An all die Neuen, Balqis, Roman:
Macht euch nichts draus, ich verstehe auch nur die Hälfte, obwohl ich schon lange dabei bin. Wir erleben gerade das interessante Phänomen, dass ehemalige Mitglieder, die einstmals gesperrt wurden, nun den Weg ins Forum - wie auch immer - zurückgefunden haben. Und wie es scheint, wollen sie dies nutzen um alte Rechnungen zu begleichen.


Dass man sich hier über AvP so aufregt, wundert mich. Seine Haltung ist doch seit langem bekannt und blinkt hinter all dem verworrenen Gerede - zwischen dem sich hin und wieder mal ein intelligenter Satz befindet, an den sich dann einige Teilnehmer klammern wie an einen Stohhalm - in regelmäßigen Abständen auf. Dass er sich in seinen PNs auf dem Niveau eines Stammtisch-Redners ausdrückt, wo er doch hier bisweilen den Oberphilosophen spielt, trug bei mir eher zur Erheiterung bei.


Shakir, du bist der Einzige, der ein Interesse an JMs Ausgangsfrage gezeigt hat. Ich gehöre zu einer Generation von Islamwissenschaftlern, die sehr stark von den Einsichten über das "Feindbild Islam" geprägt sind, das nach dem Kalten Krieg das vorherige Feindbild des Kommunismus ablöste (obwohl es nicht neu war). Wir haben als Studenten AGs gegründet, haben Zeitungen und Mediensprache analysiert, haben Vorträge organisiert um über den Islam aufzuklären. Eine These, die ich nach wie vor teile, war: Es gibt nicht "den" Islam in der Praxis, die muslimischen Gesellschaften, die verschiedenen Strömungen und Traditionen sind viel zu heterogen, gerade modernistische Tendenzen, seien sie "westlich" oder "islamisch" formuliert, wurden und werden hier nicht wahrgenommen.
Dennoch werden bei der "Feindbild"-Diskussion zwei Dinge übersehen: Zum einen gibt es in Deutschland (und ich nehme an in anderen europäischen Ländern auch) einen nicht unerheblichen Anteil von Menschen, die dem Islam und den Muslimen offen und interessiert gegenüberstehen. Mit plattem Antiislamismus kann man allenfalls in der Boulevardpresse punkten. Medienträger wie die Süddeutsche, die taz, die FR, die Zeit, ja selbst die FAZ - alles führende Zeitungen und Meinungsblätter - transportieren kein Feindbild Islam an sich, im Gegenteil hat man dort als Journalist mit muslimischem Namen oftmals sogar die größeren Chancen.
Dass nun Politiker, die einen Anti-Islam-Kurs fahren, häufig in der Presse aufgegriffen werden, mag vielleicht gerade daran liegen, dass man in einem bestimmten Teil der Öffentlichkeit darüber entrüstet ist.
Freilich gilt das nicht für die ganze Bevölkerung, das ist mir bewusst. Ich sitze ja selbst ganz nah an einem Teil der Menschen in Deutschland, an die ihr vielleicht noch gar nicht gedacht habt: die Ausländer aus anderen, nicht-muslimischen Ländern. Wie es sich da manchmal anhört, wenn über den Islam oder spezifische Probleme geredet wird, will ich hier lieber nicht ins Forum schreiben. Dagegen sind die Deutschen in der Regel harmlos.

Zum anderen ist es schwierig über reale Probleme der Welt im Hinblick auf den Islam zu sprechen, ohne gleich in den "Feindbild"-Verdacht zu geraten. Islamisch legitimierten Terrorismus gibt es auf der Welt, ein verstärkter Zulauf bei Islamisten in den letzten Jahren weltweit ist eine Tatsache, eine antisemitische Haltung und Propaganda ist unter Muslimen in Deutschland verbreitet, Meinungsfreiheit wird - meines Wissens nach - heute durch keine andere Religion oder Ideologie stärker beschränkt als durch die islamische (durch das Rekurrieren auf den Islam, nicht durch den Islam selbst - das ist ein Unterschied), politische Morde geschehen im Namen des Islams - heutzutage mehr als im Namen einer anderen Religion oder Ideologie. Oder irre ich mich?
Natürlich, die Sache ist sehr kompliziert - gemordet wird auch im Namen der Demokratie. Aber der Unterschied ist: ich kann gegen die amerikanische Regierungspolitik sein, ohne dass man mir unterstellt, ich sei anti-demokratisch. Wenn ich aber kritisiere, dass man im Namen des Islam unterdrückt, terrorisiert, Meinungsfreiheit beschränkt, unterstellt man mir ich sei anti-islamisch.
Deswegen appelliere ich immer wieder an Muslime, egal in welchem Maße sie gläubig sind, dass sie es selbst sein müssen, die ihre Religion gegen eine Extremisierung verteidigen. Aber verschiedentlich höre ich dann, dass sie die "muffige Theologie" nicht interessiere, wofür ich Verständins habe, oder sie fürchten als "verwestlicht" abgestempelt zu werden, das ist gerade nicht schick.
Auch ich bin manchmal müde und frage mich, ob ich mich nun mein Leben lang mit dem Islam beschäftigen muss - wo doch die Welt noch so viele andere Facetten hat. Das Terrain aber den Fundamentalisten auf beiden Seiten zu überlassen, halte ich für friedensgefährdend.
Gruß