Guten Abend,

Erst engagiertes Feilschen auf dem Suk in Marrakech, und dann im eigenen Heim um die Ecke entspannen.


Zwar lässt sich um die besten Objekte schon lange nicht mehr feilschen, doch auf Marokkos Immobilienbasar sind immer noch viele Altstadthäuschen und Villen zu finden.

Kühle Zuflucht auf Lehm gebaut
Stilvolle Patio-Villa im Palmenhain
Tipps und Infos

Von Anja Martin

Ein Land in Afrika, ein Königreich und zudem ein islamischer Staat – nicht für jeden Europäer wäre dies die erste Adresse, um dort tatsächlich ein Häuschen zu kaufen. Spricht man aber von Marokko, sieht die Sache ganz anders aus. Unweigerlich schieben sich Bilder aus 1001 Nacht ins Blickfeld. Orientalische Düfte, geheimnisvolle Gemächer und paradiesische Gärten tauchen auf. Während man in den Innenhöfen friedlich durchatmen kann, herrscht draussen lebendiges Treiben: Suks reizen alle Sinne, Medinas spielen mit unserer Orientierung. Händler, Geschichtenerzähler und Muezzins sorgen für die passende Tonspur.


Alltag in al-Magrib, dem Land des Sonnenuntergangs, wie es offiziell heisst. Warum nicht hier leben – zumindest für ein paar Wochen im Jahr? Vorgemacht haben es vor Jahren Paul Bowles, die Beat-Poeten und eine Reihe weiterer Künstler und Individualisten. Doch als echte Zweitwohnsitzregion fürs breitere Publikum setzte sich Marokko erst um die Jahrtausendwende durch. Und das hat, wie es sich für eine echte Monarchie gehört, entscheidend damit zu tun, dass 1999 Mohammed VI. das Zepter übernahm. Er gilt als Garant für Stabilität, fördert Investitionen, Privatisierung und vereinfachte den Immobilienkauf. Ende 2005 hat der Regent sogar ein Open Sky Agreement unterschrieben und lässt Billigflieger ins Land. Prompt hat sich die staatliche Royal Air Maroc mit Atlas Blue umgehend eine Dumpingtochter zugelegt.

Dann kommt Gott und die Welt
«Man kann sich das ein wenig vorstellen wie auf Mallorca», meint Oliver Kirner, der im Internet das Vermittlungsportal Immobilier-maroc.com betreibt. «Erst kommen die Avantgardisten, dann die zweite Riege an Prominenz. Darauf folgt ein riesiger Medienhype und schliesslich kommt Gott und die Welt.» In erster Linie kaufen in Marokko Franzosen. Ihnen folgen mit beträchtlichem Abstand Engländer, Spanier, Belgier und Schweizer.

Dabei basiert ein Grossteil des Booms im Königreich auf dem lokalen Markt. Geschäftstüchtige Investoren vor Ort und Exil-Marokkaner fuhren in den letzten Jahren immense Spekulationsgewinne ein, und die Preise für Grundstücke stiegen in kurzer Zeit exorbitant. «Wenn in Marrakech vor sechs Jahren 10'000 Quadratmeter Grund für 30'000 Euro zu haben waren, kosten sie heute an manchen Lagen 500'000, in der Palmeraie gar über eine Million», sagt Adolf Schittenhelm, Geschäftsführer der Agentur Casa-Marrakech. «Villen und Wohnanlagen wachsen wie Pilze aus dem Boden. Allerdings wurde hier lange Zeit an der europäischen Nachfrage vorbeigeplant.» Man baute zu gross mit Wohnflächen ab 600 Quadratmetern, zu teuer mit Preisen über 700'000 Euro (1,12 Millionen Franken) oder schlicht nicht funktional. So wurden etwa die Küchen oft in den Keller verbannt.

Mit acht Franken durch den Tag
Das bestätigt auch Oliver Kirner: «Appartements mit Meerblick haben oft weder Balkone noch Terrassen, und Villen füllen schon mal 99 Prozent des Grundstücks. Wir hingegen würden ein Drittel Haus, ein Drittel Grün, ein Drittel Schwimmbad planen.» Das unglaublichste Wohnzimmer, das er je gesehen habe, sei 36 Meter lang und 3 Meter breit gewesen.

Doch den marokkanischen Stil, sowohl beim Neu- als auch beim Altbau, schätzen Mitteleuropäer. So ist die Medina von Marrakech bereits fest in ausländischer Hand. Die Riad genannten Hofhäuser der Altstadt sind allerdings meist so gross, dass die Käufer vornehmlich Gästehäuser darin betreiben. «Der Traum jedes Marokkaners ist es, die Medina zu verlassen», weiss Kirner. Die Einheimischen finanzieren sich mit dem Verkauf gern den Umzug in die Villes Nouvelles. Sie pfeifen aufs Flair, wollen endlich mit dem Auto vors Haus fahren, funktionierenden Strom, ein Abwassersystem und nicht von drei Seiten Lauscher an der Wand fürchten.

Häuser, die man am Anfang des Booms für 30'000 Euro erstehen konnte, kosten heute 150'000 Euro (240'000 Franken). Noch gibt es in Marokko jedoch renovierte Riads für weit unter 100'000 Euro (160'000 Franken). Doch wer das Zwei- bis Vierfache investiert, kann freier entscheiden und sich auch eine Villa leisten. Nach oben sind die Grenzen offen – in einem Land, das gern feilscht, sowieso. Doch auch wenn die Immobilienpreise gestiegen sind, kann man sich weiterhin über günstige Alltagskosten freuen. «Eine kalte Cola im Kiosk bekommt man für 50 Rappen», sagt Oliver Kirner. «Und mit 8 Franken am Tag kann man hier gut leben.»

Viele Grusse aus Marrakech
Hicham

hicham_aarif@menara.ma