der Mittelmeerküste im Norden bis an den Rand der Sahelzone im Süden reicht. Welche ethnischen und rassischen Elemente die Masiren im Laufe der Jahrhunderte in sich aufgenommen haben, soll jedoch nicht Gegenstand eines geschichtlichen Abrisses sein. Dieser Frage wird Taziri einen speziellen Artikel widmen. Hier soll vielmehr diejenige Geschichte interessieren, über die es zuverlässige und ergiebige Quellen gibt.

1. Die Masiren und die Alten Ägypter
2. Die Masiren und die Alten Griechen
3. Die Masiren und die Punier
4. Der Masirenkönig Massinissa
5. Der Masirenkönig Jughurtha
6. Der Masirenkönig Juba I.
7. Der Masirenkönig Juba II.
8. Die Masiren und die Alten Römer
9. Der Rebellenführer Takfarinas
10. Masiren führen das Römische Reich
11. Die Masiren und die Alten Germanen

Die Masiren und die Alten Ägypter
Die frühesten Zeugnisse über die Masiren stammen von den Alten Ägyptern. Die östlichste Fraktion der Masiren waren ihre unmittelbaren Nachbarn. Sie wurden von den Ägyptern “Libyer” genannt. Als die Austrocknung der Sahara stetig voranschritt, verließen zahlreiche Libyer um 2300 v. Chr., von Südwesten kommend, ihre angestammte Heimat und ließen sich im westlichen Nildelta und in der Seelandschaft Fayyum nieder. Sie waren auf der Suche nach fruchtbaren Böden fündig geworden. Von Hunger getrieben rannten um 1210 v. Chr. weitere libysche Stämme gegen die Grenzen des Alten Ägyptens an und wurden unter dem Pharao Merenptah abgewehrt. Die Verbündeten der Libyer waren sogenannte “Seevölker”. Diese Völker waren mehrheitlich indogermanische Stämme von den Küsten Italiens, Griechenlands und Kleinasiens. Die Einzelheiten von Merenpthas Sieg sind in einer Inschrift im Tempel von Karnak festgehalten.
Zu Zeiten des Pharao Ramses III. (ungefähr 1182-1151 v. Chr.) schlossen sich den Libyern andere masirische Stämme an. Etwa zur gleichen Zeit waren von Norden her wieder die Seevölker eingefallen. Ramses III. machte diesem altertümlichen Zwei-Fronten-Krieg erfolgreich ein Ende. Er ließ unter seinen Gegnern ein gewaltiges Blutbad anrichten; er nahm ihre Frauen und Kinder “zu Zehntausenden” gefangen und beschlagnahmte ihr Vieh “zu Hunderttausenden”. Masiren, die mit ihrem Leben davonkamen, wurde auf die Haut der Name des Königs eingebrannt und wurden so zu seinen Sklaven. Inschriften im Palast von Medinet Habu erzählen von diesen Kämpfen. Damit waren die Libyer endgültig bezwungen worden. Masiren fanden jedoch weiterhin Aufnahme im Reich der Alten Ägypter. Viele von ihnen dienten im ägyptischen Heer.
Etwa 945 v. Chr. bestieg ein Masire namens Scheschonq den ägyptischen Thron und begründet die 22. Dynastie. Bis 724 v. Chr. sollten Dynastien libyscher Söldnerführer insgesamt neun Könige Ägyptens stellen. Sie hießen meist Scheschonq, Osorkon oder Takelothis und erscheinen total als Ägypter; sie unterscheiden sich in nichts von den angestammten Pharaonen. Mit der Übernahme der Macht durch libysche Söldnerführer zerfiel das Reich und löste sich schließlich auf. Nacheinander wurde Ägypten dann von den Äthiopiern und Assyrern erobert. 664 v. Chr. befreite der libysche Fürst Psammetich I. das Land, führte es wieder zusammen und brachte es zur Blüte.
