Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in Marokko hat die gemässigt islamistische Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (PJD) den Sieg davongetragen. Die Partei konnte laut vorläufigem Ergebnis 80 von 395 Sitzen erringen, deutlich mehr als jede andere Partei, wie Innenminister Taib Cherkaoui am Samstag sagte.

Die Unabhängigkeitspartei (Istiqlal) von Ministerpräsident Abbas al-Fassi landete mit 45 Sitzen auf dem zweiten Platz. Die dem Königshaus nahestehenden liberalen Parteien RNI und PAM kommen auf 38 beziehungsweise 33 Sitze, wie Cherkaoui sagte. Er betonte, dass es sich lediglich um "vorläufige, nicht um endgültige" Ergebnisse handle. Die Wahlen seien transparent und frei verlaufen.
Die Wahlbeteiligung lag demnach bei 45,4 Prozent, höher als 2007 (37 Prozent), aber niedriger als 2002 (knapp 52 Prozent). Mit Endergebnissen wurde nicht vor Sonntagnachmittag gerechnet.

PJD-Chef Abdelilah Benkirane dankte den Marokkanern. "Wir können nur zufrieden sein", sagte er. Die PJD hatte bereits vor Verkündung des Ergebnisses erklärt, den Urnengang gewonnen zu haben. Der Vorsitzende der PJD-Parlamentsfraktion, Lahcen Daoudi, sagte der Nachrichtenagentur AFP, bisher vorliegenden Zahlen zufolge werde seine Partei "mehr als hundert" Mandate erringen.

Es war damit gerechnet worden, dass keine Partei eine absolute Mehrheit erreichen würde und dass daher die Bildung einer Koalitionsregierung nötig sein wird. König Mohammed VI. ist nach einer Verfassungsänderung vom Sommer erstmals verpflichtet, den Regierungschef aus den Reihen der Partei mit den meisten Stimmen zu ernennen.

PJD-Chef Benkirane sagte AFP zeitgleich mit der Verkündung des Wahlergebnisses, seine Partei sei bereit, mit anderen Parteien Verhandlungen über eine Koalitionsregierung aufzunehmen.
Zuvor hatte er dem französischen Fernsehsender France 24 gesagt, Grundlage einer künftigen Regierungsarbeit seien "Demokratie und gute Regierungsführung". "Von nun an werden die Marokkaner das Gefühl haben, dass der Staat für sie da ist, und nicht umgekehrt."
Rund 13,5 Millionen Stimmberechtigte waren bei der vorgezogenen Neuwahl des Parlaments zu den Urnen gerufen worden, sie konnten sich zwischen 31 Parteien entscheiden.