Ich gebe es zu:

ich poste so lange, was ich gelesen habe, weiß, wo es in meinem Bücherschrank zu finden ist oder mir ein Geistesblitz erscheint (das Hirn strengt sich an, pustet alle Kanäle durch und verlötet sich neu, dabei bekämpft es Altsheimer, Verblödung und Autismus zu je einem Drittel) bis hier einer bei Youssef den Antrag stellt, daß ich gesperrt werden soll, weil ich zu oft auf den Bildungskanon der westlichen Welt verweise - mit dem Hinweis, daß er in nichts dem der arabischen Welt nachsteht.



Das möchte man nun wirklich nicht hören (man ist dagegen, weil es von mir kommt - also lupenreiner Rassismus), sondern will per Dekret durchsetzen ("wo bleibt hier eigentlich der Moderator?!"), daß hier ausschließlich von 1.000.000 Daumen hoch ausgezeichnete soziale Netzwerke gepostet werden dürfen: "Freßt Schaiße, Milliarden Fliegen können sich nicht irren" (Klaus Staeck, Plakate).

Und damit es auch nicht langweilig wird noch etwas zu Nietzsche, Stendhal und Dostojewski: dort sind wir doch stehengeblieben, bevor ich in den Münchner Hofgarten ausgegangen bin (31 Grad, Luftfeuchtigkeit 19 %): wer sich jetzt noch aufregen will, der drückt ganz einfach NICHT den Ignorierbutton - beschwert sich dann aber auch NICHT, was er gelesen hat.

Auszug aus Stendhals "Über die Liebe", 55. Kapitel "Arabien".



(Die Darus (Stendhals) gehörten zur näheren Umgebung Napoleon Bonapartes und partizipierten an dessen fulminantem Aufstieg zum Herrscher von ganz Mitteleuropa. Als ihr Verwandter und Protégé profitierte auch Stendhal. Dabei lernte er als Adjutant eines Generals das Land, insbesondere die Stadt Mailand, von der besten Seite kennen und entwickelte sich zum Liebhaber italienischer Kunst, Musik und Lebensart).


"...wenn wir einen Vergleich zwischen uns und den Arabern ziehen, wird der prosaische Mensch in seinem Hochmut mitleidig lächeln. Unsere Künste sind den ihren unendlich überlegen, unsere Gesetze scheinbar noch mehr; doch ich zweifle, daß wir sie in der Kusnt des häuslichen Glückes übertreffen: es hat uns immer an ehrlichem Glauben und an Einfachheit gefehlt.

Unter dem schwärzlichen Zelt des arabischen Beduinen muß man das Urbild und die Heimat der wahren Liebe suchen. In Arabien wie anderwärts haben die Einsamkeit und ein schönes Klima die edelste der Leidenschaften des Menschenherzens entstehen lassen, jene Leidenschaft, die nur Glück empfindet, wenn sie es im selben Maße schenkt, wie sie es fühlt.

Damit die Liebe das hervorbringt, was sie über das Menschenherz vermag, mußte zwischen der Geliebten und ihrem Liebhaber soweit wie möglich Gleichheit hergestellt werden. Diese Gleichheit besteht in unserem traurigen Okzident bei weithin nicht; eine verlassene Frau ist unglücklich oder entehrt. Unter dem Zelt des Arabers jedoch kann die einmal versprochene Treue nicht gebrochen werden; Verachtung und Tod folgen diesem Verbrechen auf dem Fuße. Die Großmut ist diesem Volke so heilig, daß man stehlen darf, um zu schenken. Übrigens sind Gefahren dort etwas Alltägliches, und das ganze Leben rollt sozusagen in einer leidenschaftlichen Einsamkeit ab. Nichts ist bei dem Bewohner der Wüste dem Wechsel unterworfen; da ist alles ewig und bewegungslos.

Man sieht, daß dem Orient gegenüber wir die Barbaren waren, als wir aufbrachen, durch unsere Kreuzzüge dort Unfrieden zu stiften. Daher verdanken wir alles Edle unserer Sitten den Kreuzzügen und den Mauren Spaniens...
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Kleine Kostprobe zu den Deutschen (dann aber bitte das Buch selbst kaufen und selbst lesen!):

"...Über die deutsche Liebe..."

Wenn der Italiener, immer zwischen Haß und Liebe hin und her gerissen, von Leidenschaften lebt und der Franzose von der Eitelkeit, so leben die guten einfältigen Nachkommen der alten Germanen von der Phantasie. Kaum sind sie den unmittelbarsten und für ihr Dasein allernötigsten gesellschaftlichen Interessen gerecht geworden, so stürzen sie sich, wie man voller Erstaunen sieht, in das, was sie ihre Philosophie nennen - eine Art sanfter, liebenswürdiger Tollheit, der es vor allen Dingen an Galle fehlt.

Unterschied zwischen den Deutschen und allen anderen Völkern: sie erregen sich beim Nachdenken, anstatt sich dabei zu beruhigen. Zweite Besonderheit: sie sterben vor Begier, Charakter zu haben. Ich glaube, daß sie von ihrem Mittelalter nicht die republikanische Gesinnung, das Mißtrauen und den Dolchstoß geerbt haben wie die Italiener, sondern eine starke Anlage zur Begeisterung und zum ehrlichen Glauben.

Deswegen haben sie alle zehn Jahre einen neuen großen Mann, der alle anderen in den Schatten stellt....
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Wir erinnern uns, der gute Nietzsche (hier nicht von mir in die Diskussion eingebracht) hat außer Dostojewski nur noch Stendhal gelten lassen.

Zum Schluß:

Jeder, der hier dauernervt, herumtrollt, beleidigt, stalkt und versucht eine eigene Meinung durch Präpotenz und Hetzparolen zu ersetzen, kann sich genausogut wie ich in den Pausen seines Lebens auf das Klo verfügen und dort den Stapel Bücher weiterlesen, die er schon immer mal lesen wollte: wenn dort der Stürmer liegt, die BILD oder Gala - dann hat man eben die Arschkarte gezogen (nichts gegen GALA!). Es ist jedoch nie zu spät, die Zeit, die man zugemessen bekommen hat, auch sinnvoll zu nutzen.


Josi

P.S.: wer das Bild ganz oben unmotiviert mitten drin stehend findet, es fand sich bei Wikipedias Stendhal-Eintrag und stellt einer der bewundernswertesten tapferen, unerschrockenen Frauen dar, die die Weltgeschichte kennt: Judith mit dem Haupt des Holofernes.

Ein Motto, das, wenn es Stendhal recht war, mir billig ist.