Guten Abend,

ich komme darauf zurück:
 Antwort auf:
Aber hier ging es doch um die Frage, ob die Initiative von Frau Asma Lamrabet gut oder schlecht bzw. richtig oder falsch sei.


Für mich ist die Initiative "neuer Wein in alten Schläuchen", wenn ich das mal so salopp sagen darf. Feministische Bewegungen gibt es seit Ende der französischen Kolonisation, also seit 50 Jahren. Und seit der Unabhängigkeit Marokkos kritisierte die Frauenrechtsbewegung, dass der Abhängigenstatus von Frauen rechtlich festgeschrieben ist,d. h. im einheitlichen Ehe- und Familienrecht ist der Ehemann "pater familias" und die Ehefrau untertan. Erst in der Anfang 2004 in Kraft getretenen neuen Moudawana - sie ist ein grosser Erfolg für die Frauenrechtsbewegung - ist eine Gleichstellung von Frauen und Männern verankert. Die Umsetzung des Rechts im Sinne einer Gleichstellung von Männern und Frauen bleibt aber eine Herausforderung; spezielle Familiengerichte wurden nach und nach eingerichtet, eine Förderung des Familiensozialwerkes in Angriff genommen.

Allerdings ziehen Fraúenorganisationen eine gemischte Bilanz über die Umsetzung des neuen Rechts: Ausserhalb Casablancas werden Gerichtsentscheide weiterhin mehrheitlich nach altem Recht gefällt.
Mit Informationen, auch in den letzten Winkel des Landes, ("Karawanen für Frauenrechte") Öffentlichkeitsarbeit und Lobgying, systematisches Beobachten der Rechtspraxis sowie die Weiterbildung von Richtern und Anwälten, engagieren sich die NOG für die tatsächliche Anwendung der neuen Gesetze.

NOG's bringen die Verbesserungen der neuen Moudawana den Frauen, vorallem im ruralen Bereich oder in bidonvilles näher. Die hohe
Analphabetismusrate erschwert die Informations der Bevölkerung über das neue Gesetz. Manche Richter und Anwälte klären KlientInnen nicht korrekt über ihre Rechte auf. Durch Beratung und Bildung werden die Frauen aufgeklärt, können informierte Entscheidung treffen und ihre Rechte einfordern.

Um ein effizientes politisches Lobbying gegen Frauendiskriminierung zu betreiben, wird von einer NOG (LDDF) beobachet und sie dokumentiert systematisch die Rechtspraxis. Daten und Infos, die in regionalen Beratungsstellen gesammelt werden, sind im "Centre d'Information et d'Observation des Femmes Marocaines in Casablanca" zur Auswertung zusammengeführt, analysiert und das Ergebnis in Berichten über Gewalt und Rechtsverstösse gegen Frauen publiziert.

Das erste Frauenhaus in Casablanca wurde bereits 1985 von 3 Sozialarbeiterinnen gegründet, das zweite vor 7 Jahren in Rabat. Damals hat die Ligue Démocratique pour les Droits de la Femme in 14 Beratungsstellen in Marokko angefangen systematisch Fälle häuslicher Gewalt aufzuzeichnen. 80 % der Frauen, die physische und psychische Gewalt im häuslichen Bereich erleben, sind zwischen 20 und 49 Jahre alt, 60 % davon verheiratet. Die unter 20-jährigen, unverheirateten Frauen, die sich an eine Beratungsstelle wenden, haben meist esexuelle Gewalt durch männliche Familienmitglieder erlitten.

Der Grossteil der betroffenen Frauen, die die Beratungsstellen aufsuchen, lebt in einfachen Verhältnissen, ohne Bildung und arbeiten nicht ausser Haus. "Häusliche Gewalt ist aber auch in Marokko kein milieuspezifisches Phänomen. Bedrohte Frauen mit mehr Geld und Bildungshinergrund suchen jedoch unter allen Umständen eine private Lösung. Dies um so mehr, als das Thema häusliche Gewalt immer noch als lästige Störung wahrgenommen und als solche letztlich den Frauen angelastet wird", sagt eine Sprecherin der NOG, und weiter "Kaum eine Frau kann zu Eltern oder Verwandten fliehen, wenn sie bedroht ist. So wollen es die gern zitierte Familienehre und das Strafgesetz. "Das Vestecken" einer verheirateten Frau, die sich unerlaubt der Autorität des Ehemannes entzogen hat, steht unter Gefängnisstrafe."
Dies widerspricht dem neuen Familienrecht, welches keinen Gehorsamkeitsartikel mehr kennt, und, das ist auch neu, den Frauen Mündigkeit attestiert und das Recht auf Scheidung zugesteht.
Das Problem ist ganz und schlicht und einfach, dass die Mehrheit der Frauen, auch wenn ihnen das Recht zugesprochen wird, den Schritt in die Selbständigkeit nicht einmal erwägen können, weil sie finanziell vollkommen abhängig sind von einem Ehemann, der finanziell nicht in der Lage sein wird oder auch nicht willens sein wird, auch nur ein Minimum an Alimenten zu zahlen.

In Casa gibt es seit Juni 2006 ein weiteres Frauenhaus. Hier finden zwanzig Frauen u. Kinder vorübergehend einen sicheren Wohnort und individuelle psychologische und juristische Beratung. Mit jeder Frau entwerfen die Mitarbeiterinnen einen Zukunftsplan u. suchen einen gangbaren Weg aus dem Gewaltverhältnis.

Bis Ende der 1990 Jahre tauchte das Thema der häuslichen Gewalt gegen Frauen kaum auf, weder in der Politik noch in der sozialen Arbeit. Zwar hat sich das geändert, dennoch wird heute nach wie vor häusliche Gewalt primär als privates Problem verstanden und nicht als Menschenrechtsverletzung. "Gewalt gegen Töchter, Schwestern, Ehefrauen oder "petite bonne" durch männliche Familienmitglieder gilt weiterhin als Teil einer guten Erziehung - auch Frauen sehen es so", beschreibt Mme. Assouli die dominierende Einstellung.

Durch die kontinuierliche intensive Tättigkeit der NOG'S in puncto Gleichberechtigung und Gleichstellung sind Teilerfolge zu verzeichnen:

Männer, die bei Aufdeckung eines Ehebruchs ihre Frau ermorden, erhalten nach dem Strafrecht keine mildernen Umstände mehr.

Medizinisches Personal ist von der Schweigepflicht entbunden, um Gewalt gegen Frauen bezeugen zu können.

Auch die Möglichkeit der Schaffung eines Frauenhauses (ohne unüberwindbare Hürden) zeigt von einem neuen "Zeitgeist" und Sensibilisierung der Frauenprobleme.

Bildung, Bildung und nochmals Bildung, vorallem für die Mädchen
und Frauen ist gefordert, damit sie lesen, schreiben, für sich entscheiden, selbständig Formulare ausfüllen kann und sie aus der Abhängigkeit "aussteigen" können. Sie braucht nicht (zwingend) Akademikerin zu sein, es gibt Berufe, die von Frauen ohne akademischen background ausgeübt werden können.

Im übrigen, sind es vorwiegend Frauen die mit nachhaltigem Erfolg den "Microcredit" in Anspruch nehmen. Sie bauen sich damit ihre Eigenständigkeit aus, finden Anerkennung und last but not least auch ihr finanzielles Auskommen.

Es kann nur gehofft werden, dass sich noch sehr viel mehr Frauen in die NOG's einbringen und so ein positiver Wandel, zu Gunsten der Frauen, herbeigeführt wird.







Last edited by Elvire; 12/01/08 10:52 PM. Reason: Orthographie