Auf ägyptischen Abbildungen treten uns “Fürsten der Libyer” entgegen, die sich somatisch überhaupt nicht von den Alten Ägyptern unterscheiden. Ein äußerlicher Unterschied bestand lediglich in der Tracht, die gegenüber der ägyptischen archaischen Züge trägt: die “Fürsten” trugen einen Bart, während die Ägypter rasiert waren. Anders als die Ägypter hatten die Libyer eine Stirnlocke und schmückten sich mit Federn im Haar. Die Erwachsenen trugen einen Gürtel, an den sie einen Tierschwanz befestigten, und ein Penis-Futteral. Bemerkenswert ist, daß auch die Frauen Nachahmungen dieser Futterale trugen, was eine heutige Parallele bei manchen südsudanesischen Stämmen hat; und ein Relikt jener fernen Zeit scheint es ebenfalls zu sein, daß im modernen Algerien der Jüngling erst durch das Anlegen des Gürtels zum erwachsenen Mann wird.

Die Masiren und die Alten Griechen
Die Alten Griechen begannen im 7. vorchristlichen Jahrhundert die Küste der Kyrenaika (der Osten des modernen Libyen) zu kolonialisieren. 332 v. Chr. eroberte Alexander der Große Ägypten und drang bis zur Oase Siwa in Westen vor, dem Kultstätte des Zeus Ammon. Dort wurde Alexander von den Priestern als “Sohn des Zeus” empfangen. Heute ist diese Oase eine berbersprachige Insel inmitten des arabischen Ägyptens.
303 v. Chr. erhielt ein Erbe Alexanders namens Ptolemaios die Herrschaft über das Land samt der Kyrenaika. Unter ihm und seinen Nachfolgern stieg das Alte Ägypten zum reichsten Land der damaligen Zeit auf.


Die Masiren und die Punier
Nachhaltiger auf die Masiren wirkte sich die Präsenz der Punier (oder “Phönizier”) aus, die schon vor den Griechen das Mittelmeer beherrschten. Sie kamen dorthin, wo die Masse der Masiren lebte, nämlich in das fruchtbare westliche Nordafrika.
Die Punier waren tüchtige Krieger, Seefahrer und Kaufleute aus der Levante (heute Libanon, Syrien, Israel). Seit dem 12. Jahrhundert v. Chr. errichteten sie zahlreiche Stützpunkte an der nordwestafrikanischen Küste. Ihr Einfluß reichte von Tripolitanien bis jenseits der Straße von Gibraltar. Der bedeutendste Handelsplatz wurde Karthago nahe des heutigen Tunis. Es wurde 814 v. Chr. gegründet.
Den Reichtum der Karthager mußten allerdings Sklavenheere erwirtschaften, die sich aus den Reihen unterjochter Berbervölker rekrutierten. Die Masiren, die sich dem Einfluß der Punier entziehen wollten, hatten sich in das Hinterland zurückgezogen. Von Mal zu Mal überfielen sie die punischen Küstenstädte und kehrten, mit reicher Beute beladen, in das unwegsame Gebirge und in die Sahara zurück.
Die Macht der Punier gründete sich vorrangig auf einen weitreichenden Handel. Dadurch gelangten allmählich punische Kulturtechniken und Handelsgüter wie Gold und Elfenbein in das Hinterland. Die Masiren kannten bereits den Gerste- und Weizenanbau und hielten Rinder, Schafe und Ziegen. Als punisches Erbe kamen der Anbau von Granatapfel, Mandel, Olive, Feige und Walnuß hinzu. Im Zusammenhang damit wurden “moderne” Veredelungs- und Bewässerungstechniken eingeführt. In den heutigen Berbersprachen lassen sich zahlreiche punische Lehnwörter für jene eingeführten Kulturgüter nachzuweisen. Das numidische Alphabet (“Tifinar”, masirisch und bedeutet “die Punische”), das noch heute bei den Tuareg und zunehmend auch bei den übrigen Masiren gebräuchlich ist, wurde dem punischen Alphabet nachgebildet.
