Auf alten Pfaden durch das Kalifat

Die Schätze der Omayaden sind in der Residenzstadt Madinat al-Zahra bei Córdoba ausgestellt

Der Bronzehirsch war lange unterwegs, bis er wieder in Al- Andalus gelandet ist, das inzwischen Andalusien heißt. Seine Schöpfung wird auf eines der Jahre nach 936 geschätzt. Später führte ihn das Schicksal aus seinem Geburtsort Madinat al-Zahra bei Córdoba angeblich ins Kloster Guadalupe, danach verlor sich die Spur, bis die Figur 1997 bei Christie’s in London versteigert wurde. Für einen sagenhaften Preis genehmigte sich der Scheich von Katar das 56, 5 Zentimeter lange Prachtstück, das einst wohl als Wasserkanne verwendet wurde, und stellte es daheim am Persischen Golf ins Nationalmuseum. Nun glänzt die Skulptur mit dem offenen Maul und dem verzierten Körper für ein paar Monate dort, wo seine Odyssee einst begann.

Das teure Eisentier aus dem „Saal Abd al-Rahman III.“ zählt zu den Stars der Ausstellung „Die Pracht der cordobesischen Omayaden“. Es steht neben gleichermaßen raffinierten Öllämpchen, Parfümdosen, Armbändern, Münzen, Marmorschatullen oder Keramikgefässen. Sie alle zeigen, auf welchem Niveau sich ihre Schöpfer seinerzeit bewegt haben.

Die meisten der 300 Kunstwerke wurden bereits von 250000 Besuchern im Institut der Arabischen Welt von Paris bestaunt, aber dort lagen sie an einem fremden Ort. Hier dagegen sind viele von ihnen entstanden. Córdoba war zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert Mittelpunkt von Al-Andalus, dem arabischen Spanien, und die nahe gelegene Residenzstadt Madinat Al-Zahra vorübergehend das Zentrum der Macht. Unter Abd al-Rahman III., der sich von Damaskus abwandte, wuchs von 936 an auf 100 Hektar eine geometrisch exakt konstruierte Traumstadt, größer als Rom, Paris oder Toledo, und der abendländischen Kultur weit voraus. Die riesige Moschee soll binnen 48 Tagen fertig gestellt worden sein, noch schneller wurde die Metropolis allerdings 1010 von almoravidischen Berbern verwüstet. Die Neuentdeckung begann erst 900 Jahre später. Bis heute haben Archäologen nur zehn Prozent des ursprünglichen Areals freigelegt. Doch dank des Hirschen aus Katar und anderer Heimkehrer erwacht die staubige Ruine für fünf Monate zu neuem Leben.

Zur Eröffnung kam aus Madrid König Juan Carlos I. in die Ausgrabungsstätte, und er brachte einen weiteren Ehrengast mit: Baschar al- Assad, den jungen Staatspräsidenten Syriens. Aus dessen Heimat sind Skulpturen und Wandelemente herbei geschafft worden, die zum Teil das Land im Nahen Osten noch nie verlassen haben. Sie gehören zu den bewunderten Exponaten aus dem anderen Saal, dessen Bögen, Säulen und Mauerreste eigens überdacht wurden. So zieren nun auch syrische Stuckhammel und Gitterfenster die Ausstellung, die Córboba und Damaskus verbinden soll.

Orient und Okzident waren sich ja reichlich fremd geworden, nachdem die katholischen Monarchen Isabel und Ferdinand am 2. Januar 1492 in Granada die Reconquista vollendet und die Musulmanen vertrieben hatten. Zwar sind auch im modernen Spanisch einige arabische Wörter erhalten geblieben, doch zu Beginn des 21. Jahrhunderts streitet das ehrgeizige EU-Mitglied Spanien mit dem Nachbarn Marokko um Einwanderer und Fischfangrechte; die spanischen Enklaven in Nordafrika werden von einer hässlichen Grenzanlage geschützt, und auch sonst ist der Islam vielen verdächtig. Die Veranstalter wollen ihre Sondervorführung in Madinat Al-Zahra nun als Meilenstein einer umfangreichen Wiederannäherung verstanden wissen. Dies sei nicht bloß eine Ausstellung, erläutert Jerónimo Páez, „es ist auch eine kulturelle Reise zwischen der arabischen Welt und dem Mittelmeer“.

Páez ist Rechtsanwalt, Freund des Königs und Berater der Stiftung „El Legado Andalusí“ (Das Vermächtnis Andalusiens), welche das exklusive Treffen gemeinsam mit der andalusischen Landesregierung organisiert. Er hatte auch die Idee zu der Kulturroute von Córdoba, der einstigen Hauptstadt des Kalifen, nach Granada, dem Hof der Nasriden, wo das maurische Spanien vor gut 500 Jahren unterging. „Route durch das Kalifat“ steht seit einiger Zeit auf Hinweisschildern an den Straßen. Der historische Parcours führt durch Orte wie Baena, Montemayor und Alcaudete, die sich zu diesem Anlaß ihrer Wurzeln erinnern und auf zahlreiche Besucher hoffen. Am einen Ende der Schleife liegt Madinat al-Zahra, am anderen die Alhambra, die an einem lauen Sommerabend von Senor Páez’ maurischem Altstadtpalast aus besonders ergreifend aussieht.

Die grenzübergreifende Tour auf den Spuren der Omayaden geht natürlich noch viel weiter. Sie führt von Córdoba durch Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen, Ägypten, Israel, Jordanien und den Libanon zurück zu den Ursprüngen nach Damaskus und Mekka. Und für den Hirsch des Scheichs eines Tages wieder heim nach Katar.

PETER BURGHARDT

Die Ausstellung endet am 30. September.
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Rainer