..........soviel zu ledigen Müttern und ihrem Los in Marokko -
Vergleiche mit Hartz IV Empfängerinnen dürften wohl sehr weit hergeholt sein - das deutsche soziale Netz fängt alle auf, unabhängig von Herkunft, Rasse und Nationalität. Leistet sich Marokko diesen "Luxus" auch? Nein. NOG's versuchen die unschuldig in Not geratenen Müttern mit ihren Kindern zu helfen.

Um die erbärmliche Situation dieser Frauen erträglicher zu machen, sind Spenden an den Verein "www.oumelbanine.net" herzlich willkommen. Gäbe nur jeder(r) Forumteilnehmer(in) nur 1 Euro, so wäre das bei der angemeldeten Mitgliederzahl ein 5-stelliger Dirhambetrag. L'Aid steht vor der Tür......der Advent beginnt.......warum nicht mal an diesen benachteiligten weiblichen Personenkreis denken. Stünde uns wohl allen gut an -
oder sind "sie" selbst an ihrem Schicksal schuld, weil "Zina" -
diese selbstgerechten Kommentare, finde ich unerträglich.

Schande und Schutz

In Marokko sind ledige Mütter und ihre Kinder Ausgestoßene der Gesellschaft. Ein Frauenhaus hilft ihnen aus der Isolation
Klemens Vogel
AGADIR. Der Wartesaal zum neuen Leben liegt im Tiefparterre. Einige Stufen geht es hinab, im Mietshausflur herrscht Zwielicht, draußen dämmert es. Dann steht man vor einem Eisengitter, das die Wohnungstür sichert. Mahjouba Edbouche klopft, wechselt ein paar Worte mit der anderen Seite, dann öffnet sich die Pforte zum Foyer von Oum el Banine.
"Foyer" - das heißt Wandelhalle, Heimstatt, Brennpunkt. Das Foyer der Association Oum el Banine ("Mutter der Kinder") in der marokkanischen Großstadt Agadir ist all das. Die Wohnung im Stadtteil Essalam ist ein Ort des Übergangs, der Obhut und der Realität. Jede Bewohnerin trägt eine doppelte Last: die Schande eines unehelichen Kindes und den Vorwurf der Prostitution, nach marokkanischem Recht und der Scharia, dem Gesetz des Islam. Die Hoffnungen der Frauen in Not heißt Mahjouba Edbouche. Die Leiterin des Hauses kennt Wege aus der Isolation - und sie hat den Willen, sie zu gehen, hundertfach.
Zuflucht vor und nach der Geburt
Sechs junge Frauen sitzen im Gemeinschaftsraum, der Fernseher läuft. Da sind Mariyah und Sulma aus Berberdörfern im Hohen Atlas, da ist Naima aus der Umgebung von Agadir, die ihr Neugeborenes auf dem Arm wiegt, oder Faizah, die als einzige eine weiterführende Schule besucht hat. Im Foyer wohnen bis zu acht Mütter - drei Monate vor der Geburt kommen sie und bis 40 Tage nach der Entbindung können sie bleiben. Hundert Frauen insgesamt kamen im Jahr 2008. In zwei Zimmern liegen je vier Matratzen, eine Küche gibt es, ein Bad und einen Wickeltisch.
Das Foyer ist eines der drei Säulen von Oum el Banine. Die zweite ist die Krippe, die Kinder lediger Mütter tagsüber betreut, und dann gibt es die Seminare, die für die Not unverheirateter Mütter sensibilisieren sollen und der Sexualaufklärung dienen.
Es ist kein Sozialservice, den die 14 Mitarbeiter leisten. "Es ist ein Kampf", sagt Mahjouba Edbouche. Die Direktorin von Oum el Banine arbeitet seit 30 Jahren für Kinder und Frauen, angefangen hat sie 1979 bei Terres des Hommes. Es geht darum, betonharte Überzeugungen aufzubrechen. Es geht um Menschenleben.