Die schärfste Rivalin Karthagos um die Macht im Mittelmeer war das aufstrebende Rom. Es war eine Frage der Zeit, bis die Kontrahenten aufeinanderprallten. Der punische Kriegszug wurde wesentlich erschwert, als in der Hauptstadt Karthago Sklavenaufstände losbrachen. Die Gelegenheit schien den freien Berberstämmen außerhalb der Stadt günstig. Sie überwanden die Befestigungen und drangen in die Stadt ein. Die Karthager mußten starke Truppenteile aus ihren umkämpften Kolonien abziehen, um dieser Bedrohung Herr zu werden. Sie benötigten Jahre dazu. Indes konnten die Römer fast ungehindert wichtige punische Kolonien im Mittelmeer erobern.


Der Masirenkönig Massinissa
Im Jahre 218 v. Chr. überschritt der punische Feldherr Hannibal mit einem imposanten Heer die Pyrenäen und schließlich die Alpen, um dem Römischen Reich von Norden her den Garaus zu machen. In seinem Troß marschierten etliche Krieger aus dem Rif, dem Atlas und der Sahara. Hannibal gelang es beinahe, die Römer zu besiegen. Doch die Römer behielten die Oberhand. Sie konnten es dem Masirenkönig Massinissa verdanken.
Er regierte den Stamm der Missäsylen im Raum der heutigen Städte Sétif, Algier und Oran. Dieses und das umliegende Gebiet hatten die Griechen “Numidien ” genannt. Massinissa hatte in seiner Jugend in der punischen Armee gedient. Er war beeindruckt von den Leistungen der punischen Zivilisation und begann, sie eifrig nachzuahmen. Nach dem Vorbild der punischen Schrift erfand er die “Tifinar”. Er richtete eine geordnete Verwaltung ein, baute eine Flotte und schuf ein stehendes Heer von 50.000 (!) Mann. Er legte Siedlungen nach punischem Stil an und hielt die Nomaden zum Ackerbau an. Um zu verhindern, daß sich die eben seßhaft gewordenen Nomaden wieder verliefen, siedelte er sie nicht auf einzelnen Gehöften an, sondern in befestigten Burgen. Auf diese Weise wurden sie gleich zwangsweise verstädtert.
Massinissa träumte von der Eroberung der Hauptstadt seiner Lehrmeister. 204 v. Chr. schien die Zeit reif, seinen Traum wahrzumachen. Als er davon erfuhr, daß sich Hannibals Kriegsglück dem Ende zuneigte, wandte er sich von den Karthagern ab und wechselte in das Lager der Römer. Die Massylier, die östlichen Nachbarn des Reichs von Massinissa im Raum von Cirta (heute Constantine) und Sugga, hielten dagegen unter ihrem Führer Syphax an ihrem Bündnis mit Karthago fest.
Als die römische Seeflotte in Nordafrika landete, setzte Massinissa sein Heer gegen die Punier in Marsch. 202 v. Chr. in der Entscheidungsschlacht von Zama südwestlich von Karthago sahen sich die bedrängten Punier von Masiren mit Wurflanzen auf schnellen wendigen Pferden umzingelt, Seite an Seite mit schwer gepanzerten römischen Legionären. Die Punier wurden geschlagen. In den darauffolgenden Friedensverhandlungen mußten sie einen Teil ihres an Massinissa abtreten. Das Reich des Syphax wurde ihm ebenfalls zugeschlagen.
