Neulich bei Khira im Wohnzimmer:

Ich tat das was ich wirklich sehr selten tue: fernsehen. Es liefen die Nachrichten in ARD um 20Uhr ( Nein nein, ich habe auch Kabelfernsehen!!*smile*) Gerade bevor die deprimierenden Nachrichten über das Wetter zu hören waren, sagte der Nachrichtensprecher einen Satz, der an diesem Abend genügte um eine Diskussion zwischen mir und meiner Mutter in einer nicht geplanten Länge zu ziehen.

„...bla bla bla Bundeskanzler Schröder appelliert an alle Muslime, sich zu integrieren.“

Das Bild vom Bundeskanzler im Hintergrund, die Überschrift: „Appell an alle Muslime“. Ich fühlte mich nicht angesprochen, also verinnerlichte ich diese Worte auch nicht. Meine Mutter sah das etwas anders.

Gerade wollte ich aufstehen, da sprach meine Mutter zu mir:

„Was sollen "wir" noch tun, damit bewiesen ist, dass "wir" in diesem Land bereits alles getan haben um dazugehören. Verlangt Schröder von "uns", dass "wir" unsere Religion der hier gängigen Religion anpassen?. "Wir" haben doch alles schon getan!“

Khira: „ Mama, das betrifft ja nicht allein unsere Familie, es geht hier den Politikern darum, dass „wir“ uns alle bemühen sollten die deutsche Sprache zu erlernen, uns bemühen einen Job zu finden, und uns in dieses Land so gut es geht so anzupassen, dass nicht ein reißender Fluss die Deutschen von den Ausländern trennt, auf das sie niemals die Möglichkeit haben zueinander zu finden.....obwohl sie ja zusammen leben müssen“.

Mama: “ Warum müssen es nur die Muslime sein, die den ersten Schritt wagen durch diesen reißenden Fluß zu gehen. Warum kommen die Deutschen „uns“ nicht zu Hälfte entgegen?“

Khira: „ Mama, das tuen „die“ doch. „Sie“ haben Schulen, Universitäten und sonstige Einrichtungen, die wir „uns“ zu nutze machen können. „Die“ sagen, dass das Land uns komplett zur Verfügung steht, und dass wir alles darin benutzen können, damit wir mit „ihnen“ zusammen kommen und „uns“ mit „ihnen“ austauschen und „sie“ verstehen. „Sie“ möchten nicht, dass „wir“ ein eigenes Grüppchen bilden, und „uns“ dagegen anlehnen, nicht an „ihren“ Lebensalltag teilzunehmen. „Sie“ möchten Einblick in unserem....äähh“

Mama: “ Stopp mal, die Muslime bilden doch kein Grüppchen, um sich von der Außenwelt abzuschotten. Sie kommen nur dann zu einer Gruppe zusammen, wenn sie gemeinsam beten wollen. Aber das sollte ihnen gestattet sein oder nicht?“

Khira: “ Ja, aber....ähh.“

Mama: „Nichts aber...., es können doch nicht immer nur die Muslime sein, die als Problemgesellschaft gesehen werden. Was ist mit der Italienerin Selina, die im Haus gegenüber von uns wohnt?“

Khira: „Was soll mit ihr sein, Mama?“

Mama: „ Sie ist seit zig Jahren hier, und spricht kein Wort deutsch. Und es gibt bestimmt noch andere nicht-islamische Nationalitäten, die sich nicht bemühen sich hier anzupassen. Warum spricht man dauernd von Muslimen, die nicht fähig sein sollen etwas zu können. Hat Bundeskanzler Schröder etwa vielleicht schon mal beim Marokkaner oder Türken eingekauft? Ich habe ihn nicht gesehen!! Wieso glaubt er „uns“ Muslime alle zu sehen was wir tun und was wir nicht tun, sodass er sich heute erlauben darf an alle Muslime zu appellieren? „Wir“ kaufen in deutschen Geschäften ein, bezahlen mit europäischer Währung. Ja die Meisten von „uns“ fahren einen Mercedes:-). „Unsere“ Kinder gehen in „deutschen“ Schulen. Wir kaufen bloß nur das Fleisch beim Marokkaner oder Türken, denn beim deutschen Metzger ist es nicht „Halal“......und ausserdem.....“

