Nur für Shakir (off-topic),

Chefsache*

Montagmorgen, und es gibt einen Donut zu wenig.

Scharfen Beobachtern fällt der reduzierte Bestand sofort auf, doch sie schweigen, denn eine Bemerkung wie "Hey, sind das nur sieben Donuts?" würde sofort ihre Donuterfahrung verraten. Es ist nicht besonders günstig für die eigene Karriere, wenn du als Mensch bekannt bist, der auf einen Blick den Unterschied zwischen sieben und acht Donuts erfassen kann.

So vermeiden es alle geflissentlich, den fehlenden Donut zu erwähnen, bis Roger aufkreuzt und den leeren Teller sieht.

Roger fragt: "wo ist mein Donut?"

Elisabeth tupft sich mit einer Papierserviette den Mund ab. "Ich hab nur einen genommen". Roger schaut sie an. "Was ist?" "Du weichst mir aus. Ich habe gefragt, wo mein Donut ist. Und Du erzählst mir, wie viele du genommen hast. Was soll das heißen?"

"Es heißt, daß ich einen Donut genommen habe" Elisabeth klingt ein wenig verunsichert.

"Ich wollte gar nicht wissen, wie viele Donuts du genommen hast. Natürlich unterstelle ich, daß du einen genommen hast. Aber wenn du diese Unterstellung eigens artikulierst, lässt du doch absichtlich oder unabsichtlich durchblicken, daß sie anfechtbar ist."

Elisabeth stützt die Hände in die Hüften. Sie hat schulterlanges, braunes Haar, das aussieht, als hätte man es mit einem Rasiermesser schnurgerade abgeschnitten, und einen Mund, der diesen Schnitt besorgt haben könnte. Elisabeth ist klug, rücksichtslos und emotional gestört. Das heißt, sie ist die ideale Verkaufsvertreterin. Wenn Elizabeths Gehirn ein Mensch wäre, hätte er Narben, Tätowierungen und nur noch ein Auge. Wenn er auf Dich zukäme, würdest Du auf die andere Strassenseite wechseln. "Willst du mir eine Frage stellen Roger? Willst du mich fragen, ob ich deinen Donut genommen habe?"

Roger zuckt die Achseln und gießt sich eine Tasse Kaffee ein. "Es macht mir nichts aus, daß ein Donut fehlt. Ich wundere mich nur, daß sich irgendjemand einfach zwei genommen hat".

"Ich glaube nicht, daß jemand zwei genommen hat. Die Kantine muss uns einen zuwenig geschickt haben."

"Das stimmt", mischt sich Holly ein.

Roger sieht sie an. Holly ist Verkaufsassistentin und hat daher kein Recht, sich ungefragt zu dieser Sache zu äussern. Freddy, ebenfalls Verkaufsassistent, weiß es besser und schweigt. Aber Freddy, der seinen Donut erst halb verspeist hat, hat auch gerade den Mund voll. Er zögert mit dem Schlucken, weil er Angst hat, ein peinliches Schlinggeräusch von sich zu geben.

Holly schrumpft unter Rogers Starren. Elizabeth kommt ihr zu Hilfe. "Roger, wir haben gesehen, wie sie aus der Kantine gekommen sind. Wir haben direkt dabeigestanden".

"Ach", entgegnet Roger. "Dann muß ich mich wohl entschuldigen. Mir war nicht klar, daß ihr die Donuts überwacht".

"Wir haben sie nicht überwacht, wir waren nur zufällig hier."

"Ehrlich gesagt ist mir das so oder so egal". Roger schnappt sich eine Tüte Zucker und schüttelt sie durch, wie um ihr Disziplin beizubringen: wapp-wapp-wapp-wapp. "Ich finde es nur interessant, dass Donuts für manche so wichtig sind, dass sie herumstehen und auf sie warten. Ich hatte keine Ahnung, dass die Donuts der Grund sind, warum wir hier jeden Tag erscheinen. Tut mir leid, ich dachte bei uns geht es um den Shareholdervalue".

"Roger vielleicht solltest Du lieber erst mit der Kantine reden, bevor du hier irgendwelche Anschuldigungen erhebst. Okay?". Elizabeth entfernt sich. Holly folgt ihr wie ein Hündchen.

Amüsiert blickt ihr Roger nach. "Typisch Elizabeth, sich so über einen Donut aufzuregen".

Freddy schluckt: "Genau".

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Josi

*von Max Berry