Karthago hatte ein halbes Jahrhundert benötigt, um sich wieder zu erholen. Die Angst vor einem neuen Aufstieg veranlaßte die Römer, im Jahre 149 v. Chr. zu Dritten Punischen Krieg aufzurufen. Den Vorwand für diesen Krieg hatte Massinissa geliefert. Er hatte die Punier mit militärischen Übergriffen so lange provoziert, bis sie zurückschlugen und den mit ihm verbündeten Römern auf diesem Weg einen Grund lieferten, einzugreifen. 146 v. Chr. legten die Römer Karthago in Schutt und Asche. Seitdem hat sich die Stadt niemals mehr aufgerichtet. Heute liegen ihre Ruinen als eindrucksvolle Zeugnisse ihrer einstigen Größe auf den Steilufern vor den Toren von Tunis.
148 v. Chr. starb Massinissa. In Thugga (das heutige Dougga in Tunesien) wurde ihm ein Mausoleum errichtet, das eine Inschrift in numidisch und punisch enthält. Es ist die älteste datierte Schrift in numidischen Lettern.
Durch seinen Tod war Massinissa eine bittere Enttäuschung erspart geblieben. Die Römer hatte nämlich nicht vor, ihm seinen heißen Wunsch zu erfüllen und ihm die Kontrolle über Karthago zu überlassen. Die Römer wollten sich selber in Nordafrika festsetzen. Aus Karthago und dessen Hinterland schufen sie die römische Provinz “Africa”. Später sollte der gesamte Kontinent nach dieser Provinz benannt werden.
Das Numiderreich, das im Westen bis an den Fluß Mulucha (arab. “Oued Moulouya”) angrenzte, blieb vor der römischen Besatzung zunächst verschont. Um die Thronfolge Massinissas war aber ein Streit entbrannt. Um die Numidier zu schwächen, nutzten die Römer die Auseinandersetzungen und teilten die Staatsgewalt unter drei der 44 Söhne Massinissas auf; denn Numidien unter einer zentralen Herrschergestalt erschien den Römern als zu gefährlich. Micipsa übernahm die Verwaltung und wurde somit König. Wie sein Vater pflegte er die Freundschaft mit Rom. Gulassa wurde Heerführer, und Mastanabal bekleidete das höchste Richteramt. Nach dem frühen Tod seiner Brüder konnte Micipsa jedoch bald die Herrschaft auf sich vereinigen.


Der Masirenkönig Jughurtha
Als nach dem Tode Micipsas 118 v. Chr. Thronstreitigkeiten zwischen seinen beiden Söhnen deren Vetter Jughurtha, einem Enkel Massinissas, entstanden, intervenierte Rom und befahl die Teilung des Reiches. Jughurtha war wie sein Großvater ehrgeizig und hegte den Traum von einem vereinigten numidischen Großreich. Es kam zu Kämpfen zwischen Jughurtha und seinen Mitkönigen, in deren Verlauf Hiempsal und Adherbal den Tod fanden.
Da bei den Einnahme Cirtas viele Italiker getötet wurden, griff Rom ein. Der “Jughurtinische Krieg” (bis 105 v. Chr.) brach los. Dessen Verlauf hat Sallust ausführlich beschrieben.
Jughurtha unterlag und floh zu seinem Vater Bocchus, dem König von Mauretanien (das heutige Marokko und die Gegend um Oran). Der mit Rom befreundete Bocchus verriet ihn jedoch und lieferte ihn an die Römer aus. Jughurtha wurde in Rom gehenkt.
Obwohl die Römer sich wieder durchgesetzt hatten, ließen sie davon ab, das Land zu annektieren. Statt dessen machten sie es tributpflichtig und teilten es in drei von Rom abhängige Fürstentümer auf. Als Lohn für die Auslieferung Jughurthas erhielt Bocchus den westlichen Teil Numidiens, während Gauda, ein weiterer Vetter Massinissas, den östlichen Teil bekam. Das mittlere Drittel fiel als Pufferstaat an Mastanesosus.