Khira: „ Ja, ja schon richtig was Du sagst, aber „wir“ Muslime fallen irgendwie aus dem Rahmen. Kannst Du Dich an die eine marokkanische Frau erinnern, die ich nach langer Zeit wieder getroffen hatte, auf die ich damals dann sauer war?“

Mama: „ Was hat sie mit diesem Thema zu tun?“

Khira: „ Schau mal, ich hatte sie seit meiner Grundschulzeit nicht mehr gesehen gehabt, deshalb freute ich mich auch sie zu sehen. Wie sie erzählte, hatte sie bereits geheiratet und ein Kind. Ihren Mann hat sie aus Marokko hierher importiert.“

Mama: “ Ja und, seit wann ist die Familienzusammenführung verboten?“

Khira: „Mama, darum geht es nicht. Ich hatte sie gefragt was sie oder ihr Mann den beruflich machten, und sie antwortete mir damals mit einem Lachen, dass sie und ihr Mann Sozialhilfeempfänger seien. Sie bekämen alles umsonst, sprach sie unbeirrt weiter, und sie konnte nicht verstehen warum ich es vorzog arbeiten zu gehen.“

Mama: „Nun, das geht natürlich nicht, das verstehe ich.“

Khira: „ Weißt du Mama, ich spürte damals in mir das Gefühl des Zorns, weil ich so eine der Personen hier in Deutschland bin, die solche Menschen sponsert. Nicht nur, dass solche Menschen, obwohl sie eigentlich nicht doof sind dem Staat und somit jedem ehrlich arbeitenden Menschen auf der Tasche liegen, nein, sie begeben sich freiwillig auf einem niedrigen Niveau, und können später ihre Kinder nicht auf das Leben da draußen vorbereiten.“

Mama: “ Wie meinst du das mit dem –vorbereiten-?“

Khira: „Schau mal, Papa und du habt uns so erzogen, sodass wir in der Schule unser bestes geben mussten. Ihr habt uns unterstützt, und uns sogar externe Hilfe zukommen lassen, damit wir in der Schule gut abschneiden. Später habt ihr gut darüber gewacht, dass wir eine gute Ausbildung absolvierten. Ihr habt uns solange durch das Leben da draußen begleitet, bis wir aus eigner Motivation heraus den Weg erkannten, denn wir beruflich einschlagen wollten. Damit hast du und Papa einen sehr großen Beitrag geleistet, um dem näher zu kommen was der Schröder unter „Integrität“ hierzulande meint. Aber wie hättet ihr uns erzogen, wenn ihr die Einstellung dieser Frau hättet, die Weiterbildung und Arbeit als unwichtig erachtet? Ihr hättet euch mit Sicherheit keine Mühe bei unserer schulischen Erziehung gegeben, und vielleicht hättet ihr sogar was dagegen gehabt, wenn meine deutsche Mitschülerin zu mir nach Hause gekommen wäre. Aber so hattet ihr nie was dagegen, denn es gab und gibt bis auf die Religion keinen anderen Unterschied zu anderen. Stimmts?“

Mama: “ Aber eine solche Erziehung, das macht doch fast jede islamische Familie so. Wo liegt den das Problem.“

Khira: „ Das Problem ist das Wörtchen „fast“ in deinem Satz. Denn, wie gesagt, nicht alle Muslime denken so wie wir glauben, dass jeder denken müsste. Und es macht sich bemerkbar, deshalb ist es nun das große Thema. Und nur wenige ausländische Eltern wissen welche große Aufgabe sie in Sachen Integrität haben und welche noch größere Verantwortung somit gegenüber ihren Kindern. “

Mama: „ Aber was soll dann immer diese Kopftuchdiskussionen in den Zeitungen und in den Fernsehnachrichten, wenn dieses Anpassen in dieser deutschen Gesellschaft, nicht auch heißt, dass man sich auch von seinen religiösen Praktiken verabschieden muss.
Und was ist mit dieser Frau, die ihr Kopftuch in ihrem Lehramt tragen wollte, ihr hat man es verboten. Das meinte ich mit Entgegenkommen, hier müssen die Deutschen einen Schritt auf „uns“ zumachen. Wie können „die“ verlangen, dass wir „uns“ völlig integrieren, wenn sie nur diktieren was zu tun ist, und selbst sich nicht von der Stelle rühren?“

