Hallo eThomas,

ich habe Deinen letzten - sehr langen - Blogeintrag gelesen. Nachdem ich hier mal damit angegeben habe, daß ich selbst auch in Poona gewesen bin, auch einmal für einen Tag mit einer Sanyassin als Mutprobe die Kleidung getauscht habe und mit einer Mala in München herumgelaufen bin, habe ich ja behauptet, daß DU kein Sanyassin gewesen sein kannst: weil ein Sanyassin nicht so verbohrt auf anderen herumhackt, wie Du es hier auf Muslime und den Islam tust.

Ich habe mich geirrt.

Du warst eindeutig Sanyassin und ich bin mir sogar sicher, daß ich Dich kenne, zumindest haben wir gemeinsame Schnittstellen und haben uns irgendwo zwischendrin in diesen wilden Jahren gekreuzt. Ich bin also sehr viel vorsichtiger geworden was meine Schnellurteile in Bezug auf Dich angeht und ich bin ein großer Liebhaber von gut geschriebenen, eigenen Geschichten wie man sie AUCH auf Deinem Blog finden kann, dazu aber später mehr.

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Antwort auf:
Die Verbindung mit Bhagwan-Bekehrten reißt nicht ab, scheint die Stabilste. Immerhin hat mich Bhagwan, der GröGaZ - Größter Guru aller Zeiten - am 2.2.1981 zu seinen Schülern bekehrt. Allerdings war die Schule schnell aus für mich, schon am 23. Oktober 1983 in Rajneeshpuram, Oregon, USA. Danke Bhagwan! Immerhin scheint sich mittlerweile eines zu klären: Mein Sektenname "Beautiful place of Bliss" erscheint mir dann am ehesten, wenn meine Augen sich in stiller Versenkung verschließen. Was dann zu sehen ist, das reicht mir auf meinem Weg "durchs Höllentor zur Himmelspforte".


Das hier steht auf Deinem Blog: und wenn Du es recht bedenkst, dann beschreibst Du hier die Grundzüge dessen, was jemandem passiert, der "erleuchtet" wird - wie es in Deiner Community seinerzeit ja immer hieß, oft auch sehr witzig unterlegt, gar nicht abgehoben, selbstironisch. Und Du beschreibst wie unglaublich fest der Kitt ist, der dabei unter den Menschen entsteht: ich kenne niemanden mehr, der auch heute noch mit einer Mala herumläuft - aber die, die ich noch kenne, haben die Grundzüge dessen, was sie damals für sich gelernt und entdeckt haben, nicht völlig verlernt. Sie sind menschlicher als die meisten Deutschen, zugewandter, mitfühlender, aufmerksamer und sie achten mehr auf sich selbst, verlagern nicht so schnell wie der normale Mensch ihre Unzulänglichkeiten auf andere: sie hinterfragen sich noch immer. Und weil Osho ja vor allem anderen ein großer Witzereißer war - so habe ich ihn erlebt, als unschlagbar witzig, umwerfend selbstironisch - haben sie zumindest auch das mitnehmen können: nicht alles immer nur bierernst zu nehmen, vor allem nicht sich selbst.

Btw: der Tag mit Mala und in roten Klamotten war der Horror, ich bin vollständig an die Grenzen dessen gekommen was ich mir über mich selbst vorgemacht habe: von Mut keine Spur mehr, Selbstbewußtsein auszustrahlen trotz eines unübersehbaren Stigmas, das allen anderen erlaubt hat, mich in Sekundenbruchteilen einzuordnen, mit einem Bild in Verbindung zu bringen, das nichts mit mir zu tun hat und auf diese Reaktionen mit heiterer Gelassenheit zu reagieren, wie ich es bei so vielen meiner Freunde gesehen hatte: das war mir menschenunmöglich, am Ende des Tages war ich fix und fertig und wollte nur noch in meine eigenen Klamotten und unsichtbar sein. Eine Erfahrung, die auch Kopftuchträgerinnen machen, wenn sie sich plötzlich verändern für ihre Familien oder die der Davidstern leisten sollte: man verschwindet als Person hinter dem, was der andere meint, daß man wäre: nichts Gutes auf jeden Fall.

Wenn ich das lese, mir anschaue wie Du sehr exakt beschreiben kannst und dann die pauschalen Ausfälle gegen den Islam und die muslimischen Gemeinden weltweit, dann frage ich mich, ob nicht doch zutrifft, was ich schon damals immer als Arbeitshypothese hatte bei all diesen Phänomenen: ist es nicht so, daß man damals als Mensch mit Herz und Verstand, als Nachkriegskind, um es exakt zu bezeichnen, entweder nur den politisch radikalen Weg gehen konnte. Oder aber man hat an dieser Kreuzung die Psychosektenszene gewählt: wozu jede nur denkbare Schule gehört, also auch der berühmte Reich, den Du auf Deinem Blog zitierst, Janov, Kalifornien, wer es sich leisten konnte und "Flüchten oder Standhalten".

Und die, die es richtig wissen wollten, die sind nach Poona und wurden Sanyassin.

Auch in Poona habe ich den Unterschied von den Konvertierten zu den "Natives" sehen können, der mich sehr daran erinnert, was wir im anderen Thread "Konvertiert aus Liebe?" diskutiert haben: besonders fanatisch waren auch hier die Deutschen - ausgelacht von Osho für ihren Wunsch nach strikten Regeln, locker haben es die Italiener genommen, verkrampft die Japaner und weltoffen experimentell die Amerikaner. Und gründet nicht dort irgendwo die Wut auf den Islam, die muslimische Gemeinde: daß sie nicht neu gegründet werden muß? Daß sie keine Sekte ist? Daß sie nicht sich selbst erst jeden Tag neu gegen den Widerstand des Restes der Welt erfinden muß? Daß die Regeln eingeübt sind, verinnerlicht, Gewohnheiten: daß ein Muslim in sich wohnen kann - denn Gewohnheit kommt von Wohnung - er also behaust ist.

Und wir als Deutsche eben gerade nicht?

Jedenfalls nicht unsere Generation - denn die ist es ja, die hier ständig um sich schlägt, die Jüngeren verstehen ja gar nicht, worum es da EIGENTLICH geht. Und bei allem Respekt: ich verstehe auch nicht, worum es DIR dabei geht.

Josi