Hallo Josi!
Du hast recht: mir fehlt absolut das notwendige Hintergrundwissen, um differenziert genug die Situation zu beurteilen. Ich habe aber auch nicht den Anspruch erhoben, meine Meinung als Wissen auszugeben. Auch wenn ich nicht optimal informiert bin, versuche ich, mir darüber Gedanken zu machen. Und selbstverständlich befähigt mich nicht mein Muslima-Sein dazu, fundiert zu urteilen. Wüsste auch nicht, an welcher Stelle ich dies behauptet hätte. Mein Muslima-Sein habe ich in Bezug auf Thomas erwähnt, der davon wohl ausgeht, dass Muslime nicht objektiv sein können und
automatisch und ohne nachzudenken mit islamischen Parteien sympathisieren.
Aber auch hier "soll, darf, kann" nicht die Muslimbrüder und auch nicht das Militär an die Macht. Warum das Militär nicht an die Macht soll, erklärt sich von selbst, bei den Muslimbrüdern wird differenziert: "weil in Ägypten nicht nur Muslime leben". Das verstehe ich nicht: in Deutschland soll keine christliche Partei an die Macht (und schon gar keine Pfarrer sich zur Wahl stellen? Oder Pfarrerstöchter?), weil in Deutschland nicht nur Christen leben? Soweit ich Zahlen gesehen habe, haben alleine in München mehr als 40% der Bevölkerung einen Migrationshintergrund - oft genug einen muslimischen. Was würde das im Umkehrschluß für unsere zur Wahl stehenden Parteien bedeuten?
Ehrlich gesagt, hätte ich sehr große Bedenken, wenn in DE oder AT eine Partei an die Macht käme, die sich die Christen-Brüder (oder Schwestern) nennen würden. Im Umkehrschluss heisst das nicht, dass kein Pfarrer (oder eben kein Muslim) zur Wahl stehen solle, aber wenn sich eine Partei explizit als religiös bezeichnet und begreift, sehe ich das kritisch, sofern in einem Land Minderheiten leben, die einer anderen Religion angehören. Demokratien haben den Anspruch gerecht zu sein und auch ich bin für demokratische Verfahren, allerdings bringen diese leider auch regelmäßig mit, dass eben nicht allen damit gerecht werden kann. Wenn nun in Deutschland oder Österreich eine Partei mehrheitlich gewählt werden würde, die sich klar als Christen-Partei ausgibt, dann hätte ich (trotz der Berechtigung aufgrund der demokratischen Wahlen) große Bedenken, was mit den muslimischen (und anderen) Minderheiten passieren würde. Gerade die Minderheiten sind es, die nicht genug gehört und benachteiligt werden!
Und das ist keine rethorische Frage: mich interessiert wirklich, wie Du Dir das praktisch auf Deutschland (Österreich, Schweiz) übertragen vorstellen würdest. Abgesehen davon, daß ich nicht weiß woher Du Dein (sicheres) Wissen über die Muslimbrüder beziehst: sonst würdest Du kaum kategorisch davon abraten, daß beide nicht an die Macht kommen sollten - das Militär nicht und die Muslimbrüder auch nicht. Die Muslimbrüder haben immerhin den Vorteil, daß sie demokratisch gewählt sind - was ja hier Konsens ist, daß es das einzig seeligmachende Modell ist, das auch auf lange Sicht Wohlstand und Frieden verspricht.
Das weiß ich auch nicht, wie das praktisch ausschauen würde. Demokratien dafür umzuwerfen halte ich natürlich auch nicht für eine Lösung. Bedenken, ob eine Partei, trotz demokratischen Wahlen, geeignet sein könnte, darf man dennoch haben. Übrigens habe ich nie behauptet, dass ich ein sicheres Wissen über die "Muslimbrüder" besitze. Worin meine Bedenken bestehen, habe ich schon geäußert, nämlich dass in Ägypten nicht-muslimische Minderheiten leben, die schon aufgrund dessen, dass sie Minderheiten sind, durch die Wahl einer islamische Partei benachteiligt sein würden,da diese ja gar keine Chance haben, ihre Stimmen durchzusetzen, weil sie eben in der Minderheit sind. Das selbe wäre in deutschsprachigen Ländern der Fall, wenn eine christliche Partei gewählt werden würde: die muslimische Minderheit würde durch das demokratische Verfahren überrollt werden. Natürlich könnte es sein, dass die unter diesen Bedingungen auch ihre Rechte behalten. Ich bezweifle aber eher, dass sich eine Partei, die sich explizit als Christliche Partei versteht, den Muslimen alle Rechte und Privilegien einräumen würde...
Ich persönlich denke halt, dass besser eine Partei regiert, die sich nicht als religiöse Partei versteht, sofern ein Land nicht Mono-Religiös ist.
Ich habe aber nie behauptet, dass ich oder der Westen isngesamt, wissen würde, soll und darf, was das Beste für Ägypten ist. im Gegenteil:
"Der Westen sollte dabei aber auch nicht direkt eingreifen, die Ägypter selbst sind gegen eine Intervention des Westens. Die müssen das selbst regeln. Wenn der Westen sich da einmischt, ist auch nur Schlimmes zu befürchten. Allerdings sollte der Westen m.E. sehr wohl die Militärhilfe für Ägypten einstellen!"
Nachdenken darf man aber dennoch...
Außer man hat natürlich einen eigenen, besonderen Zugang: ich denke den hat beispielsweise eine Deiner Vormoderatorinnen, Muriel Ibrahim-Brunswig: sie war/ist mit einem Ägypter verheiratet und lebt in Ägypten - wenn ich mich nicht irre und sie ist noch Mitglied in diesem Forum.
Wenn sie hier sagen würde: diese Mist-Muslim-Brüder gehören von vorneherein verboten (wie bei uns unzählige Male die NPD verboten werden sollte und es dafür einen rechtsstaatlichen Weg gibt) - dann würde ich mich nicht wundern. Es könnte sogar sein, daß sie zum selben Schluß kommt wie Du (und ich höchstwahrscheinlich auch):
Manchmal verstehe ich nicht, was du einem sagen willst, Josi. Willst du sagen, dass ich nicht nachdenken und meine Überlegnungen äußern darf, weil ich keine Ägyptenexpertin bin und besser schweigen soll, weil ich kein fundiertes Hintergrundwissen besitze oder soll ich mich
als Moderatorin zurückhalten solange ich nicht gut genug informiert bin oder ist es doch (wieder einmal) ein Hinweis darauf, dass besser jemand anderer anstelle von mir die Moderation übernehmen soll?
Schöne Grüße,
Jasmin
PS: mit Psychoanalyse oder -logie habe ich nur wenig bis gar nichts am Hut