afulki,


1/ als irgendwann ein minister die moudouana reformieren wollte, sind über eine million marokkaner auf der strasse gegangen. an den ersten reihen waren sogar die islamisten, auch die der adl-sekte, die sich offen für eine republik spricht.

ist etwas passiert? nein. im gegenteil, das war ein gesunder prozess, etwas zu korrigieren, was unreif so an die öffentlichkeit nicht herausgehen durfte. wir wissen alle, wie der könig seine königliche kommision auf das thema einsetzte, die mit einem für alle zufriedenstellenden ergebnis herauskam.

war das ein thema des königs selbst? nein, er liess die regierung machen. aber als die tollpatschigkeit eines ministers und seines kreises leute auf die strasse brachte, hat er das thema an sich gezogen und nicht selber entschieden, sondern ein kremium madchen lassen, in dem personen aus verschiedenen fächers und richtungen sassen.

mit den preiserhöhungen ist nichts anders pasiert. es ist ein sehr gutes zeichen, dass menschen zornig aber gewaltlos auf die strasse gehen, wenn ihnen etwas nicht gefällt. die reaktion des königs war auch hier, dass er seinen jungen innenminister mit dem thema beaufrtagte. und wenn dies am ende bedeutet, dass die preiserhöhung zurückgezogen wird, wunderbar.

eine ähnliche erfahrung hat man mit der vom jungen und erfolgreichen minister karim ghellab angestossenen neuregelung des verkehrs gehabt. sie wurde von den betroffenen abgelehnt, streiks waren die folge, die die fragile wirtschaft beinahe lahm legte, sowie lange verhandlungen. hier hat nicht der könig geschlichtet, sonder driss jettou hat das dossier übernommen und es sah aus, als ob es egal war wer das machte (könig oder premier), hauptsache man findet eine lösung.

solche beispiele sind zahlreich und bestätigen, dass in marokko kein absolutistisches system herrscht, sondern dass das land in einer transition zur demokratie sich befindet.

doch warum dieser lärm jetzt um die demonstrationen nach den preiserhöhungen?

die antwort ist einfach: die "parteien", die zum wahlboykott gerufen hatten, finden sich allein, ohne öffentliches interesse. man diskutiert jetzt die bemühungen von abbas elfassi, seine regierung zu bilden. also versuchen sie ein terrain zu finden, um weiter zu existieren. kein wunder, dass du diese demonstrationen hier zum zweiten mal erwähnst.


2/ das beispiel von saddam, vom iran oder von den anderen helden der arabisch-islamischen welt zeigt vor allem, welches gravierende irrtum leute wie du begehen, die sich auf die monarchie in fetischistischer art fixieren. sie sprachen sicherlich wie du und andere hier im forum und sonst wo, doch als sie ihre monarchien abschafften, haben sie regime und systeme errichtet, die weithaus tyranischer, diktatorischer, despotischer und blutiger waren.

ende der 70er jahre sahen die iranischen kommunisten in ihrer blindheit, mangel an difrenzierung und mangel an besonnenheit das böse im schah und glaubten, die priorität wäre nun, ihn loszuwerden. die folgen kennen wir. ein archaisches politisches system etabliert sich, das als erste massnahme, diese kommunisten selbst sowie hunderttausende anderer menschen in öffentlichen plätzen erhängt und das land in einen der blutigsten kriegen der geschichte hineingeführt hat, mit einem nachbarn, der auch seinen eigenen könig losward, nämlich dem irak von saddam.

millionen von sinnlos umgebrachten menschen, jahre von elend und krieg, zerstörung und innere poltische spannung, das ist was dies regime als alternative zu den monarchien bieten.

du hast mit saddam & co. ein beispiel gebracht, das dir die augen aufmachen sollte.


3/

- als frankreich in marokko politisch/finanziell zunächst eindrag, war das land durch innere unruhen extrem geschwächt. in dieser zeit war demokratie noch kein begriff wie unserer zeit, europa selbst hatte sich ihrer absolutistischen regime in blutigen revolutionen entledigt, um in andere absolutismen einzutreten. die gesamte südliche hälfte der mediterranen welt und der mittlere osten waren nach dem zerfall des osmanischen reichs ziel der industriellen gier von europa des 19/20 jahrhunderts. nachdem sie ihnen geholfen hat, die türken zu vertreiben, teilten frankreich und england die arabische welt, wie ihnen genehm war, frankreich hat algerien, da ohne herrschaft bzw. gefahr, zu einem seiner departements erklärt.

maroko war nicht teil des osmanischen reichs, sondern ein eigenständiges imperium (l'empire cherifien), in dem der machtwechsel seit der ersten dynastie im 8 jahrhundert in zyklischer form geschah. nach der phase der dekadenz und des untergangs einer dynastie übernahm eine andere siegende die herrschaft. diese zyklen werden unterbrochen mit der zeit der industrialisierung, die ein zu grosses gefälle zwischen der europäischen und arabisch-islamischen welt gräbt. dabei ist es irrelevant, ob jener könig oder ein anderer stammesführer den kolonialherren die toren öffnet. hätten dies die alaouiten nicht getan, hätten die franzosen einen anderen partner gefunden, der möglicherweise mit ihnen sogar die teilung des landes vollzieht. mit den alaouiten ist marokko nicht völlig anektiert worden und konnte sich auch im kern erhalten.

wie dem auch sein, dieses thema sollte man mit intelligenz angehen und nicht populistisch aus dem kontext reissen.