Bocchus Nachfolger setzten die Freundschaftspolitik mit Rom fort. Mauretanien wurde zwischen den beiden Enkeln von Bocchus aufgeteilt: Bogdud II. erhielt den Westen (Marokko) und Bocchus II. den Osten (Algerien).

Der Masirenkönig Juba I.
Numidien wollte aber nicht zur Ruhe kommen. Der Enkel Jughurthas, König Juba I. von Numidien, ertrug es nicht, seines Amtes im Schatten Roms zu walten. 48 v. Chr. begehrte er auf. Die Zeit schien günstig. Die Mächtigen Roms führten einen blutigen Bürgerkrieg. Cäsar und Pompejus stritten um die alleinige Herrschaft im Römischen Reich. Juba I. setzte auf Pompejus und ging mit ihm ein Bündnis ein. Doch Juba I. hatte auf den Falschen gesetzt. Es war Cäsar, der am Ende triumphierte. 46 v. Chr. in der Schlacht von Thasos auf nordafrikanischem Boden brachte er mit tatkräftiger Hilfe von Bocchus II. und Bogud II. den alliierten Truppen von Juba und Pompejus eine vernichtende Niederlage bei. Juba I. konnte fliehen. Um nicht dem rachsüchtigen Cäsar in die Hände zu fallen, beging er später Selbstmord.

Der Masirenkönig Juba II.
Der Nachfolger Cäsars war Augustus. Dieser übergab Juba II., dem Sohn Jubas I., die Verwaltung über Numidien. Seine Regentschaft von Roms Gnaden sollte schon nach vier Jahren zu Ende gehen. Nun wurde auch der Name “Numidien” von der von der Landkarte getilgt. Das Land wurde 48 v. Chr. römische Kolonie und hieß fortan “Africa”.
Von Kaiser Augustus erhielt Bocchus II. das Reich seines Bruders Bogud II. Mauretanien war auf diesem Wege wiedervereinigt worden. Als Bocchus II. 33 v. Chr. kinderlos starb, ließ Augustus das mauretanische Reich durch eine Präfekten verwalten.
Unter Juba II. stellte Augustus 25 v. Chr. das Königtum Mauretanien wieder her. Dort erhielt er die gleiche Erziehung wie junge adlige Römer. Augustus gab ihm Cleopatra Selene, der Tochter von Antonius und Kleopatra, zur Frau.
Während der Herrschaft Jubas II. blühten seine Hauptstädte Caesarea Iol (Cherchell) und Volubilis (nahe des heutigen Zerhoun in Marokko) auf. Mauretanien wurde ein reicher und mächtiger Staat. Juba II. sammelte Manuskripte für seine Bibliothek. Er beschäftigte sich mit Geographie und Naturgeschichte und entsandte eine Forschungsexpedition nach den Kanarischen Inseln, das ehedem von einem masirischen Volk, den Guanchen , bewohnt war. Über seine Forschungen verfaßte er ein Werk in griechischer Sprache, auf das später berühmte antike Wissenschaftler zurückgriffen.
Nach dem Tode Jubas II. 23 n. Chr. bestieg dessen Sohn Ptolemaios den Thron. Der römische Kaiser Caligula hatte Juba II. bei einem Besuch in Lyon umbringen lassen, um sich seines Reiches zu bemächtigen.
