Das Rif

Wenn mich jemand frägt, wie das Rif wäre, dann sage ich immer: wie die Schweiz, nur mit Meer.

Was mich an der Schweiz immer gestört hat, ist, daß man nirgendwo die Nähe irgendeines Meeres spüren kann: das befördert bei mir Klaustrophie und ich denke es befördert auch Engstirnigkeit, Eigenliebe und Selbstgerechtigkeit bei den Bewohnern selbst - das Meer relativiert den eigenen Standpunkt immer wieder auf eine sehr gesunde Weise - auch wenn es sich in einer Entfernung von 1 Stunde befindet, was ja die klassische Entfernung für ganz Marokko ist bei 3000 km Küste.

Antwort auf:
Südfrankreich wär mein ideales Gebiet um im Alter zu leben und zwar ca. im Languedoc.Oder an einem See in den Cevennen -dem Lac du Salagou.


Ja, dort war ich jetzt im Sommer auf dem Rückweg von meiner Tochter, die in Spanien lebt: wir sind nicht geflogen, sondern mit dem Bus durch ganz Europa gebummelt und sind dann in Südfrankreich jeweils für mehrere Tage "hängengeblieben". Ich habe auch in jungen Jahren jedes Jahr mehrmals Frankreich bereist mit derselben Intensität wie seit 10 Jahren Marokko: Südfrankreich hat weder gelitten, noch sich verändert, noch ist es in irgendeiner Weise verführbar - es ist und bleibt Südfrankreich - großartig, wunderbar, hell, licht und trotzdem ist uns in Beziers dann auch agressive Ablehnung begegnet, die kurz vor dem absolut nicht mehr hinnehmbaren Affront war: weil wir Deutsche sind.

Da waren wir platt, weil wir in unserer Konstellation eigentlich immer auf ungeteilte Sympathie stossen und hier war es nicht so: das ist auch Südfrankreich und das sollte man nicht unterschätzen.

Wo im Alter leben?

Ich wüsste übrigens nicht, liebe Mogador, warum Südfrankreich teurer sein soll als das Kraichgau: an Heilbronn und Umgebung hat mich immer erstaunt, wie teuer das Leben in einer derart verunstalteten (vom Krieg für immer gezeichneten) Stadt ist. Noch mehr hat mich erstaunt, wie fatalistisch die Menschen, die dort leben, diese Hässlichkeit hinnehmen: sobald man die Stadt Richtung Bad Wimpfen und Neckarsulm verlässt stehen überall drohende Mordor-Atommeiler Kühltürme in der Landschaft und beobachten alles und jeden aus blinkenden roten Augen, die auch nachts niemals geschlossen bleiben. Und wenn man Richtung Weinsberg, Bad Rappenau aus der Stadt fährt sind es die Autobahnbrücken, die jede Lieblichkeit überspannen und zunichte machen. Es gelingt einem praktisch nie, sich zu entspannen und in der Landschaft Trost zu finden: von den Ethernitplattenhäusern, den leeren Dorfstrassen und den unseeligen Dorfkneipen ganz abgesehen, die bei einem Fremden den Eindruck hinterlassen, daß hier nicht nur kein Leben möglich ist, sondern es sich um Sibiriens verlorenstes Straflager handeln muß (nicht wirklich, aber fast).

Da könntest Du jederzeit leicht mit demselben Kapitaleinsatz in Südfrankreich existieren und wenn nicht dort, dann 20 km Luftlinie über die Grenze in einem der Bergdörfer in Ligurien, von denen es nach Nizza auch nur eine halbe Stunde ist. Leider ist auch dieses Auswandern nicht ganz ungetrübt: die vielen Male, die ich arbeitshalber in Ligurien war, haben mich jedesmal die Ausgewanderten angesprungen, weil sie so ausgehungert waren nach Kontakt und Ansprache, daß ich mir nicht mehr so recht vorstellen konnte, daß man dort wirklich glücklich wird..

Sidi Ifni

Von den 41 Wochen, die ich mit kleinen Kindern in Marokko war, sind mehr als 35 Wochen auf Sidi Ifni entfallen: je südlicher man kommt, desto authentischer wird Marokko, aber auch desto kärger. Man muß ein grosser Liebhaber dieser Kargheit sein (so man nicht zu dem dekadenten europäischen Künstler-Architekten-Kiffer-Designer-Grüppchen gehört, das sich im ersten Hotel am Platz trifft aufgehübscht von jungen Marokkanern jederlei Geschlechts), um in Sidi Ifni sich ein Haus zu kaufen und sich nicht zu fühlen wie ein Raumschiff in einem weitgehend leeren Universum. Ich habe dort Familienanschluß und bin süchtig nach Kargheit - die Kinder weniger, wie man sich denken kann.

Marokko ist und bleibt mit seiner Menschenfreundlichkeit, den guten Manieren, der Kultur und den niedrigen Preisen für mich trotz all der anderen Schönheiten dieser Welt die erste Adresse: und vom Rif ist es ja nur ein Katzensprung bis nach Südfrankreich.

Gute Idee, die mir da beim Schreiben gekommen ist.

Josi