Souliman,

ich bin hin- und hergerissen und möchte eigentlich keinem Land die Schuld in die Schuhe schieben.

Sicher - Marokko „könnte“, „sollte“... Marokko ist aber so wie es ist. Und Marokko hat das Recht und die Freiheit, sich in so und so einer Form an seíne Staatsreligion anzulehnen.

Letztendlich:

Ich finde, Deutschland "könnte" ja auch... Ausnahmegenehmigungen vergeben, zum Beispiel, wenn nachgewiesen wäre, daß die Kinder nicht „gekauft“ wären (sicher schwierig, wenn sich keine amtliche Stelle in Marokko für „Voll-Adoptionen“ zuständig sieht, da es diese ja offiziell gar nicht gibt.)

Also, Deutschland bzw. Europa könnte versuchen, ein Regelwerk speziell für Marokko aufzustellen.

Ich gebe die Hoffnung nicht auf.

„Le maroc bouge“ habe ich wieder irgendwo gelesen:

Generell: Vor einem Jahr haben sich in Marokko einige Gesetze zugunsten der Frauen geändert. Und speziell zur Thematik der Waisenkinder: Vor zwei Jahren hat Marokko eine Reform bezüglich der „Kafala“, der marokkanischen Pflegschaft auf den Weg gebracht, die ermöglicht, daß nun auch alleinstehende Frauen (vormals nur Ehepaare) eine Pflegschaft für ein aufgegebenes Kind übernehmen können.

Die Regierung scheint einsichtig – es ist ein Fakt, daß es in Marokko mittlerweile sehr viele geschiedene Frauen gibt, die durchaus auch eine Berufsausbildung haben und sich alleine ernähren können – warum sollte man diesen Frauen also nicht zutrauen, ein Kind ohne Ehemann aufzuziehen. Aber für ein Land wie Marokko, in dem früher Frauen erst als „Ehefrau“ ihren Stand in der Gesellschaft sichern konnten, ist diese Reform revolutionär !

Von dem, was ich über Marokko erfahren habe, vor Ort, im Gespräch mit Betroffenen, habe ich den Eindruck, daß man sich im Grunde sehr bemüht, einem marokkanischen Waisenkind ein Leben in einer Familie zu ermöglichen, sei es in Marokko oder in Europa. Nur vor dem letzten Schritt, der offiziellen gegenseitigen Akzeptanz aller Gesetze, davor haben alle Angst. Aber das ist in Deutschland nicht anders. Jeder Sachbearbeiter, der die Thematik "Marokko und Adoption" hört, bangt um seinen Posten ! (Übrigens, verwirrend mag sein, daß selbst wenn Marokkaner das Wort "Adoption" in den Mund nehmen, sie immer nur die Kafala meinen, nicht die europäische Voll-Adoption).

Warum sich nicht noch mehr tut in Bezug auf die internationale Zusammenarbeit bezüglich Adoptionen ? Bisher hat vielleicht der Druck von den im Ausland lebenden Marokkanern auf die Regierung in Marokko gefehlt. Denn nur diese im Ausland lebenden Marokkaner haben das Problem, daß sie die „Kafala-Kinder“ nicht in ihre neue Heimat Frankreich, Belgien, Deutschland... mitnehmen können.

Apropos - Tunesien hat es – obwohl auch ein islamisches Land – geschafft, eine Ausnahmeregelung für Adoptionen mit Europa zu treffen. Tunesien hat die europäische „Voll-Adoption“ letztendlich offiziell anerkannt, unter der Voraussetzung, daß einer der Ehepartner Tunesier ist. Auch hier fand sich anscheinend ein Kompromiß. (Aber ich habe gehört, daß Tunesien von den arabischen Staaten oft als Verräter-Land bezeichnet wird, weil sie zu eng mit dem Westen zusammenarbeiten.)

„Le Maroc bouge“ – ich wünsche mir das sehr für die Kinder.

Gruß, Ulla


Viele Grüße, Ulla

"Ein Kind ist kein Gefäß, das gefüllt, sondern ein Feuer, das entzündet werden will" Francois Rabelais