42 n. Chr. nach einer Erhebung der Mauren wurde Mauretanien römisch. 46 n. Chr. teilte Kaiser Claudius das Gebiet in zwei kaiserliche Provinzen auf: im Osten Mauretania Caesariensis (Hauptstadt war das heutige Cherchell) und im Westen jenseits des Mulucha Mauretania Tingitana (Hauptstadt war das heutige Tanger). Später schob sich zwischen dem einstigen Numidien und Mauretania Caesariensis noch die Provinz Mauretania Sitifensis (Hauptstadt war das heutige Sétif). Die Kyrenaika war bereits 74 v. Chr. dem Römischen Reich einverleibt worden. zurück
(vgl. Stammbaum der masirischen Herrscher)

Die Masiren und die Alten Römer
Rom hatte nun die Küste Nordafrikas endgültig unter ihre Kontrolle gebracht. Die ungefähre Ausdehnung der afrikanischen Kolonien kann durch noch vorhandene Reste der Grenzbefestigung festgestellt werden. Im Zuge der römischen Durchdringung, die bis in das 7. Jahrhundert andauern sollte, wuchsen Städte, von deren einstiger Pracht noch heute eindrucksvolle Ruinen künden: Leptis Magna in Libyen, in Tunesien das Kolloseum von El Djem, die Bauten von Thuburbo Majus und Dougga, in Algerien Hippo Regius, Tebessa, Timgad und Djemila, in Marokko Volubilis.
Die Römer bauten Straßen, kultivierten die fruchtbare Küstenebene und führten ein Transportmittel ein, das bis dahin in Nordwestafrika unbekannt war und das heute dort zum alltäglichen Bild gehört: das Kamel.
Rom kolonisierte die nordafrikanischen Kolonien mit einer dünnen Schicht von hohen Beamten, Großkaufleuten und Großgrundbesitzern, die in beträchtlichem Wohlstand lebten. Die einheimischen Bauern dagegen verarmten unter der Last der Latifundien und sanken schließlich zum rebellischen Landproletariat ab.
Zum militärischen Schutz und als Polizei stand eine Armee von 5.000 römischen Legionären und 20.000 masirischen Hilfssoldaten zur Verfügung. Die Legionäre dienten 20 Jahre lang in der Armee und siedelten sich danach mit ihren Familien im Umkreis der Truppenplätze an. So entstanden zahlreiche Veteranenkolonien, v. a. in M’Daourouch, Sétif und Djemila. In Notfällen wurden sie bei der Verteidigung der römischen Grenze in Nordafrika eingesetzt.
Die unterworfenen Masiren, soweit sie seßhaft waren und sich nicht in die Tiefen des Kontinents dem Machtanspruch Roms entzogen hatten, konnten nicht umhin, lateinische Lebensart und Sprache anzunehmen, um sich in den Städten zurechtzufinden. Nach und nach setzte sich das römische Erziehungswesen durch. Unterrichtet wurde nach römischen und griechischen Methoden. Cirta und Tebessa waren die berühmtesten lateinischen Schulen. Verbreitet war das Studium von Rhetorik und Poesie, da hier die Masiren Gelegenheit fanden, ihr fabulierlustiges Gemüt auszuleben.
Die einheimische Bevölkerung wurde in deutlich getrennte Klassen geschieden. Auf der niedrigsten Stufe stand die Landbevölkerung. Sie hatte praktisch keinen Zugang zur römischen Zivilisation und verriet sich dadurch, daß sie Tamazight sprachen. Die nächsthöhere Stufe wurde von den lateinisch Sprechenden besetzt. Sie genossen zivile, aber keine politischen Rechte. Damit blieben sie vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Auf der höchsten Stufe standen diejenigen, die durch die Gunst der Statthalter oder Kaiser mit staatlichen Ämter betraut waren.
Der soziale Aufstieg der Städte hing von den Diensten ab, die sie dem Römischen Reich leisteten. Diese Politik führte zu einem Wetteifer der Masiren, sich mit möglichst auffälligen Leistungen einen angesehenen Namen zu machen. Diese wohlhabenden und einflußreichen Masiren, die den Lebensstil ihrer Kolonialherren besonders eifrig nachahmten und nur Lateinisch sprechen wollten, schämten sich ihrer Abstammung – ein Anzeichen für den drohenden Zerfall einer bodenständigen Kultur!
Masirische Reiter wurden gerne beim römischen Heer angeworben. Sie galten als extrem ausdauernd und tollkühn. Überall dort, wo ein Gegner Roms den härtesten Widerstand leistete, wurden sie eingesetzt. An Donau, Rhein und Euphrat gelangten die “maurischen” oder “afrikanischen” Soldaten zu Ruhm und Ehren.
