Liebe Iman,

ein Klassenkamerad meiner Tochter hat eine Mutter aus einer der unteren Klassen geheiratet, ein Kind mit ihr bekommen, das jetzt in diesselbe Klasse wie das meiner Tochter geht und gleichzeitig hat die älteste Tochter (die sie mit in die Ehe gebracht hat) soeben Abitur gemacht: alle vier sind eine stimmige beneidenswert heitere und gelassene Familie. Niemand käme auf die Idee irgendeine Bemerkung zu machen: es liegt an Dir selbst und daran wie Du damit umgehst.

Grundsätzlich hat ein marokkanischer Mann schon in jungen Jahren sehr viel mehr Lebenserfahrung als ein gleichaltriger deutscher Mann: er hat sich um seine Mutter sorgen müssen, um seine Schwestern, um den Lebensunterhalt, den Familienzusammenhalt - und er hat alles mit angesehen, was bei uns irgendwohin abgeschoben wird: Geburten, Babies, Sterbende, Kranke und auch die Verrückten bleiben ja in den Familien und haben ein Auskommen. Und er hat gelernt sich in einem komplexen sozialen System zu bewegen: oft ist er also der "Ältere" auch in Beziehungen wo sie die Ältere ist.

Ältere Frauen und jüngere Männer in Europa

Ich habe hier einen dicken Schinken liegen "Frauen in der Geschichte des Rechts - Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart" - da gibt es jede Menge Ehen zwischen älteren Frauen und jüngeren Männern. Das waren in der Regel Witwen, Geschiedene oder Verlassene, die bereits einen Hausstand hatten und das Gesetz sah vor, daß sie innerhalb von 8 Monaten wieder verheiratet sein mussten: damit das funktioniert, hat die Familie was "drauflegen" müssen auf die neuerliche Aussteuer - je älter desto mehr (ein Haus, ein Handwerk, ein Grundstück) und je mehr Kinder desto mehr. Es fand sich immer einer, der sie dann zu dem Vorzugspreis genommen hat: in der Regel war das ein jüngerer Mann, der auf diese Weise die Chance bekommen hat, "nach oben" zu heiraten.

Das heißt auf die "tausende Fälle" von Heiratsschwindel und Scheinehen hier angewandt:

wenn eine europäische Frau einem jüngeren marokkanischen Mann zusätzlich zu ihrem Geist, ihrer Erfahrung, ihrem Langmut und ihrer Zuverlässigkeit auch noch etwas "drauflegen" kann - dann kann es funktionieren. Und es ist nicht ehrenrührig, sondern der ganz normale Gang der Dinge: ein marokkanischer Mann kann eine selbständige, selbstbewusste (Ehe)Frau nicht nur gut vertragen, er bewundert sie auch und lässt sie in aller Ruhe ihren Geschäften nachgehen. Ohne Zusammenbruch seines Selbstwertgefühles. Ich nehme mal an, so ähnlich war das früher in Europa auch: die Vorzüge einer bereits gesattelten Familie sind nicht von der Hand zu weisen und die Chance sich zu verbessern entschädigt für vieles.

Dasselbe Prinzip wurde auf die verlorene Jungfräulichkeit angewendet (noch im 20. Jahrhundert), wenn sie auf dem Eheversprechen hingegeben worden ist: es wurden Fix-Preise festgesetzt, die der Mann zu zahlen hatte, die dann ebenfalls auf die Aussteuer draufgesattelt wurden für den nächsten Bewerber. Der dann zwar ein "gebrauchtes Fahrrad" bekam, dafür aber reell und in Heller und Pfennig entschädigt wurde.

Ich wüsste nicht was daran falsch sein soll.

Josi