Interessant, was Todenhöfer zu der Thematik äußert. Im Prinzip das Selbe wie Najib sagt...



"Liebe Freunde,
über Ägypten, das ich in den letzen zweieinhalb Jahren über 10 Mal besucht habe, wird zur Zeit viel Unsinn geredet. Daher einige persönliche Gedanken:

1. Der Militärputsch war antidemokratisch und rechtswidrig. Die Regierung des Präsidenten Mursi war auf vier Jahre demokratisch gewählt. Dass sie nicht immer klug regiert hat, hat sie mit vielen Regierungen unserer Welt gemeinsam. Nirgendwo ist das eine Rechtfertigung für einen Putsch.

2. Bei dem ägyptischen Militär-Putsch handelt es sich historisch um eine "Konterrevolution" gegen die große friedliche Revolution von 2011. Das durch die gewaltfreie Revolution und dann durch freie Wahlen vertriebene alte System und ihre Kader wollen ihre Macht und ihre Pfründen zurück. Es geht nicht um "Säkularismus gegen Islamismus", sondern nur um Macht und Geld.

3. Die Behauptung, die ägyptischen Muslimbrüder seien Extremisten und Terroristen, die einen Gottesstaat anstrebten, zeigt die Unehrlichkeit der Putschisten und die Ignoranz einiger westlicher Politiker. Im breiten Spektrum muslimischer Bewegungen gehört die ägyptische Muslimbruderschaft zu den gemäßigten, sozialen und Gewalt ausdrücklich ablehnenden Bewegungen.

4. Für die Gewalt in Ägypten tragen die Putschisten die Verantwortung. Selbst Teile der angeblichen "Gegengewalt" gehen auf ihr Konto. "Baltagiyas" genannte Schlägertrupps morden und plündern im Sold und Auftrag der Putschisten, um diese Taten anschließend der Muslimbruderschaft in die Schuhe schieben zu können. Die Video-Journalistin Julia Leeb und ich wurden 2012, am Jahrestag der Revolution, auf dem Tahrirplatz selbst Opfer dieser brutalen Schläger des alten Regimes.

Beim Putsch des Militärs im Algerien der 90er Jahre ließ das Militär ganze Dörfer auslöschen, um anschließend erbarmungslos gegen die bei den Wahlen erfolgreichen islamischen Bewegungen vorgehen zu können. Geschichtlich ist diese perverse Strategie der "agents provocateurs" inzwischen unstreitig.

5. Als Demokraten sollten wir fordern, dass Präsident Mursi und alle anderen politischen Gefangenen sofort freigelassen werden. Und dass das ägyptische Volk - und sonst niemand - über die weitere Zukunft des Landes bestimmt. Es sollte in einer freien Wahl entscheiden können, ob es von Präsident Mursi oder von General Sisi geführt werden will.

6. Solange die ägyptische Muslimbruderschaft auf Gewalt verzichtet, werde ich mich immer für ihre Rechte einsetzen- obwohl ich als Ägypter wahrscheinlich andere Parteien als ihre " Freiheits- und Gerechtigkeitspartei" wählen würde. Aber als Demokrat respektiere ich demokratische Entscheidungen.

7. Der Weg zu einer stabilen Demokratie wird auch in Ägypten lang sein. Frankreich brauchte nach der französischen Revolution 80 blutige Jahre, über 70 Kurzzeit-Präsidenten, mehrere Direktorate und Konsulate, zwei Kaiser und einen König, bis es endlich eine richtige Demokratie wurde. Die westlichen Kommentatoren, die jetzt über die angebliche Unfähigkeit der muslimischen Welt zur Demokratie schwadronieren, täten gut daran, erst einmal die Geschichte Europas zu studieren, bevor sie andere Kulturen herabsetzen. Auch in Deutschland war der Weg zu einer stabilen Demokratie lang und blutig. Demokraten sollten sich davon nicht entmutigen lassen..

Euer JT"


Quelle: https://www.facebook.com/JuergenTodenhoefer/posts/10151601915970838