Ja, das alles kommt mir sehr vertraut vor: im übrigen waren es schon damals sehr lehrreiche und sehr informative Diskussionen, die ihr drei Marokkaner hier miteinander geführt habt (Abid, JM und Du).
Was ich von Abid gelernt habe:
daß man in Marokko selbst kaum unterscheidet zwischen Arabern, Berbern, Masiren etc., sondern alle mit allen auskommen (wollen). Ich habe in den letzten 4 Jahren für ein marokkanisches Ministerium gearbeitet und war viel in den Bergen in und um Marrakesch unterwegs: mal mit Hochoffiziellen, mal nur mit meinem Mann bewaffnet, der mich jedesmal legitimiert hat als einen Vertreter der Interessen des "einfachen" Mannes. Gleichwohl gab es auch Delegationen (deutsche vor allem, aber auch algerische und/oder amerikanisch/kanadische), die sofort nach dem Händewaschen und noch vor dem Essen das Thema auf die unterdrückte Volksgruppe der Berber in Marokko bringen wollten.
Egal ob sehr einfacher Potteriescheibendreher oder hoher Beamter: jedesmal sind die Gesichter auf allen Seiten kalt und leer geworden und es wurde die Formel gesprochen "das ist kein Thema bei uns, das spielt in Marokko keine Rolle". Das kann natürlich auch damit zusammenhängen, daß es sowieso sehr unhöflich ist ohne Umschweife auf die noralgischen Punkte einer Nationalität zu sprechen zu kommen. Wahrscheinlich fände es noch nichtmal Guido Westerwelle lustig, wenn er von einem arabischen Potentaten gefragt würde, was der kürzeste deutsche Witz wäre und als Antwort käme wiehernd "Auschwitz" - da würde vielleicht sogar das Gesicht von Herrn Westerwelle erstarren ("Deutschland ist ein Volk, wo man gerne lebt").
JMs wohlüberlegte Analysen vermisse ich sehr
Wie der alte Thread zeigt, hat sich JM immer sehr intensiv mit einem Thema auseinandergesetzt und konnte - viel fundierter als ich, viel weniger emotional und viel gerechter - den "belesenen" Forumsmitgliedern (vor denen ein Marokkaner gerne auch mal in die Knie geht, weil er glaubt, er wäre weniger "belesen" - angefangen von Telquel über die NZZ zu ARTE) ohne wenn und aber Paroli bieten: nie ist er dabei entgleist, nie hat er jemanden beleidigt und nie ist ihm irgendeine "Fälschung" unterlaufen, auch nicht in der Hitze des Gefechtes. Keine Ahnung was ihn vertrieben hat: ich hoffe nicht, daß ich es war.
Was mir seinerzeit an diesem Thread auch sehr gefallen hat: der Hinweis von Abid, daß der König wegen seiner Schüchternheit so beliebt ist in Marokko. Übrigens hat der König kürzlich irgendwelche Journalisten abstrafen lassen, weil sie in Marokko eine Umfrage über seine Beliebtheit (bzw. die seiner Familie) initiiert hatten: sie wurden abgestraft, OBWOHL die Ergebnisse ausgesprochen positiv für ihn ausgefallen waren.
Damit steht er weltweit wohl allein (entweder mit der Entschlossenheit niemals Gegenstand der yellow press zu werden oder aber mit seiner Schüchternheit - man würde sich wünschen, man würde auch von anderen Celebrities weniger wissen).
Und nun Du:
wenigstens ist ein Marokkaner übriggeblieben, der sich nicht hat verschrecken lassen. Du hast gepostet, Du wärest zur Hälfte Marokkaner: ich könnte ja selbst mal nachlesen, was die andere Hälfte ist - ich glaube, ich kann mich aber erinnern. Nicht nötig, es nochmal zu posten, nur soviel: das mit dem Innen- und dem Außenverhältnis kenne ich von meiner ersten bi-nationalen Ehe sehr gut - auch die Predigten, wenn wir im Land (Kroatien) selbst waren und die diametral andere Haltung, wenn wir zurück in Deutschland waren...
Daniel Bahremboim hat mal sehr schön in einem Interview gesagt, daß er ein energischer Vertreter von vielen Identitäten ist: wenn er in Israel ist, ist er Jude, wenn er in Palästina ist, ist er Palästinenser (er besitzt beide Pässe und etliche andere dazu), wenn er auf der Bühne steht, ist er Dirigent und oft passt keine Identität zur anderen bzw. sie ist nur zum jeweiligen Zeitpunkt wahr und richtig.
Angst muß man vor denen haben, die nur eine einzige Identität haben und immer wissen, wer sie sind.
Josi