Khira: „Mama, man hat immer eine Wahl, wenn etwas nicht zu eigener Zufriedenheit passiert....das hast du immer zu uns gesagt, stimmts?“

Mama: „Und welche Wahl hätten „wir“ in diesem Fall?“

Khira: “ Das klingt zwar hart, aber wenn „uns“ die Regeln der Deutschen nicht gefallen, und „wir“ wissen, dass es für „uns“ nicht so weitergehen kann, dann müssen „wir“ wohl zurück in unsere Heimat, die „wir“ einst verlassen haben.“

Mama: „Wer sagt das, du?!“

Khira: „ Was ich meine ist, dass es hinter jeder Aufforderung ein Endweder/Oder gibt....auch wenn es nicht direkt ausgesprochen wird. Die Muslime müssen erkennen, dass sie jetzt schon vor der Wahl stehen. Sie müssen akzeptieren, dass zukünftig islm. Religionsunterricht in Deutsch abgehalten wird. Und das zukünftig nicht jeder sich zum Vorbeter und Prediger in einer Moschee brüskieren kann, der nur der arabischen Sprache mächtig ist. D.h. dieser muss in der Lage sein auch in der deutschen Sprache zu predigen. Islm. Kinder müssen von den Eltern gefordert und gefördert werden, um in der Schule zu bestehen. Wir wissen doch, dass es niemals die Haut- oder die Haarfarbe ist, die einen für die Hauptschule oder für das Gymnasium qualifiziert.....auch wenn manche ihre Unzufriedenheit gerne damit rechtfertigen wollen, dass es nur so sein kann. “

Mama: „ Es gibt also kein Rassismus in den deutschen Köpfen, meinst du das?“

Khira: „ Nein, sicher kann man das nicht so pauschal sagen, genauso wenig wie man es von irgend einem anderen Volk behaupten kann, aber darum geht es jetzt nicht.....ähh.“

Mama: „..sicher geht es auch darum, Pauschalisieren das tun „die“ doch, sonst würde dieser Appell nicht an alle Muslime gerichtete werden. Die Muslime sind doch keine kleine Einheit von zehn Mann.....ach Tochter was willst Du mir erzählen, dass „die“ das alles ganz anders meinen, als sie es direkt aussprechen?“

Khira: „ Das Thema ist ein wenig schwierig Mama, wir brauchen uns nicht darüber zu streiten, denn wir haben uns bereits in diesem Land so angepasst, dass einzig und allein vielleicht unser Aussehen und unser Name auf eine andere Herkunft schließen lässt. Aber unsere Religion tragen wir im Herzen, und unsere religiösen Praktiken können wir wann wir es für nötig halten in unserem Hause oder in einer der zig Moscheen ausüben, die uns umgeben. Wie du siehst, kann mit Integrität nicht gemeint sein, dass unsere Religion einen neuen westlichen Anstrich benötigt, nein!!“


Mama: „ Die Muslime sind seit den letzten Jahren sehr sensibel geworden, und das, wie Du weißt, nicht ohne Grund. Vielleicht müssen die deutschen Politiker die Integrität, die sie fordern „uns“ nur etwas schmackhaft machen, dann haben sie bald keine Probleme mehr mit Ausländern.“

Khira: „MAMA!!! Für etwas was für jeden Menschen selbstverständlich sein müsste, wüsste ich ehrlich gesagt nicht was du mit –schmackhaft- meinen könntest!“

Mama: „ Ganz einfach, wenn man etwas fordert, und es aber kein Gehör findet, gibt es zwei Möglichkeiten dies durchzusetzen, entweder mit Gewalt und Sanktionen oder man versucht es auf die humane Art, und macht seine Forderung mit irgendwas schmackhaft. Gib du mir, ich gib dir...verstehst du?:-) Und außerdem, willst Du mir erzählen, dass bei diesen Test....wie hieß dieser noch mal?“

Khira: „ Pisa-Studie, Mama“

Mama: “Ja genau, willst du mir etwa sagen, dass alle Schüler bei dieser Pisa-Studie Muslime waren, und deshalb dann Deutschland auf den letzten Plätzen zurückfiel?”