Zum Beispiel Naima. Die 19-Jährige, die jetzt liebevoll mit ihrem Baby spielt, ist vor Wochen bei Oum el Banine gestrandet. Verjagt, verzweifelt, aufgelöst, im achten Monat schwanger - alles Folgen einer "versprochenen Hochzeit". Doch der Partner war weg, als sich das Kind ankündigte. "Zunächst wird verdrängt, die Schwangerschaft kaschiert", sagt Mahjouba Edbouche. Sei "die Schande" unübersehbar, drohten späte Abtreibung oder Suizid, heimliche Niederkunft, Kindstötung oder Aussetzen des Babys. Neben dem häufigsten Szenario, der "versprochenen Hochzeit", gibt es auch Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung. Solch ein Schicksal ereilt nicht selten minderjährige Hausmädchen, die vom Hausherren geschwängert werden. Ihre bettelarmen Eltern haben sie gegen Geld in eine andere Familie gegeben, wo sie häufig wie Sklavinnen behandelt werden.
Naima fand Aufnahme im Foyer von Oum el Banine, kann sich auf die Geburt vorbereiten und in guter Umgebung entbinden. Das ist nicht selbstverständlich: Eine Hebammenschülerin erzählt, dass unverheiratete Mütter im Krankenhaus oft verachtet werden, die Babys gelten als Unglücksbringer. Ihre Generation wolle das ändern, deshalb informiere sich ihre Gruppe bei Oum el Banine.
Während Naimas Foyerzeit arbeitet Mahjouba Edbouche für die Zukunft des Mädchens. Die Direktorin mit dem runden Gesicht und der getönten Brille nimmt mit der Familie Kontakt auf, besucht Vater und Mutter, diskutiert mit ihnen die Situation. Ziel ist es, die Familie wieder zusammenzuführen. Für ledige Mütter in Marokko, zumal aus armen Verhältnissen, fast die einzige Chance, nicht lebenslang von Elend bedroht zu sein. "Bei Naima hatten wir Erfolg. Die Eltern haben ihr vergeben", erzählt Frau Edbouche. Manchmal gelinge auch die Versöhnung der Partner mit anschließender Heirat. Denn oft sei der Bruch aus der Familie heraus motiviert, erklärt die Direktorin, und weniger ein Problem der jungen Leute.
Wer in Marokko unehelich Sex hat, macht sich der Prostitution schuldig. Wer unverheiratet ein Kind bekommt, kann den Tatvorwurf kaum widerlegen. Die Männer kommen meist davon. In Mariyahs Fall hat Frau Edbouche die Eltern überzeugt, den Kindsvater zu verklagen, Oum el Banine besorgt einen Anwalt. 300 Kilometer ist sie gefahren, auf Bergpisten in das abgelegene Berberdorf im Hohen Atlas. "Für die Mädchen aus den Dörfern ist es besonders schwierig", sagt Mahjouba Edbouche. Aber auch hier habe sie die Versöhnung erreicht. Beim Prozess hänge alles davon ab, wie sehr der Richter religiösen Kriterien folgt. "Es ist selten, dass solch ein Fall fair behandelt wird, aber ich möchte, dass der Mann den Richter sieht." Nach der Foyerzeit wird die Direktorin mit Mariyah zur Polizei gehen, damit sie ihre Aussage machen kann.
Manchmal scheitert die Versöhnung. Oder die Frau kann nicht ins Elternhaus zurück. "Dann helfen wir, ein Zimmer und Arbeit zu finden", sagt Mahjouba Edbouche. Das Kind komme in der Krippe von Oum el Banine unter. Dort herrscht Trubel: Während die Säuglinge in ihren Kojen dösen, rütteln die Älteren an den Gitterstäben der Laufställe oder flitzen herum. Die Pflegerin Latifa Ougbi greift sich den kleinen Rafi und gibt ihm Brei. Alle kommen dran: Essen, frische Windeln, Medikamente. "Das Schlimmste ist die Ignoranz gegenüber dem Leid der Kinder", klagt Mahjouba Edbouche. Dabei habe Marokko die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet, der Staat sei verpflichtet, mehr zu tun.