Im Laufe des 1. Jahrhunderts nahm die städtische Bevölkerung Nordafrikas das Christentum an. Die Kirchensprache war lateinisch. Auf diesen Umstand wird es zurückzuführen sein, daß das Christentum in den Sitten und Gebräuchen der freien und einfachen Masiren außerhalb der Städte so wenig Spuren hinterlassen hat
Die Überlegenheit der römischen Kultur war erdrückend. Noch heute benutzen viele Masiren den Julianischen Kalender und lateinische Monatsnamen für ihr landwirtschaftliches Jahr. Tamazight enthält manch eine entlehnte lateinische Vokabel. Der Eindruck, den die Römer in ihren afrikanischen Provinzen hinterließen, hat sich bei den Masiren so tief eingegraben, daß sie noch heute die Europäer gemeinhin als Irumiyen “Römer” bezeichnen.
Allerdings beschränkte sich der politisch-militärische Einfluß Roms auf die küstennahen Gebiete zwischen Tingis und Ad Abilem, Sala und Volubilis. Es war ein Gebiet der fruchtbaren Ebenen. Die Unabhängigkeit der Völker des Atlas, des Rif und der Sahara war hingegen nie ernsthaft gefährdet. Zu Zeiten des römischen Kaisers Marc Aurel hatten die Rif-Bewohner den Dauerkrieg sogar auf die Iberische Halbinsel hinübergetragen.
In der Mitte des 3. Jahrhunderts begann der Niedergang des Römischen Reichs. In den Jahren 242 bis 262 erschütterten Erhebungen in der Kabylei und im Aurès (Algerien) die römische Herrschaft in Nordafrika. Die Verkehrsverbindungen zwischen Tingitana und dem übrigen römischen Afrika waren schwierig geworden, denn die von Karthago ausgehende Militärstraße endete im Westen bei Caesarea. Weiterreisende mußten den Seeweg wählen und stießen erst bei Tingis oder Ad Abilem auf eine sichere Straße. Ende des 3. Jahrhunderts umfaßte Tingitana nur noch ein winziges Gebiet um Tanger. Die wichtigsten Siedlungskolonien waren auf das Küstengebiet gegenüber von Gibraltar begrenzt.
Der Rebellenführer Takfarinas
Die jahrhundertelange Vorherrschaft Roms über Nordafrika war von Anfang an nicht unangefochten. In den Jahren 17 bis 24 scharte der Masire Takfarinas, ein desertierter römischer Soldat, eine Armee um sich und erhob sich gegen die Fremdherrschaft. Der Sohn Jubas II., Ptolemaios, half den Römern, den Aufstand niederzuschlagen. Doch Takfarinas hatte es immerhin verstanden, die Truppen den Weltmacht sieben Jahre lang von Tripolitanien bis Marokko in Schach zu halten.
Masiren führen das Römische Reich
193 gelang es dem Masiren Septimus Severus, den römischen Kaiserthron zu erklimmen. Er stammt aus den Reihen masirischer Soldaten. Septimus Severus, der wegen seines starken masirischen Akzents heimlich verspottet wurde, war nicht nur ein eiserner Krieger, sondern reformierte das römische Rechts- und Verkehrswesen und trieb überall im Reich den Städtebau erfolgreich voran.
Dessen Sohn und Nachfolger Caracalla war wie sein Vater dafür bekannt, daß er sich am Hofe ausschließlich mit Landsleuten umgab. Sie vertrauten sonst niemandem und verachteten die Prunk- und Privilegiensucht des römischen Adels. Allerdings war niemand von ihnen selbstbewußt genug, in der Öffentlichkeit als Masire aufzutreten.