Khira: „Nein, aber es geht nicht nur um Kinder, es geht auch um Erwachsene. Noch vor zwei oder drei Jahren war das noch so, dass jeder Ausländer, der hier eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis hatte, und der mindestens 8-12 Jahre sich hier in der BRD aufhielt, die Option offen hatte, die deutsche Staatsangehörigkeit zu beantragen. Kein Hahn bzw. Beamter hat danach gekräht, ob man das deutsche Alphabet kannte oder nicht oder ob man überhaupt richtig deutsch sprach. Und wie ist es jetzt, Mama?...Man wird einem Test unterzogen, der auch ein Diktat beinhaltet. „Die“ möchten nun schon wissen, wie es um die Sprachkenntnisse bestellt ist. Das ist ein Schritt, den man u.a. tut um dieser Integrität ein Stückchen näher zu kommen. Das ist doch nur Rechtens!“

Mama: “ Die Zeiten haben sich hier in Deutschland geändert, Töchterchen. Es ist vielleicht an der Zeit wieder in die Heimat zurückzukehren. Aber auf der anderen Seite, wir haben uns schon zu sehr an dieses Land gewöhnt, wir fallen nicht mehr als Ausländer auf, und haben es in vielerlei Hinsicht genauso einfach wie die Deutschen. Es wird schwer sein den Schritt zurück in die Heimat zu wagen, in der wir fremder sein werden wie wir es von Deutschland glauben.

Khira: „Du hast Recht, wir fallen nicht als „Fremde“ auf, und darum geht es Mama. Wenn jeder Ausländer sein bestes tut um sich hier zu integrieren, dann muss sich niemand Gedanken machen, in einer Heimat zurückkehren zu müssen, in der man praktisch wieder von vorne anfängt.....wieder anfängt sich zu integrieren. Egal wohin es einen hinverschlägt, man muss sich stets mit seiner Umwelt arrangieren. Also warum nicht hier, wenn man bereits hier die meisten Zeit seines Leben verbringt?. Weiß Du Mama, ich glaube, viele Menschen drehen sich alles so, damit sie dann etwas haben auf was sie schimpfen können. Vielleicht sind unter „uns“ mehr von diesen Menschen zu finden als uns lieb ist.“

Mama: „ Meinst Du, ähnlich dieser kleinen Geschichte von diesem Baustellenarbeiter, die du mir aus einem Buch mal zitiert hast?“

Khira: „Ja genau, da war doch aus dem Buch von Dan Millman. Als sich der –Schüler- darüber beklagt hatte, dass seine -Mitschüler- am College unfreundlich und unfair zu ihm waren. Durch diese kleine Geschichte vom Bauarbeiter, wollte ihm dieser –Lehrer- aufzeigen, dass er selbst die Verantwortung für sein Leben hatte, und nicht andere Menschen oder den Umständen die Schuld geben durfte.

Mama: „Wie ging diese Geschichte noch mal?“

Khira: “ Ich glaube, wir verfehlen das Thema, Mama, aber ich erzähle dir diese kleine Geschichte gerne noch mal: Nun, auf einer Baustelle arbeitete einst ein Mann namens Sam:-) Jeden Tag, wenn die Sirene zur Mittagspause ertönte, setzten sich die Kollegen hin und packten ihre Lunchpakete aus. Und mit schöner Regelmäßigkeit hörten sie wie Sam sich beklagte.:“ „Hol mich der Teufel“ jammerte er „Nicht schon wieder Sandwich mit Erdnussbutter und Marmelade, ich hasse Erdnussbutter und Marmelade.“ So ging es jeden Tag, bis es den Kollegen zuviel wurde. „Hör mal, sag doch mal endlich deiner Alten, sie soll dir etwas anderes mitgeben.“ „Gotte bewahre“ protestierte Sam. „Ich bin nicht verheiratet. Ich mache mir meine Sandwiches selbst.“

Mama: Richtig, „wir“ haben vieles was wir an „uns“ ändern könnten selbst in der Hand. Ich habe jetzt Hunger, ich werde uns was zu essen machen, und zum Thema Integrität will nichts mehr hören. Wir sind schon zu lange mitten im Geschehen, die Politiker dürfen nur nicht den Fehler machen alle Muslime über einen Kamm zu scheren, sonst brauchen sie sich nicht irgendwann wundern, wenn nur –Trotz- als Antwort auf das Wort Integrität zu vernehmen ist.....stimmt’s Tochter?“

Khira: „ ...äähhm ja Mama, ich habe auch Hunger:-)“


Wassalam
Khira