Hallo Najib,

manchmal beschleicht mich das bedrückende Gefühl - wenn ich dieses hartnäckige Nachbohren von Deutschen nach einem einfach auszulegenden Sinn im Koran mitverfolge - daß es sich in Wirklichkeit gar nicht um ein "Anprangern" handelt, sondern um das Gegenteil: man ist wütend, weil der Koran so rätselhaft ist, so gar nicht als "Gebrauchsanweisung" zu benützen (Frechheit!!!). Das ist der deutschen Befindlichkeit geschuldet, die aus dem Protestantismus gewöhnt ist, alles verständlich und in deutsch vorgekaut zu bekommen ("die Woche zwier schadet weder ihm noch ihr"). Wie man ja überhaupt auf den Protestantismus schauen muß, will man dieses speziell deutsche "Sünde! Sünde! Sünde!" Geschrei hier im Forum verstehen* - katholisch jedenfalls ist dieses Eifern eher nicht.

Der Koran ist aber keine Gebrauchsanweisung, er ist mehr eine Komposition, die wir uns ERHÖREN als sie uns ANLESEN sollten (wie wir ja auch nur im äussersten Notfall ein Notenblatt von Händel oder Bach lesen würden, um den Messias oder die Brandenburger Konzerte zu verstehen): und wie Bach und Händel wird der Koran seit Jahrhunderten von Abermilliarden Menschen auch unmittelbar verstanden. Dies auch deshalb, weil er mit einem Sinn begriffen wird, der nicht der visuelle Sinn ist und nicht der Verstand, sondern der unendlich viel feinere und differenziertere Hörsinn: mit seinem direkten Zugang zur Seele und zum Herzen eines Menschen. Der Koran ist (auch) Musik.

Ein Hallelujah! von Bach sagt mehr über Gott als jeder Gottesdienst - auf ebendiese Weise kann, soll und muß man sich auch dem Koran nähern (und erst dann geht man in ein Forum und nervt andere mit seiner Taubheit):



Wie Najib schon einmal hier geschrieben hat, kann man einem Tauben nicht erklären, was Hören ist: trotzdem lesen sich die beiden Predigten von Najib sehr schlicht und sehr schön.

Josi

*es gibt auch Überidentifizierte (marokkanische Deutsche): ein Thema für einen Extra-Thread.