Ahlan Achim,

hat das gestrige Ereigniss in der Erfurter Schule, welches so schrecklich ist, daß es nicht in Worte zu fassen ist, Dich zum grübeln gebracht? In Marokko gibt es Schulpflicht nur auf dem Papier, würden alle Kinder zur Schule gehen, müßten Schultische übereinander gestellt werden und das Ausland um Lehrkräfte bemüht werden. Mir ist kein Fall bekannt wo Eltern wegen fernbleiben von schulpflichtigen Kindern, auch nur angesprochen, geschweige den bestraft wurden. Meine Erfahrung ist, daß Lehrer und Schüler egal in welchem Land auch immer, so viel Respekt vor einander haben wie sie wollen, oder dazu gezwungen werden.
Die folgenden Erlebnisse sind von dem Fuß des hohen Atlas:
Viele Kinder haben einen weiten und unwegsamen Schulweg, was auch ein Grund ist, wesshalb vielen Mädchen die Schule nicht zugemutet wird, seitens Ihrer Eltern. Die Kinder kommen regelmäßig zu spät und bei schlechtem Wetter überhaupt nicht. Ebenso halten sich Lehrer nicht an gewöhnliche Unterrichtszeiten. Sie gönnen sich Zigarettenpausen wann immer sie wollen und es ist normal das Kinder während der Unterrichtszeit ca. 1km für des Lehrer Sucht wandern dürfen. Die Kinder erledigen diese Aufgabe sehr gerne, weil es Ihnen eine gute mündliche Note sichert und ab und zu ein Bonbon beim Sacka(Zigarettenlizenzverkaufsladen). Außerdem ist es den Kindern eine Ehre dem Lehrer Eier,Brot,Tee usw in den Unterricht mitzubringen. Die ganz kleinen Kinder sind noch richtig stolz auf den Lehrer, dagegen lästern/schimpfen die etwas größeren hinter vorgehaltener Hand. In den vielen kleinen 1bis 2 Klassenzimmerschulen haben die Lehrer sehr viel Macht und Freiheit, weil es wegen geographischer Entfernung kaum Kontrollen vom Rektor gibt. Wenn die Grundschulzeit auf dem Lande vorbei ist, bekommen Kinder mit den besten Noten einen Internatsplatz in der nächst größeren Stadt. Auch Latifa durfte dort essen, schlafen und den Unterricht besuchen. Eines Tages wurde sie beim Rektor beschuldigt einer Kammeradin 50Dirham gestohlen zu haben. Der einzige Beleg für die Tat war der, daß sie beim Frisör war und mit einem 50Dirham bezahlte. Als sie für die Beschuldigung einen Monat Schulverweis bekamm, traute sie sich nicht zu Ihren Eltern und kam zu uns. Da wir schon seit Jahren das Schulgeld +Handgeld für das Mädchen bezahlten, eilte ich schnurrstraks zum Rektor und gab kein Ruhe bis das Mädchen wieder zum Unterricht durfte. Der Rektor hatte Angst vor Aufsehen und gab nach. Am Schuljahrende ist Latifa trotz befriedigender Noten sitzengeblieben. Es blieb Ihr nichts anderes übrig als zu wiederholen und auch noch das Doppelte an Schulgeld zu bezahlen. Das wiederholte Jahr bereitete Latifa keine Schwierigkeiten und freute sich das sie zu Ihrer Schwester in die Klasse kam. Trotz guter Noten wurde sie wieder nicht versetzt und mußte die Schule verlassen. Hinterher glaube ich, daß es an mir lag, weil keine Ruhe gab beim Rektor, wegen dem 1monatigen Schulverweiß von Latifa, da ich Ihm respektlos drohte als mein betteln nichts nützte.

leihinik
Josef