Oum el Banine arbeitet unter prekären Bedingungen, und längst nicht allen kann geholfen werden. "Das ist eine Arbeit mit vielen Risiken", sagt Mahjouba Edbouche. Mühsam sei es gewesen, zu den Nachbarn der Foyerwohnung Vertrauen aufzubauen: Einen Kriterienkatalog habe man erstellt, von Besuchen bis zur Sicherheit alles geregelt. Man werde beobachtet. "Wir beschützen Frauen, die nach der Religion Prostituierte sind." Aber der König habe ihre Arbeit bei einem Empfang gewürdigt. "Das haben die Leute im Fernsehen gesehen", sagt sie und hofft, das werde den Mentalitätswandel fördern: Mohammed VI. ist auch die höchste religiöse Autorität.
Sachte Sexualaufklärung
Mentalität, Kultur, Tradition - es sitzt in den Köpfen, und an die will Fatima Banani heran: Die 26-Jährige organisiert Sensibilisierungsseminare für Oum el Banine. Ihre Botschaft: Redet endlich miteinander! "In Marokko sitzen die Frauen hier, und die Männer da", sagt sie. Sie zeigt ihre Präsentation, auf Arabisch: "Die ist für mich, ich übersetze es in die Berbersprache oder in den arabischen Dialekt." Viele der Frauen seien Analphabeten, auf dem Land beträgt die Quote fast 70 Prozent. Sie versuche in einfachen Worten, auch mit Hilfe der Religion, aufzuzeigen, warum die gängigen Überzeugungen fehlgingen und welche Not so entstehe. "Bald soll es ein Seminar für Männer geben." Ebenso wichtig sind die Seminare zur Sexualaufklärung. Häufig wird nicht effektiv verhütet, zumal unter Unverheirateten. Unehelicher Sex ist zwar so oder so eine Straftat - das Leid unehelicher Mütter könnte aber vermieden werden.
Etwa das von Jaida, die vor der Tür von Oum el Banine wartet. Sie bittet um Hilfe. Ihren einjährigen Sohn trägt sie in Tüchern auf dem Rücken, er hat eine Schuppenflechte. Ihr fehle es am Nötigsten, Arbeit habe sie nicht. "Ich kümmere mich selber um alles, wir haben kein Geld für mehr Mitarbeiter", sagt Direktorin Edbouche. Und in den kleinen Orten, wo die Probleme groß sind, gebe es nichts wie Oum el Banine. Sie würde dort gerne Filialen gründen, vielleicht mit Hilfe von Frauen, denen die Association einst geholfen hat.
Dafür brauche man einen langfristigen Etat. Aus Europa kämen Spenden, aber der Staat gebe kaum etwas. Wunderbar wäre ein eigenes Einkommen. "Gäbe man uns ein Grundstück, könnten wir ein Haus bauen", sagt Mahjouba Edbouche, "dort könnten Frauen Dinge herstellen, um sie in einem eigenen Laden zu verkaufen.

Die Zivilgesellschaft hilft
Der Verein: Die 2002 gegründete Association Oum El Banine im marokkanischen Agadir bietet unverheirateten Schwangeren Zuflucht und unterstützt ledige Mütter und ihre Kinder. Eine Association ist die für Marokko typische Organisationsform der Zivilgesellschaft, vergleichbar einem deutschen Verein. In einigen anderen großen Städten wie Casablanca oder Tanger arbeiten vergleichbare Einrichtungen.
Die Finanzierung: Oum el Banine finanziert sich als unabhängige und nichtstaatliche Einrichtung hauptsächlich durch Spenden.
Die Website (Englisch) informiert darüber, wie man Oum el Banine unterstützen kann. www.oumelbanine.net