- als mohammed 5 und hassan 2 von demokratie und politischem pluralismus sprachen, was war die allgemein die position der politischen klasse damals? "die alaouiten wollten die ouma in einer fitna teilen um zu herrschen!". in dieser zeit waren die einparteisideologien en vogue und ihre ikonen wie der ägytpische jamal abdennasser idole eines grossen teils der politischen klasse, der eliten und der völker überhaupt. es hat seine zeit gedauert, bis die unfp sich aus der istiqlal, damals die herrschende einzige partei, schmerzlich abspaltete und andere parteien entstanden. die abrechnungen zwischen parteimitgliedern, die bis zu zahlreichen politischen morden hinreichen, sind teil der akten mit denen sich die ier (instanz für gerichtigkeit und versöhnung) beschäftigt(e).

was war die rolle der politischen klasse also nach der unabhängigkeit? statt für ein demokratisches marokko zu kämpfen, träumten sie von einem starken präsidentiellen regime wie in syrien oder ägypten, in dem eine einheitspartei herrscht. sie bekriegten sich und stärkten somit die rolle eines hassan 2, der nicht nur über grosse fähigkeiten im politischen manöver verfügte, sondern auch machtbesessen war. die inkone des politischen widerstands in marokko, mehdi ben barka war dauernd in algerien und tat mehr für die algerischen interessen als für die interesen seines landes. während des "sandkrieges" zwischen marokko und algerien in 1963 bezog er stellung gegen seine eigene heimat marokko. eine reihe anderer politischer akteure (darunter abdelkrim elkhattabi) pilgerten nach ägypten oder trainierten ihre künftigen milizen in den lagern von syrien, algerien und libyen, um die monarchie zu stürtzen und ein einparteiensystem nach dem modell der arabischen sozilaistischen ländern zu errichten.

nur sehr wenige wie allal elfassi oder abderrahim bouabid, hatten eine konsitutionelle monarchie im sinn und die interessen das landes nüchtern im auge.

biesher wirft man jedoch die schuld nur auf hassan 2 (und mohammed 5, obgleich man ihm nachsagt, das er für eine teilung der macht bereit gewesen war).

mohammed 6 tritt in 1999 ein schweres und kompliziertes erbe an. auf der einen seite ist die parteienlandschaft nach den jahren mit hassan 2 schwach, die parteien selbst desillusioniert und völlig ohne charisma, das parlament eingschüchtert, die linke - nicht zuletzt nach dem weltweiten zerfall der linken ideologie - zerschlagen, die gesellschaft nach jahren von landflucht und nach dem einzug der satellitenmedien in die wohnzimmer durch eine islamistische ideologie teilweise angezogen etc.

auf der anderen seite hatte hassan 2 nach jahren politischer und gesellschaftlicher spannung mit der öffnung des landes beginnen und zeichen von versöhnung und politischem willen gegeben.

mohammed 6 hat das erbe seines vaters nie verleugnet, sondern entschied sich für eine veränderung in der kontinuität. mit anderen worten, er führt das erbe seines vaters weiter, erreicht seine ziele aber mit anderen wegen und mitteln. aktionen, da wo sein vater mehr manövrierend war, führt er mit ehrlichkeit und ernsthaftigkeit. was sein vater allein entschied, macht er mit seinen berater zusammen, den könniglichen kommissionen, den politischen parteien und/oder den betroffenen selbst. projekte, die sein vater in der hand von inkompetenten und korrupten menschen liess, hat er an junge, integre effiziente technikraten gegeben.

der neue hafen von tangier ist ein paradebeispiel. hassan 2 wollte ihn am atlantik bauen, nahm sich viel zeit dafür, war mit frz firmen umgeben, die das projekt als sicher in der hand erachteten. nach seinem tod brachte ihn m6 da, wo er hingehört, an der gibraltarpforte des mittelmeers, schrieb das projekt international aus, wählte die partner neu und peitschte das projekt mit kompetenten igenieuren und fachkräften durch, die nach methoden des modernen managements arbeiten. das ergebnis steht da, man kann es mit dem blossem auge sehen.

diese arbeitsweise kann man bei de vielen projekten beobachten. autobahnen und strassen werden termingerecht geliefert und ohne filz oder corruption gebaut.

die politik, um dies zu beenden, ist schliesslich nicht alleine sache des königs. es ist die verantwortung aller politischen akteure, die politische landschaft aktiv mitzugestalten, egal wie steinig der weg auch sein mag. von einem aufstand, oder von einer revolution zu träumen, sich zurückziehen und warten, bis es „knallt“, dieser sabotage- und boykott-geist hatte die ersten politischen klassen bereits in die irre geführt und hassan auf einen absolutistischen sockel gesetzt.

33 parteien haben an diese wahl geglaubt, und sich um die gunst ihrer wähler beworben. m6, ein zentraler treiber dieser wahlen, hat seine politischen engagements bislang gehalten. alles sieht so aus als hätte die politische klasse (samt könig) von der vergangenheit gelernt.


jm