Hallo Karim, tut mir leid, daß auch Du lange auf eine Antwort warten mußt, aber ich war 4 Wochen im Ausland und ohne Internet-Anschluß.

Dein Fall ist ja anders: Ihr möchtet ein Kind aus Eurer Verwandtschaft zu Euch holen. Die mir bekannten Fälle in Deutschland waren jedoch Adoptionen von Waisenkindern bzw. „enfants abandonnés“.

Das genaue Gesetz kenne ich nicht, jedoch war es ja bis 2002 in Deutschland wohl nach dem Gesetz möglich, eine Adoption eines marokkanischen Waisenkindes anzustreben. Danach erfolgte die Gesetzesänderung, die verlangte, daß das Ursprungsland des Kindes die „Haager Konvention zum Schutz der Kinder“ unterschrieben hatte UND daß die Behörden im Ursprungsland AKTIV mit den deutschen Behörden zusammen arbeiten. Beides ist bei Marokko bisher - nach meinen Kenntnissen - nicht der Fall.

Es gibt wohl Ausnahmeentscheidungen von Seiten der deutschen Behörden, zum Beispiel „humanitäre Notlagen“, in denen die oben genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sein müssen. So ist mir ein Fall bekannt, in dem ein deutsches Paar ein marokk. Waisenkind aufgenommen hat, daß an der unheilbaren Glasknochenkrankheit leidet. In Marokko war das Kind bereits im Alter von 5 Jahren ein Krüppel und konnte nicht mehr laufen, weil diverse Knochenbrüche von den dortigen Ärzten nicht adäquat versorgt werden konnten. Inzwischen ist das Kind in Deutschland, wurde hier operiert und kann wieder laufen. Und im Fall von neuen Brüchen ist die medizinische Versorgung hier optimal. So ist dieser Fall gut gelaufen. Aus humanitären Gründen hat man hier wohl die Augen zugedrückt. Was ja ein Zeichen ist, daß es neben der Bürokratie auch noch Menschen mit Herz in Deutschland gibt.

Es tut mir leid für Euch, daß bisher alle Türen verschlossen scheinen für die Einreise und die Aufenthaltserlaubnis Eurer Nichte, für die Ihr eine marokkanische Kafala habt. Wenn ich mir vorstelle, daß im Falle des Todes der Eltern meiner Nichte ich diese nicht zu mir ins Ausland holen könnte, dann fände ich das auch sehr unmenschlich.

Rechtlich Klage einzureichen ist wohl eine Möglichkeit und ich würde mich freuen, wenn Du uns im Forum auf dem Laufenden hältst, was den Ausgang der Klage angeht, da mir immer wieder Fälle bekannt werden, in denen deutsche Paare ein marokkanisches Waisenkind adoptieren möchten. Wenn die Kafala Akzeptanz in Deutschland fände, dann wäre das ein wesentlicher Schritt auf dem Weg dorthin.

Momentan ist es so, daß es nach deutschem Recht nur 3 Rechtsformen gibt für den Status von Kindern in Familien:

1. Leibliche Kinder
2. Adoptierte Kinder
3. Pflegekinder

Die Kafala entspricht bedeutungsgemäß am ehesten der Pflegschaft. Hier haben die deutschen Behörden allerdings Angst, ausländische Kinder auf der Basis der Pflegschaft ins Land zu holen, denn für Pflegekinder bekommst Du vom deutschen Staat monatlich Geld und zahlreiche Vergünstigungen wie z. B. kostenlose Fortbildungen für Pflegeeltern. Der deutsche Staat lehnt sicherlich aus diesem Grunde die Kafala ab. Bleibt die Adoption, die Du aber als Muslim gemäß den religiösen Vorschriften nicht akzeptierst. - Bleibt zum Schluß - gar nichts ? Ich hoffe es nicht für Euch bzw. vielleicht findet sich doch noch eine Lösung ?

Mit welcher Begründung lehnen die deutschen Behörden konkret Euren Wunsch ab ?

Ich sehe nur eine Lösungsmöglichkeit für Euren Fall:

Wenn das marokkanische Sozialamt bestätigt, daß es in Marokko keine Möglichkeit der Bleibe für das Kind gibt – und aktiv einen Brief an das deutsche Jugendamt schreibt – inklusive der Bestätigung, daß sie mit einer Adoption nach deutschem Recht einverstanden sind, dann ist zumindest die Hälfte der Forderungen der deutschen Behörden erfüllt. Die deutsche Adoption wäre ja nur eine Rechtsform in Deutschland, in Marokko bliebe das Kind ja weiterhin ein "Kafala-Kind".

Dieser Schritt könnte eine Möglichkeit bedeuten, da wie ich gehört habe, ein deutsches Paar es gerade auf diesem Wege bei einem Waisenkind versucht, und die deutschen Behörden kooperativ scheinen. Aber ob die marokkanischen Behörden mitmachen ? Hier habe ich größere Zweifel. Ausgang noch ungewiß.

Letztendlich müssen aber beide Seiten aufeinander zugehen und Zugeständnisse machen.

Alles Gute, Ulla


Viele Grüße, Ulla

"Ein Kind ist kein Gefäß, das gefüllt, sondern ein Feuer, das entzündet werden will" Francois Rabelais