Lieber Mohand,

 Antwort auf:
Das Mädchen hat ein sehr negatives Bild von ihrem Vater von der Mutter geerbt. Damit lebt sie jetzt. Und der Vater weiß nicht, wie lange es noch dauern muß, bis er seine Tochter wieder umarmen kann.
Ich lese aus Deinen Zeilen viel Mitgefühl für den Vater. Das kann ich verstehen, denn nichts ist schrecklicher, ein Kind zu verlieren.

Aus meiner Erfahrung gelingt eine "Versöhnung" nur, wenn das Kind bereit ist, beide Eltern-Teile zu verstehen, das heißt, wenn es sich weder auf die Seite des Vaters noch der Mutter stellt.

Mein Mann hat - wie ich beschrieben habe - eine ähnliche Erfahrung gemacht. Sein Vater hat die Familie verlassen, aus freien Stücken, auf seinen Wunsch, als mein Mann 10 Jahre alt und sein Bruder gerade 4 Jahre alt war. Nach 1 - 2 Jahren Briefkontakt hat sich irgendwann sein Vater nicht mehr gemeldet. Die Kinder haben dann aufgehört nach ihm zu fragen (wen wundert es?).

Die Mutter hat weder Unterstützung von ihrer Familie bekommen, noch einen Pfennig von ihrem Ex-Mann, noch ein ermutigendes Wort von ihm. Sie hat um das Überleben gekämpft, Ende der 60er Jahren in einer dörflich geprägten Kleinstadt mit 2 farbigen Kindern. Sie hat (aus Traurigkeit heraus) nie wieder eine Beziehung mit einem Mann gehabt, geschweige denn geheiratet. Sie hat irgendwann selbst aufgehört, den Kontakt mit ihrem Ex-Mann zu suchen (wen wundert es?).

Manchmal überkommt meinen Mann noch der Ärger auf seinen Vater - für 20 Jahre Sprachlosigkeit - dafür, daß er die Initiative unternommen hat, ihn zu suchen, nicht er - dafür, daß sein Vater in seinem Heimatland in Wohlstand gelebt hat, seine Mutter hingegen...

Wer nicht versteht, was in der Mutter vorgeht, welche Gefühle diese hat, der kann nicht verstehen, was in dem Vater vorgeht.

Hat der Vater während der vergangenen 10 Jahre versucht, Briefe an die Tochter zu schreiben ? Hat er versucht, sich mit der Mutter zu versöhnen ? Wenn nicht....

Jetzt, nachdem die Tochter 16 Jahre alt ist, könnte sie soweit sein, sich eine eigene Meinung zu bilden. Aber die Mutter fühlt so wie sie fühlt. Du und alle anderen kennen ihre Gründe für ihre Gefühle nicht. Natürlich sollte sie so loyal sein und ihrer Tochter nicht den Umgang mit dem Vater zu erschweren. Aber das ist Wunschdenken. Sie hat es nicht getan. Vermutlich konnte sie nicht aus ihrer Haut heraus...

Und so wie Sonja schreibt, hat auch ihre Mutter heute noch Gefühle und es tut ihr weh.

In der Regel sind es 2 Personen, die dazu beitragen, daß die Situation ist, wie sie ist.

Aber es ist nie zu spät !

Lieben Gruß,

Ulla


Viele Grüße, Ulla

"Ein Kind ist kein Gefäß, das gefüllt, sondern ein Feuer, das entzündet werden will" Francois Rabelais