Caracalla starb 217 durch die Hand eines gedungenen Mörders. Der Auftraggeber war ebenfalls ein “Mauri” und hieß Macrinus. Dieser ließ sich daraufhin zum römischen Kaiser ausrufen. Seine Amtszeit währte nur kurze Zeit, nachdem auch er gemeuchelt wurde. Mit ihm verschwanden die Masiren wieder aus dem Zentrum der römischen Macht.
Ein Zeitgenosse von Septimus Severus war der berühmte Masire Tertullian, einer der bedeutendsten Schriftsteller und Theologen seiner Zeit.
Im Jahre 360 kam Tagaste (heute Algerien) ein Masire zur Welt, der sich tief in das Bewußtsein der Nachwelt einprägen sollte: der “Kirchenvater” Augustinus. Seine philosophischen Schriften erregten bereits zu seinen Lebzeiten ungeheures Aufsehen.
Die Masiren und die Alten Germanen
Als Augustinus 430 starb, stand das Imperium Romanum kurz vor seinem Zusammenbruch. Germanische Horden plünderten die Hauptstadt. Der wüste Germanenstamm schickte sich an, mit 80.000 Mann von Gadira (Cadiz) aus nach Nordafrika überzusetzen. Sie waren in ihrer Urheimat zwischen Warthe und Oder (heute Polen) dem Druck der Hunnen ausgewichen und hatten 406 den Rhein überschritten. Sie hatten Gallien durchquert und waren 409 in Spanien eingefallen. Dort gerieten sie unter den Druck der Westgoten und zogen südwärts. Seitdem heißt der Süden Spaniens “Andalusien” (von ursprünglich “Vandalusien”). Im Mai 429 landeten sie in Nordafrika an einem Ort unweit des heutigen Algier. Sie vernichteten die Römer und zogen brandschatzend Richtung Westen durch die blühenden Landschaften der nordafrikanischen Küste.
439 gründeten die Vandalen unter ihrem Führer Geiserich ein germanisches Reich mit Karthago als Residenz, in dessen Umkreis sie sich niederließen.
455 eroberten die Vandalen von Nordafrika aus Sardinien, Korsika und Sizilien und plünderten Rom. Doch nach dem Tode Geiserichs 477 gerieten die Vandalen zunehmend in Schwierigkeiten. Die katholische Bevölkerung in den Städten war den arianischen Vandalen von Anfang an feindlich gesonnen. Als eine Hungersnot über das Land hereinbrach, erhob sich die Bevölkerung endlich. Zur gleichen Zeit führten Masiren aus dem Aurès vernichtende Kriegszüge gegen das Vandalenreich.
Der Einfall der Barbaren hatte das Römische Reich erschüttert. Es wurde in eine weströmische und eine oströmische Hälfte aufgeteilt. In Nordafrika verlief die Trennlinie entlang der Grenze zwischen Tripolitanien und der Kyrenaika. Der weströmische Teil samt der Stadt Rom war den Barbaren anheimgefallen.
Justinian, Kaiser der Oströmer (später “Byzantiner”), entsandte 534 seinen berühmten Feldherrn Belisar nach Afrika, um dort die römische Herrschaft wieder herzustellen. Er bereitete den Vandalen den Untergang.
Karthago wurde wieder von den Römern kontrolliert, doch im Westen war bis auf Tingis (heute Tanger), Septa (heute Ceuta) und einen schmalen Küstenstreifen um Caesarea (Cherchell) Mauretanien für die Römer endgültig verlorengegangen.
Nach der Vertreibung der Vandalen war die römische Macht in Nordafrika wieder präsent. Doch die Macht der Byzantiner war längst nicht so gefestigt wie zu Zeiten der Alten Römer. In den umliegenden Gebieten Karthagos waren masirische Stämme eingebrochen, und der Tag schien absehbar, an dem die Masiren ihre Urheimat zur Gänze zurückerobern würden.


Fortsetzung: Die Ankunft der Araber


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